Die Familie ist in heller Aufregung. Keiner weiß mehr so recht, wie es geschehen konnte, aber Tatsache ist: 20 Monster haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Sie veranstalten einen fürchterlichen Lärm und vergnügen sich damit, das Mobiliar zu demolieren. Die Eltern schreien nach Polizei und Feuerwehr, aber ist das wirklich notwendig? Vielleicht lassen sich die Monster ja auch so besänftigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996Arglose Monster auf Studienreise
Gastfreundlich empfangen in einem Bilderbuch von Brigitte Schär und Jacky Gleich
Was tun, wenn Gäste kommen, die sich nicht benehmen können, die gar nicht sprechen, die grün sind und dazu ein bißchen dumm aussehen, wenn ihnen der Geifer aus dem Munde tropft? "Ich tat, was wir immer tun. Ich schüttelte jedem Monster die Tatze."
Das kleine Mädchen, das uns von diesem Monsterbesuch erzählt, ist den stinkenden Eindringlingen gegenüber so arglos, unvoreingenommen und freundlich eingestellt, daß einem nur schwindelig werden kann. Es gibt anrührende Augenblicke in dieser Begegnung mit dem Fremden, dem anderen. Obwohl die Monster - vielleicht - nicht verstehen, was ihnen das Mädchen von ihrem Leben erzählt, sind sie ganz neugierig und rücken, ohne es zu merken, immer näher und näher heran. "Ich konnte ihren Atem auf der Haut spüren. Das war eine Hitze. Schade, daß es nicht Winter war."
Was tun, wenn man irgendwann müde ins Bett fällt, die Gäste aber nachts alles verwüsten? Sich nicht, wie besprochen, auf dem weichen Teppichboden lagern? Sondern alles zerkratzen, alles annagen, alles leer räumen, alles aufschlitzen, alles verdrecken? Dann wacht man vom Geheul der Sirenen auf, denn Vater und Mutter haben inzwischen die Feuerwehr geholt. Nun sitzen die Monster ganz verschreckt da, mit bleichen Gesichtern, aneinandergekauert. Was tun? Man muß sie trösten. "Habt keine Angst", sagte ich. "Ich regle das schon."
Nach tumultigem Zwischenteil endet der Besuch mit einem herzzerreißenden Abschied. Inzwischen ist allen klar: Dies sind Monster mit Charakter, nur haben sie andere Begriffe von den Dingen und der Welt. Sie sind offenbar auf Studienreise, wißbegierig, sanft und ohne die geringste böse Absicht. Außerdem finden später alle, daß die Wohnung sowieso dringend der Renovierung bedurfte und daß es höchste Zeit für neue Möbel und einen neuen Herd war. Genaugenommen sehen diese Monster gar nicht so monsterhaft aus, eher wie verängstigte Büroangestellte-, mit Schlips und ehrgeizigen Mundwinkeln. Sollte dies ein feiner Hieb auf den Mann an sich sein, so sei er einem so zartfühlenden Buch gestattet.
Die gastliche Geschichte von Brigitte Schär ist grandios bebildert. So, wie sich Text und Bild ineinander verweben, wird das Durchblättern des Bandes zu einem Abenteuer an sich, spielerisch und einladend auf ganz unverbrauchte Weise. Mit leicht geführtem Strich versteht es Jacky Gleich, die Wärme der Geschichte ins Bild zu übertragen. Nur in die Titelseite hat sie zuviel hineingedacht: angstvoller Blick durchs Schlüsselloch - das läßt nicht unbedingt ahnen, daß es so kostbar weitergeht. Was tun? Unbedingt vorlesen . . . KATRIN STENDER
Brigitte Schär/Jacky Gleich: "Monsterbesuch". Hanser Verlag, München 1996. 32 S., geb., 24,80 DM. Ab 8 J. und zum Vorlesen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gastfreundlich empfangen in einem Bilderbuch von Brigitte Schär und Jacky Gleich
Was tun, wenn Gäste kommen, die sich nicht benehmen können, die gar nicht sprechen, die grün sind und dazu ein bißchen dumm aussehen, wenn ihnen der Geifer aus dem Munde tropft? "Ich tat, was wir immer tun. Ich schüttelte jedem Monster die Tatze."
Das kleine Mädchen, das uns von diesem Monsterbesuch erzählt, ist den stinkenden Eindringlingen gegenüber so arglos, unvoreingenommen und freundlich eingestellt, daß einem nur schwindelig werden kann. Es gibt anrührende Augenblicke in dieser Begegnung mit dem Fremden, dem anderen. Obwohl die Monster - vielleicht - nicht verstehen, was ihnen das Mädchen von ihrem Leben erzählt, sind sie ganz neugierig und rücken, ohne es zu merken, immer näher und näher heran. "Ich konnte ihren Atem auf der Haut spüren. Das war eine Hitze. Schade, daß es nicht Winter war."
Was tun, wenn man irgendwann müde ins Bett fällt, die Gäste aber nachts alles verwüsten? Sich nicht, wie besprochen, auf dem weichen Teppichboden lagern? Sondern alles zerkratzen, alles annagen, alles leer räumen, alles aufschlitzen, alles verdrecken? Dann wacht man vom Geheul der Sirenen auf, denn Vater und Mutter haben inzwischen die Feuerwehr geholt. Nun sitzen die Monster ganz verschreckt da, mit bleichen Gesichtern, aneinandergekauert. Was tun? Man muß sie trösten. "Habt keine Angst", sagte ich. "Ich regle das schon."
Nach tumultigem Zwischenteil endet der Besuch mit einem herzzerreißenden Abschied. Inzwischen ist allen klar: Dies sind Monster mit Charakter, nur haben sie andere Begriffe von den Dingen und der Welt. Sie sind offenbar auf Studienreise, wißbegierig, sanft und ohne die geringste böse Absicht. Außerdem finden später alle, daß die Wohnung sowieso dringend der Renovierung bedurfte und daß es höchste Zeit für neue Möbel und einen neuen Herd war. Genaugenommen sehen diese Monster gar nicht so monsterhaft aus, eher wie verängstigte Büroangestellte-, mit Schlips und ehrgeizigen Mundwinkeln. Sollte dies ein feiner Hieb auf den Mann an sich sein, so sei er einem so zartfühlenden Buch gestattet.
Die gastliche Geschichte von Brigitte Schär ist grandios bebildert. So, wie sich Text und Bild ineinander verweben, wird das Durchblättern des Bandes zu einem Abenteuer an sich, spielerisch und einladend auf ganz unverbrauchte Weise. Mit leicht geführtem Strich versteht es Jacky Gleich, die Wärme der Geschichte ins Bild zu übertragen. Nur in die Titelseite hat sie zuviel hineingedacht: angstvoller Blick durchs Schlüsselloch - das läßt nicht unbedingt ahnen, daß es so kostbar weitergeht. Was tun? Unbedingt vorlesen . . . KATRIN STENDER
Brigitte Schär/Jacky Gleich: "Monsterbesuch". Hanser Verlag, München 1996. 32 S., geb., 24,80 DM. Ab 8 J. und zum Vorlesen.
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