Produktdetails
- Haffmans Sachbuch
- Verlag: Haffmans
- Seitenzahl: 382
- Deutsch
- Abmessung: 190mm
- Gewicht: 418g
- ISBN-13: 9783251400164
- ISBN-10: 3251400169
- Artikelnr.: 24084988
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2000Amerika, du machst es besser!
Verschwurbelt: Wolfram Knorr wider die deutsche Leichtbauweise
Ethnologen des, sagen wir, 24. Jahrhunderts werden über dieses Volk lange rätseln: Kinder, die in "herbe, schollenartige und trutzige Beinkleider" gesteckt wurden; Hohepriester, die "ein verkopftes Himmelreich" versprachen; Künstler, die ein "verquälter Umgang mit der Unterhaltung" auszeichnete. Sie ahnen es: Es geht um die Deutschen und ihre Kultur, genauer gesagt um ihre Unfähigkeit, mit populärer Kultur umzugehen. Seit ewigen Zeiten werden nach Meinung Wolfram Knorrs in Deutschland die "Bedürfnisse einer Mehrheit" ignoriert, und statt dessen wird einer bildungsbürgerlichen Hochkultur das Wort geredet, für die sich zwar kein Mensch interessiert, aber die dafür um so intensiver subventioniert wird.
In diese Lücke stieß und stößt die amerikanische Populärkultur. Ihr gehört dem Buch- und Untertitel nach das Hauptinteresse Wolfram Knorrs. Doch dies ist ein Etikettenschwindel. Auf dem Umschlag werden zwar in einer Montage Reliquien der amerikanischen Kultur präsentiert. In Wirklichkeit liefert die amerikanische Kultur nur die Folie für eine gnadenlose Polemik gegen die deutsche Hochkultur. Kapitel für Kapitel werden für die verschiedenen Kulturbereiche immer wieder die gleichen Argumente ins Feld geführt. Deutsche Künstler sind nach Knorrs Ansicht unfähig, wirklichkeitsnahe, die Menschen fesselnde Kunstwerke zustande zu bringen. Die "Verschwurbelung" - ein von Knorr abgeleitetes Wort aus "Donald Duck" - der Kultur in höhere Sphären dominiert. Gnadenlos seien die wirklichen Talente verschleudert worden. Bei den frühen Zeitungscomics beispielsweise. Wilhelm Busch war "Wegbereiter der Comics", machte "Slapstick, bevor der ins Kino kam". Doch in Deutschland war ihm nur eines beschert: "Folgenlosigkeit". Randolph Hearst dagegen erinnerte sich um 1900 an "Max und Moritz", deren Streiche er als Kind während einer Europareise mit Vergnügen gelesen hatte. Im Kampf um höhere Auflagen kam er auf die Idee, "auf dieser Basis eine Serie für seine Sonntagsbeilagen entwerfen" zu lassen. Der Siegeszug der Comics in den Vereinigten Staaten begann.
Im Bereich der Science-fiction-Literatur war es nicht viel anders. Die "Perry Rhodan"-Heftreihe, die 1961 in Deutschland gestartet war, brachte es teilweise auf eine Auflage von über 700 000 Exemplaren. Doch statt aus dieser Vorlage einen Kinoerfolg für Millionen zu machen, entstand 1966 ein dilettantisches Machwerk, das jeder Beschreibung spottete. Die Bauten waren "lächerlich", und "Rhodan blieb eine unsäglich lachhafte Kasperlefigur". Was für ein Potential verspielt wurde, zeigten später George Lucas' "Star Wars"-Filme. In den Fernsehserien konnten die Unterschiede nicht drastischer sein. Während Tony Curtis und Roger Moore in "Die Zwei" sich einen Nonsensdialog nach dem anderen leisteten und ihr "Donniwetti" und "Was ist Ihr Begehr?" zu stehenden Redewendungen wurden, hatte der "Viel- und Schnellschreiber" Herbert Reinecker für die Krimis "Der Kommissar", "Der Alte" oder "Derrick" "den Geist der sauberen Befehlskette noch in den Knochen und ließ deshalb alle - vom Assistenten bis zu den Verdächtigen - gewissermaßen von der Bordsteinkante salutieren, wenn das ermittelnde Wachbataillon zur Aufnahme der Fälle marschierte". Dieses Beispiel zeigt: Knorr kann wunderbar böse und bissig schreiben, hat in vielen Fällen mit seiner Beschreibung sogar recht. Nur: Es ist das Aufwärmen längst geschlagener Schlachten, wenn er sich beispielsweise über den künstlichen Realismus der Achtundsechziger-Filmemacher echauffiert. Auch die Konstruktion einer Antiamerikanismus-Traditionslinie von Nikolaus Lenau bis Wim Wenders oder Günter Grass macht dies nicht spannender.
Am Schluß räumt Knorr ein, daß er sich an einem Thema abgearbeitet hat, das längst nicht mehr so brisant ist, wie seine Analyse den Anschein erwecken will. In seinem Schlußwort schreibt er über das Kino: "Seit der Antiamerikanismus abgeflaut ist, die Ideologien gefallen sind und das emotionale Kino wieder salonfähig ist, geht man enthemmter in amerikanische Filme . . ." Georg Bollenbeck untersuchte 1994 in seinem Buch "Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters" die in deutschen Traditionen verwurzelten Ressentiments gegen westliche Errungenschaften. In intellektuellen Debatten wurde im neunzehnten Jahrhundert ein Niveaugefälle zwischen vorgeblich höherstehender deutscher Kultur einerseits und westlicher Zivilisation andererseits konstruiert. Knorr liefert gewissermaßen eine "light"-Version dieses Buchs, bezogen auf die Kulturgeschichte der Bundesrepublik, ab. Vielleicht hätte Knorr besser daran getan, einen knappen, angloamerikanisch inspirierten Essay zu schreiben, statt sich 369 Textseiten lang durch die in seinen Augen deutsche "kulturelle Piefigkeit" zu quälen und sich dabei die Laune zu verderben.
JÜRGEN SCHMIDT
Wolfram Knorr: "Monster, Movies, Macht und Massen". Amerikanische Kultur: 200 Jahre Lust und Last. Haffmanns Verlag, Zürich 2000. 382 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verschwurbelt: Wolfram Knorr wider die deutsche Leichtbauweise
Ethnologen des, sagen wir, 24. Jahrhunderts werden über dieses Volk lange rätseln: Kinder, die in "herbe, schollenartige und trutzige Beinkleider" gesteckt wurden; Hohepriester, die "ein verkopftes Himmelreich" versprachen; Künstler, die ein "verquälter Umgang mit der Unterhaltung" auszeichnete. Sie ahnen es: Es geht um die Deutschen und ihre Kultur, genauer gesagt um ihre Unfähigkeit, mit populärer Kultur umzugehen. Seit ewigen Zeiten werden nach Meinung Wolfram Knorrs in Deutschland die "Bedürfnisse einer Mehrheit" ignoriert, und statt dessen wird einer bildungsbürgerlichen Hochkultur das Wort geredet, für die sich zwar kein Mensch interessiert, aber die dafür um so intensiver subventioniert wird.
In diese Lücke stieß und stößt die amerikanische Populärkultur. Ihr gehört dem Buch- und Untertitel nach das Hauptinteresse Wolfram Knorrs. Doch dies ist ein Etikettenschwindel. Auf dem Umschlag werden zwar in einer Montage Reliquien der amerikanischen Kultur präsentiert. In Wirklichkeit liefert die amerikanische Kultur nur die Folie für eine gnadenlose Polemik gegen die deutsche Hochkultur. Kapitel für Kapitel werden für die verschiedenen Kulturbereiche immer wieder die gleichen Argumente ins Feld geführt. Deutsche Künstler sind nach Knorrs Ansicht unfähig, wirklichkeitsnahe, die Menschen fesselnde Kunstwerke zustande zu bringen. Die "Verschwurbelung" - ein von Knorr abgeleitetes Wort aus "Donald Duck" - der Kultur in höhere Sphären dominiert. Gnadenlos seien die wirklichen Talente verschleudert worden. Bei den frühen Zeitungscomics beispielsweise. Wilhelm Busch war "Wegbereiter der Comics", machte "Slapstick, bevor der ins Kino kam". Doch in Deutschland war ihm nur eines beschert: "Folgenlosigkeit". Randolph Hearst dagegen erinnerte sich um 1900 an "Max und Moritz", deren Streiche er als Kind während einer Europareise mit Vergnügen gelesen hatte. Im Kampf um höhere Auflagen kam er auf die Idee, "auf dieser Basis eine Serie für seine Sonntagsbeilagen entwerfen" zu lassen. Der Siegeszug der Comics in den Vereinigten Staaten begann.
Im Bereich der Science-fiction-Literatur war es nicht viel anders. Die "Perry Rhodan"-Heftreihe, die 1961 in Deutschland gestartet war, brachte es teilweise auf eine Auflage von über 700 000 Exemplaren. Doch statt aus dieser Vorlage einen Kinoerfolg für Millionen zu machen, entstand 1966 ein dilettantisches Machwerk, das jeder Beschreibung spottete. Die Bauten waren "lächerlich", und "Rhodan blieb eine unsäglich lachhafte Kasperlefigur". Was für ein Potential verspielt wurde, zeigten später George Lucas' "Star Wars"-Filme. In den Fernsehserien konnten die Unterschiede nicht drastischer sein. Während Tony Curtis und Roger Moore in "Die Zwei" sich einen Nonsensdialog nach dem anderen leisteten und ihr "Donniwetti" und "Was ist Ihr Begehr?" zu stehenden Redewendungen wurden, hatte der "Viel- und Schnellschreiber" Herbert Reinecker für die Krimis "Der Kommissar", "Der Alte" oder "Derrick" "den Geist der sauberen Befehlskette noch in den Knochen und ließ deshalb alle - vom Assistenten bis zu den Verdächtigen - gewissermaßen von der Bordsteinkante salutieren, wenn das ermittelnde Wachbataillon zur Aufnahme der Fälle marschierte". Dieses Beispiel zeigt: Knorr kann wunderbar böse und bissig schreiben, hat in vielen Fällen mit seiner Beschreibung sogar recht. Nur: Es ist das Aufwärmen längst geschlagener Schlachten, wenn er sich beispielsweise über den künstlichen Realismus der Achtundsechziger-Filmemacher echauffiert. Auch die Konstruktion einer Antiamerikanismus-Traditionslinie von Nikolaus Lenau bis Wim Wenders oder Günter Grass macht dies nicht spannender.
Am Schluß räumt Knorr ein, daß er sich an einem Thema abgearbeitet hat, das längst nicht mehr so brisant ist, wie seine Analyse den Anschein erwecken will. In seinem Schlußwort schreibt er über das Kino: "Seit der Antiamerikanismus abgeflaut ist, die Ideologien gefallen sind und das emotionale Kino wieder salonfähig ist, geht man enthemmter in amerikanische Filme . . ." Georg Bollenbeck untersuchte 1994 in seinem Buch "Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters" die in deutschen Traditionen verwurzelten Ressentiments gegen westliche Errungenschaften. In intellektuellen Debatten wurde im neunzehnten Jahrhundert ein Niveaugefälle zwischen vorgeblich höherstehender deutscher Kultur einerseits und westlicher Zivilisation andererseits konstruiert. Knorr liefert gewissermaßen eine "light"-Version dieses Buchs, bezogen auf die Kulturgeschichte der Bundesrepublik, ab. Vielleicht hätte Knorr besser daran getan, einen knappen, angloamerikanisch inspirierten Essay zu schreiben, statt sich 369 Textseiten lang durch die in seinen Augen deutsche "kulturelle Piefigkeit" zu quälen und sich dabei die Laune zu verderben.
JÜRGEN SCHMIDT
Wolfram Knorr: "Monster, Movies, Macht und Massen". Amerikanische Kultur: 200 Jahre Lust und Last. Haffmanns Verlag, Zürich 2000. 382 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Jürgen Schmidt kann sich für dieses Buch nicht begeistern. Ein "Aufwärmen längst geschlagener Schlachten" diagnostiziert er, etwa dort, wo Knorr den "künstlichen Realismus der Achtundsechziger-Filmemacher" beklagt. Schmidt ist es offenbar ein wenig leid, nun schon wieder lesen zu müssen, dass die Hochkultur in Deutschland angeblich kaum jemanden interessiere, während die Populärkultur hierzulande ein Schattendasein friste. Knorr beleuchte dabei zwar verschiedene Bereiche, die Argumente sind nach Schmidt jedoch immer wieder die gleichen. Die Künstler in Deutschland sind nach Knorr schlicht unfähig, Kunstwerke zu kreieren, die die Bevölkerung interessieren könnten. Zwar habe der Autor in einzelnen Punkten durchaus recht, allerdings werde das Buch dadurch nicht unbedingt spannender. Für an dieser Thematik interessierte Leser empfiehlt der Rezensent dann doch lieber Georg Bollenbecks Buch "Bildung und Kultur", das sich allerdings mehr auf die Wurzeln des Problems bzw. das neunzehnte Jahrhundert bezieht. Knorr Buch sei lediglich die "light-Version" davon, mit Schwerpunkt Bundesrepublik.
© Perlentaucher Medien GmbH
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