Erstmals auf Deutsch erschienen soeben im Pop Verlag die Gedichte des albanischen Lyrikers Gëzim Hajdari in der Übersetzung von Stefanie Golisch. Hajdari wurde 1957 in Albanien geboren und lebt seit 1992 im italienischen Exil, wo er innerhalb weniger Jahre zu einer markanten Stimme des literarischen Lebens avancierte und mit namhaften Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. In mehrfacher Hinsicht haben Hajdaris besonderen Lebensumstände sein Schaffen der vergangenen Jahre geprägt. Mit einigem Recht könnte man das Thema des fremden Blicks als das Herzstück seines rasch wachsenden Werkes bezeichnen, das neben Lyrik auch kritische Reisereportagen aus Afrika und Asien umfasst. Bewusst erfährt der Autor seine Existenz in der Fremde als menschliche und künstlerische Herausforderung. Keinesfalls identifiziert er sich mit der Rolle des Opfers, im Gegenteil wird ihm sein persönliches Schicksal zum Sinnbild der existentiellen Kondition des Menschen als Fremder im eigenen Haus. Seine Ursprungskultur und die seiner - wie er es nennt - zweiten Heimat, treten in ein ebenso konfliktreiches wie dynamisch-produktives Verhältnis zueinander. Dies kommt auch in der ungewöhnlichen Tatsache zum Ausdruck, dass seine Gedichte stets zweisprachig entstehen, in seiner Muttersprache und auf Italienisch. Der Autor begreift beide Versionen als gleichberechtigt; die vorliegende Übersetzung basiert auf dem italienischen Text. In offener Konfrontation zu den zeitgenössischen Strömungen in der europäischen Lyrik, geht es Hajdari um die alten Fragen der Menschheit, um das Verhältnis von Zivilisation und Natur, von westlicher und östlicher Hemisphäre, um Mythen und Archetypen, die auch im Unterbewusstsein des modernen Menschen als Kraftquellen und Verstörungen weiterwirken. Geprägt von den balkanischen Epen seiner Kindheit und Jugend, beeindrucken seine Gedichte durch die Fülle der Sinnes - und Natureindrücke, welche die Lektüre im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Erlebnis werden lassen.