Erstmals wird in diesem Buch eine Untersuchung des Staates als Bauherr im 20. Jahrhundert vorgelegt, die das Ziel verfolgt Vorgeschichte und Nachwirkung der nationalsozialistischen Repräsentationsbauten in einen größeren politischen Zusammenhang einzubetten.Welche Relevanz hat die Baukunst in den unterschiedlichen politischen Systemen für das Selbstverständnis einer Gesellschaft? Wie steht sie mit den unterschiedlichen Formen und Facetten der Kultur in Verbindung? Und inwieweit übermittelt Staatsarchitektur auch immer eine politische Aussage? Christian Welzbacher geht all diesen Fragen in seinem Buch »Monumente der Macht« nach und untersucht die Baukultur und Baupolitik Deutschlands zwischen 1920 und 1960 ausführlich. Seine Betrachtungen umfassen die intensiven Architekturdebatten der Weimarer Republik, ebenso wie die städtebaulichen Strategien des Dritten Reichs zur Staatsinszenierung unter den Nationalsozialisten und richten zuletzt den Blick auf den Umgang der beiden Nachfolgerstaaten mit dem steinernen NS-Erbe, bei dem sich Denkmalstrategien entwickelt haben, die weit bis in die Zeit der Berliner Republik nachwirken. Dabei zeigt er, dass die Politisierung von Kunst und Kultur bereits lange vor 1933 begann. Ebenso verdeutlicht dieses Werk, dass es nach 1945 keine »Stunde Null« der Architektur gab, sondern dass die vom Nationalsozialismus besetzten kulturpolitischen Felder noch weit in die Staatsarchitektur der Nachkriegszeit hineinwirken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2016Eine Vorliebe für starke Auftraggeber
Vom Wettstreit der Monumente: Christian Welzbacher analysiert Kontinuitäten der politischen Architektur Deutschlands zwischen 1920 und 1960.
Im Gegensatz zur politischen Achterbahnfahrt der Deutschen im zwanzigsten Jahrhundert gibt es in der baulichen Selbstdarstellung des Landes nicht ganz so radikale Richtungsänderungen. Grob gesagt, wechseln die Architekturformen zwischen Modernität und Monumentalität, und wenn der Gipfel moderner Monumentalität erreicht ist, geht es danach genauso weiter, nur andersherum. Die ästhetische Kontinuität trägt letztlich über alle politischen Brüche hinweg.
Der Berliner Kunsthistoriker Christian Welzbacher ist sich nicht ganz klar darüber, ob er seine politische Architekturgeschichte über das öffentliche Bauen in Deutschland lieber als Synthese historischer Widersprüche oder wie üblich als antagonistisches Helden- und Schurkenstück schreiben soll. Immerhin untersucht er ohne ausgestreckten Zeigefinger, wie ungerührt die großen Meister der Gestaltung den republikanischen und diktatorischen Auftraggebern 1920, 1933 und 1945 gleichermaßen dienten und alle politischen Umschwünge von massiven Beharrungskräften abgefedert wurden.
Leitfaden von Welzbachers Aufsatzsammlung ist der deutsche Reichskunstwart Edwin Redslob (1884-1973), der von 1920 bis 1933 mit der "künstlerischen Formgebung des Reiches" beauftragt war. Er initiierte in der Weimarer Republik die Politisierung der Kunst, die von der NS-Diktatur monströs ausgebaut wurde. Redslob war Urheber der Staatsakte, Feiern und Ehrenmale der Stresemann-Republik, die in den Aufmärschen und Totenburgen der Nazis giftige Blüten trieben; der von ihm geförderte expressionistische Kirchenbau schwebte in geheimnisvollen Sphären über alle politischen Systemwechsel hinweg; und die "Reichsdankhäuser", die nach 1920 den freiwillig im Reich gebliebenen Grenzprovinzen als Kulturzentren geschenkt wurden, dienten als Vorbilder für die Gauforen.
Allerdings hat Welzbacher Redslob bereits 2009 eine gewichtige Monographie gewidmet, so dass das vorliegende Buch anstelle von Neuigkeiten viel Erinnerungswertes bringt. In dreizehn Amtsjahren diente der Reichskunstwart unter zwanzig Regierungen, bis seine Dienststelle 1933 vom Propagandaministerium überrollt wurde. Nach 1945 war er Mitbegründer der Freien Universität und des "Tagesspiegels" und Mitgestalter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Diese Aktivitäten, so insinuiert der Autor, habe Redslob für seinen "persönlichen Widerstandsmythos" unternommen, um seine zeitweilige Nähe zum Regime zu tilgen - ein schwerer Verdacht, der bislang auf zu leichten Indizien beruht.
Weitaus substantieller erzählt der Autor vom Wettstreit der Monumente. So sollte schon vor hundert Jahren im Spreebogen am Berliner Reichstag "das Herz der Nation" entstehen. Dort schlug der Architekt Martin Mächler 1910 den Knotenpunkt seiner monumentalen Nord-Süd-Achse vor, die Albert Speer später zum Teilabriss der Berliner Innenstadt inspirierte - und die heute im genialen Tunnelkonzept der Deutschen Bahn zwischen Nord- und Südkreuz weiterlebt.
Und Meisterarchitekt Otto Kohtz war vielleicht auch deshalb vom Kaiserreich bis zur jungen Bundesrepublik dauerhaft gut beschäftigt, weil er 1920 im Spreebogen einen babylonischen Stufentempel als "Reichshaus" vorschlug, aus dem später Speer seine "Große Halle" entwickelte - wo heute der Glaspalast des neuen Hauptbahnhofes prunkt. Auch die Drehung der Staatsachse in Ost-West-Richtung wurde damals von Redslob erdacht, vom Architekten Häring detailliert vorgeplant, aber erst nach der Vereinigung 1989 im "Band des Bundes" realisiert.
Ähnlich aufschlussreich war der Wettbewerb um die neue Reichsbank. Beinahe hätte Mies van der Rohe den Zuschlag bekommen, doch die Nazis verwarfen seine abstrakte Riesenkiste als zu ausdrucksarm und gefühllos. Um ihre Marktchancen zu verbessern, wollten mit Mies auch andere moderne Heroen wie Elsaesser, Gropius, Häring, Höger und Poelzig das moderne Formenrepertoire vom Ruch des Kulturbolschewismus befreien und in die deutsche Tradition einreihen.
Hier versucht der Autor eine Erklärung, warum konservative und moderne Architektur sich einander so stark annäherten: durch "formale Reduktion und Vereinfachung", die bei Traditions- und Fortschritts-Architekten bis zur totalen Banalisierung ihrer Entwürfe getrieben wurden. Man könnte auch eine etwas provokantere Erklärung finden: dass es die Vorliebe aller Architekten für starke Auftraggeber ist, die sie für monumentale Diktatorenwünsche empfänglich macht.
Mit peniblen Fußnoten erweist Welzbacher sämtlichen Quellen - etwa Winfried Nerdinger oder Hartmut Frank - gebührenden Respekt; nur Hinweise auf seine eigenen Schriften fehlen, so dass viele Dokumente den falschen Eindruck von Erstentdeckungen machen. So verdienstvoll seine Entstehungsgeschichte der Konzentrationslager aus dem Geist der Idealstädte und Gefängnisse ist, so dringend wäre eine Aktualisierung dieses zehn Jahre alten Beitrages gewesen. Denn die Herleitung der panoptischen Überwachungsanlagen aus Ledoux' Fabrikstadt Chaux ist falsch; das zentrale Direktorenhaus dort, so hat Wolfgang Kemp nachgewiesen, ist kein Kontrollzentrum, sondern ein blickloser Kultraum mit Altar, in dem die heilige Fabrikfamilie irgendein höheres Wesen feierte.
Nach 1945 agierten die schon im Dritten Reich erfolgreichen Jungarchitekten wie Hentrich, Dustmann, Bornemann, Henselmann und Eiermann wie ihre heroischen Moderne-Vorgänger 1933, nur weitaus erfolgreicher. Sie passten sich dem Stil der neuen Zeit an und entwarfen anstelle von Hitlerjugendheimen oder Gauforen nun die gläsern-vibrierenden Ikonen der jungen Bundesrepublik. Über diese Kontinuitäten, über die man seit Werner Durths Grundlagenrecherche bestens Bescheid weiß, möchte niemand mehr ein Weltgericht abhalten; aber über die Chuzpe, mit der diese Greisenmoderne heute sittlichen Adel mitsamt Denkmalschutz beansprucht, sehr wohl.
Erfreulicherweise ist Welzbacher vor Hochmut gefeit und verteilt keine Kopfnoten über die gute oder schlechte Führung der deutschen Architekten im zwanzigsten Jahrhundert. Allerdings lässt sein Resümee über die politische Architektur der Berliner Republik Zweifel an seiner Urteilssicherheit aufkommen: Wiedervereinigung, Hauptstadtausbau und Regierungsumzug hält er für "gescheitert", weil der Umgang mit NS-Bauten nicht diskutiert und zu viel Aufmerksamkeit auf zu wenige Symbolprojekte gelegt worden sei. Was nützt die ganze historische Bildung, wenn sie nicht hilft, eine der wenigen wirklichen Erfolgsgeschichten der politischen Architektur in Deutschland zu erkennen?
MICHAEL MÖNNINGER
Christian Welzbacher: "Monumente der Macht". Eine politische Architekturgeschichte Deutschlands 1920-1960.
Parthas Verlag, Berlin 2016. 280 S., Abb., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vom Wettstreit der Monumente: Christian Welzbacher analysiert Kontinuitäten der politischen Architektur Deutschlands zwischen 1920 und 1960.
Im Gegensatz zur politischen Achterbahnfahrt der Deutschen im zwanzigsten Jahrhundert gibt es in der baulichen Selbstdarstellung des Landes nicht ganz so radikale Richtungsänderungen. Grob gesagt, wechseln die Architekturformen zwischen Modernität und Monumentalität, und wenn der Gipfel moderner Monumentalität erreicht ist, geht es danach genauso weiter, nur andersherum. Die ästhetische Kontinuität trägt letztlich über alle politischen Brüche hinweg.
Der Berliner Kunsthistoriker Christian Welzbacher ist sich nicht ganz klar darüber, ob er seine politische Architekturgeschichte über das öffentliche Bauen in Deutschland lieber als Synthese historischer Widersprüche oder wie üblich als antagonistisches Helden- und Schurkenstück schreiben soll. Immerhin untersucht er ohne ausgestreckten Zeigefinger, wie ungerührt die großen Meister der Gestaltung den republikanischen und diktatorischen Auftraggebern 1920, 1933 und 1945 gleichermaßen dienten und alle politischen Umschwünge von massiven Beharrungskräften abgefedert wurden.
Leitfaden von Welzbachers Aufsatzsammlung ist der deutsche Reichskunstwart Edwin Redslob (1884-1973), der von 1920 bis 1933 mit der "künstlerischen Formgebung des Reiches" beauftragt war. Er initiierte in der Weimarer Republik die Politisierung der Kunst, die von der NS-Diktatur monströs ausgebaut wurde. Redslob war Urheber der Staatsakte, Feiern und Ehrenmale der Stresemann-Republik, die in den Aufmärschen und Totenburgen der Nazis giftige Blüten trieben; der von ihm geförderte expressionistische Kirchenbau schwebte in geheimnisvollen Sphären über alle politischen Systemwechsel hinweg; und die "Reichsdankhäuser", die nach 1920 den freiwillig im Reich gebliebenen Grenzprovinzen als Kulturzentren geschenkt wurden, dienten als Vorbilder für die Gauforen.
Allerdings hat Welzbacher Redslob bereits 2009 eine gewichtige Monographie gewidmet, so dass das vorliegende Buch anstelle von Neuigkeiten viel Erinnerungswertes bringt. In dreizehn Amtsjahren diente der Reichskunstwart unter zwanzig Regierungen, bis seine Dienststelle 1933 vom Propagandaministerium überrollt wurde. Nach 1945 war er Mitbegründer der Freien Universität und des "Tagesspiegels" und Mitgestalter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Diese Aktivitäten, so insinuiert der Autor, habe Redslob für seinen "persönlichen Widerstandsmythos" unternommen, um seine zeitweilige Nähe zum Regime zu tilgen - ein schwerer Verdacht, der bislang auf zu leichten Indizien beruht.
Weitaus substantieller erzählt der Autor vom Wettstreit der Monumente. So sollte schon vor hundert Jahren im Spreebogen am Berliner Reichstag "das Herz der Nation" entstehen. Dort schlug der Architekt Martin Mächler 1910 den Knotenpunkt seiner monumentalen Nord-Süd-Achse vor, die Albert Speer später zum Teilabriss der Berliner Innenstadt inspirierte - und die heute im genialen Tunnelkonzept der Deutschen Bahn zwischen Nord- und Südkreuz weiterlebt.
Und Meisterarchitekt Otto Kohtz war vielleicht auch deshalb vom Kaiserreich bis zur jungen Bundesrepublik dauerhaft gut beschäftigt, weil er 1920 im Spreebogen einen babylonischen Stufentempel als "Reichshaus" vorschlug, aus dem später Speer seine "Große Halle" entwickelte - wo heute der Glaspalast des neuen Hauptbahnhofes prunkt. Auch die Drehung der Staatsachse in Ost-West-Richtung wurde damals von Redslob erdacht, vom Architekten Häring detailliert vorgeplant, aber erst nach der Vereinigung 1989 im "Band des Bundes" realisiert.
Ähnlich aufschlussreich war der Wettbewerb um die neue Reichsbank. Beinahe hätte Mies van der Rohe den Zuschlag bekommen, doch die Nazis verwarfen seine abstrakte Riesenkiste als zu ausdrucksarm und gefühllos. Um ihre Marktchancen zu verbessern, wollten mit Mies auch andere moderne Heroen wie Elsaesser, Gropius, Häring, Höger und Poelzig das moderne Formenrepertoire vom Ruch des Kulturbolschewismus befreien und in die deutsche Tradition einreihen.
Hier versucht der Autor eine Erklärung, warum konservative und moderne Architektur sich einander so stark annäherten: durch "formale Reduktion und Vereinfachung", die bei Traditions- und Fortschritts-Architekten bis zur totalen Banalisierung ihrer Entwürfe getrieben wurden. Man könnte auch eine etwas provokantere Erklärung finden: dass es die Vorliebe aller Architekten für starke Auftraggeber ist, die sie für monumentale Diktatorenwünsche empfänglich macht.
Mit peniblen Fußnoten erweist Welzbacher sämtlichen Quellen - etwa Winfried Nerdinger oder Hartmut Frank - gebührenden Respekt; nur Hinweise auf seine eigenen Schriften fehlen, so dass viele Dokumente den falschen Eindruck von Erstentdeckungen machen. So verdienstvoll seine Entstehungsgeschichte der Konzentrationslager aus dem Geist der Idealstädte und Gefängnisse ist, so dringend wäre eine Aktualisierung dieses zehn Jahre alten Beitrages gewesen. Denn die Herleitung der panoptischen Überwachungsanlagen aus Ledoux' Fabrikstadt Chaux ist falsch; das zentrale Direktorenhaus dort, so hat Wolfgang Kemp nachgewiesen, ist kein Kontrollzentrum, sondern ein blickloser Kultraum mit Altar, in dem die heilige Fabrikfamilie irgendein höheres Wesen feierte.
Nach 1945 agierten die schon im Dritten Reich erfolgreichen Jungarchitekten wie Hentrich, Dustmann, Bornemann, Henselmann und Eiermann wie ihre heroischen Moderne-Vorgänger 1933, nur weitaus erfolgreicher. Sie passten sich dem Stil der neuen Zeit an und entwarfen anstelle von Hitlerjugendheimen oder Gauforen nun die gläsern-vibrierenden Ikonen der jungen Bundesrepublik. Über diese Kontinuitäten, über die man seit Werner Durths Grundlagenrecherche bestens Bescheid weiß, möchte niemand mehr ein Weltgericht abhalten; aber über die Chuzpe, mit der diese Greisenmoderne heute sittlichen Adel mitsamt Denkmalschutz beansprucht, sehr wohl.
Erfreulicherweise ist Welzbacher vor Hochmut gefeit und verteilt keine Kopfnoten über die gute oder schlechte Führung der deutschen Architekten im zwanzigsten Jahrhundert. Allerdings lässt sein Resümee über die politische Architektur der Berliner Republik Zweifel an seiner Urteilssicherheit aufkommen: Wiedervereinigung, Hauptstadtausbau und Regierungsumzug hält er für "gescheitert", weil der Umgang mit NS-Bauten nicht diskutiert und zu viel Aufmerksamkeit auf zu wenige Symbolprojekte gelegt worden sei. Was nützt die ganze historische Bildung, wenn sie nicht hilft, eine der wenigen wirklichen Erfolgsgeschichten der politischen Architektur in Deutschland zu erkennen?
MICHAEL MÖNNINGER
Christian Welzbacher: "Monumente der Macht". Eine politische Architekturgeschichte Deutschlands 1920-1960.
Parthas Verlag, Berlin 2016. 280 S., Abb., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Laura Weißmüller hat auf diese politische Architekturgeschichte von Christian Welzbacher lange warten müssen. Dabei scheint ihr der Vergleich politischer Vereinnahmung architektonischer Formen in der Weimarer Republik, im NS-Staat und in der Nachkriegs-BRD äußerst fruchtbar, zumal, wenn er auf so "akribischen" Recherchen beruht, wie bei Welzbacher, findet die Rezensentin. Deutlich wird für sie an den vom Autor gut aufgearbeiteten und lesbaren Beispielen nicht nur, dass es eine Stunde null in der Architektur nie gegeben hat und zwischen 1920 und 1960 immer gerne monumental gebaut wurde, sondern auch, dass sich Architekten stets gern in den Dienst der Mächtigen stellten. Über die Zeit nach Kriegsende hätte Weißmüller allerdings gern noch mehr erfahren. Hier bleibt der Autor etwas zu knapp, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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