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Zwei Männer laufen durch Londons Parks, an Londons Wasserläufen entlang. Einer von beiden, Autor und Universitätsdozent, redet die ganze Zeit. Er erzählt - unter anderem von dem Buch Moo Pak, an dem er gerade schreibt.
Vom ersten Satz an fesselt dieser Endlostext über Gott und die Welt. Jack Toledano, informiert, hoch gebildet, mit britischem Commonsense, unterhält mit erstaunlichen Wertungen und scharfen Urteilen: über das Werk von Kollegen oder die Abwege der Politik. Ein Alleinredner, aber auch ein anregender Begleiter, einer mit dem ins Gespräch zu kommen wäre. Toledano ist…mehr

Produktbeschreibung
Zwei Männer laufen durch Londons Parks, an Londons Wasserläufen entlang. Einer von beiden, Autor und Universitätsdozent, redet die ganze Zeit. Er erzählt - unter anderem von dem Buch Moo Pak, an dem er gerade schreibt.

Vom ersten Satz an fesselt dieser Endlostext über Gott und die Welt. Jack Toledano, informiert, hoch gebildet, mit britischem Commonsense, unterhält mit erstaunlichen Wertungen und scharfen Urteilen: über das Werk von Kollegen oder die Abwege der Politik. Ein Alleinredner, aber auch ein anregender Begleiter, einer mit dem ins Gespräch zu kommen wäre. Toledano ist sephardischer Jude, er stammt aus Ägypten. Eine Perspektive "halb von außen" prägt die Art des Befremdetseins, macht seine Zivilisationskritik ergiebig.

"Vor allem ist es Weisheitsliteratur, eine Mixtur erzählender Genres - sogar Biographie und Literaturkitik kommen ins Spiel... Moo Pak ist hoch intelligent und bisweilen sehr witzig..." -- Frank Kermode

"Moo Pak erinnerte mich an den Reichtum und den Eigensinn von Robert Burtons Anatomie der Melancholie, ein Werk, das ich immer bei mir habe. Gabriel Josipovicis hervorragender und anregender Roman wird sich dazugesellen." -- Alan Sillitoe
Autorenporträt
Gabriel Josipovici, geboren 1940 in Nizza als Sohn ägyptisch-jüdischer Eltern, lebt seit fünfzig Jahren in England, wo er viele Jahre Universitätsdozent war. Autor von Erzählungen und Romanen, Theaterstücken und Hörspielen und von kulturgeschichtlichen Werken; Literaturkritiker. Auf deutsch erschien u. a. der Roman Nur ein Scherz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2011

Wir dürfen das Zittern der Welt nicht verleugnen

Der Brite Gabriel Josipovici ist einer der bedeutenden Schriftsteller der Gegenwart. Jetzt geben zwei Bände Anlass, seine Auffassung von guter moderner Literatur zu überprüfen.

Ein kurzes Interview mit dem "Guardian", ein auf Sensation gebürsteter Artikel einer Journalistin, der die gedankenlose Boulevardisierung der englischen Kulturkritik beispielhaft illustriert, bescherte dem in Großbritannien nicht sonderlich bekannten Schriftsteller Gabriel Josipovici im vergangenen Jahr einen Funken jenes Ruhms, der seinem umfangreichen Werk eigentlich längst zusteht.

Der 1940 als Sohn ägyptisch-jüdischer Eltern in Nizza geborene Josipovici, der vor der nationalsozialistischen Razzia der Côte d'Azur entkam und nach Kriegsende englische Schulen in Kairo besuchte, bis er vor der Eskalation der Suezkrise 1956 nach Großbritannien ging, um in Oxford englische Literatur zu studieren, ist der Autor von über einem Dutzend hervorragender Romane, von zahlreichen Kurzgeschichten und mehreren Theaterstücken - und von einem beeindruckenden literaturkritischen und essayistischen Werk, dessen hypergolischer Ernst das literarische Establishment bisweilen beschämt.

Da mag man schon fragen: "What Ever Happened To Modernism?" Weshalb stieß die literarische Moderne bei einem Großteil englischer Intellektueller auf Ablehnung und hat in der englischen Kultur der Gegenwart kaum Spuren hinterlassen? Diese Frage steht im Zentrum von Josipovicis jüngstem literaturtheoretischem Buch, dessen Diskussion im "Guardian" zur Provokation verkam durch Josipovicis beiläufige Polemik gegen einige der Größen der britischen Gegenwartsliteratur. Er fragte sich selbst, wieso er sich beim Lesen von Julian Barnes, Ian McEwan und Martin Amis an die Großtuerei "angeberischer Schuljungen" erinnert fühlt.

Die frühe Bewunderung für Kafka und Proust, für Borges und Claude Simon; ein in England im Vergleich zu Frankreich und Deutschland traditionell "größerer Widerstand gegen oder ein geringeres Bewusstsein für die Moderne"; das seit dem frühen achtzehnten Jahrhundert nicht zuletzt aus der Abgrenzung zu anderen Nationen hervorgegangene Selbstbild Großbritanniens; ein robuster, "den Verstandesdingen immer skeptisch" zugewandter Pragmatismus, der sich im Laufe der Zeit in ein Philistertum verwandelt habe: Antworten auf die in "What Ever Happened To Modernism?" aufgeworfenen Fragen lassen sich nicht nur in Josipovicis Biographie und seinen mitunter erfreulich subjektivistischen Theorien über die englische Kulturgeschichte finden, sondern auch in einem unlängst auf Deutsch erschienenen Roman.

In "Moo Pak", Josipovicis heimlicher Klassiker aus dem Jahr 1994, den Jochen Schimmang in einer vorzüglichen Übersetzung für die Bibliothek Suhrkamp ans Licht gebracht hat, spaziert der Schriftsteller Jack Toledano mit dem Erzähler durch die Parks des babylonischen, zwischen Tradition und fortwährender Erneuerung pulsierenden London der Jahre 1977 bis 1990 und entwirft dabei in monologischen Tiraden ein Weltbild der Moderne. "Moo Pak" schreitet unter der bisweilen grotesken Last einer glühenden Empörung dahin, die Josipovici zwar nicht gleich als den "englischen Thomas Bernhard" ausweist, den der Verlag gern in ihm sähe, doch immerhin als einen englischen Geistesmenschen, der Bernhards Werk gewiss gelesen hat.

"Was ich in meinem ganzen Werk und vor allem in ,Moo Pak' versucht habe", so Toledano, der als selbsternannter "Modernist" den detailreichen Illusionismus des im neunzehnten Jahrhundert wurzelnden Realismus nicht weniger verachtet als den Zynismus der Postmoderne und der nach "zwanzig Jahren oder mehr des Nachdenkens, nach zehn Jahren Schreiben" kurz vor Beendigung des Buches zu stehen scheint, dessen Titel in ziemlich postmoderner Manier schließlich auf Josipovicis Roman übergegangen ist, "ist die Darstellung der wechselseitigen Beziehung von Chaos und Ordnung, von Verwirrung und Klarheit, zwischen dem Wunsch, die Dinge laufenzulassen, und der Notwendigkeit, ihrer Herr zu werden".

Toledano ist ein Schwätzer, ein intellektueller Snob, dem die Namen Spinozas und Wittgensteins (Englisch: "loot-vikh vit-guh'n-shtahyn"), die Kritik an Montaigne und Goethe so leicht über die Zunge gehen wie unsereinem der Speichel beim Lutschen saurer Drops: "Dem Chaos nachzugeben", so Toledano, während Josipovicis Erzähler Damien Anderson beim Spazieren brav die Eckermannschen Ohren spitzt, "heißt, die Idee von Kunst und Bewusstsein insgesamt aufzugeben; die Verwirrung und das Chaos zu leugnen heißt, etwas zu machen, was nicht die geringste Beziehung zu dem hat, was wir sind. Das ist das Paradox und die Herausforderung."

Toledano doziert in seinen Gesprächen mit Anderson über die Vorzüge der mechanischen Schreibmaschine gegenüber Füllfederhalter und Computer, von dem er seinerzeit freilich kaum etwas weiß, über das Schreiben als Möglichkeit, "dem Gefängnis des eigenen Selbst und dessen Banalitäten zu entkommen", was sich auch für ihn am Ende als Illusion erweisen wird. Er beklagt vor dem Grab von Karl Marx auf dem Friedhof von Highgate, dass "Grobheit und Banausentum in der Welt ganz offensichtlich zunehmen" und die Sehnsucht, "dass unsere Wünsche für uns selbst und für die Welt in Erfüllung gehen", von vornherein nur eine kindische Utopie gewesen sei. Toledano feiert im Laufe von Josipovicis sprühender, von Assoziationskraft und glühender Inspiration angetriebener, haltlos durch Raum und Zeit schlingernden Erzählung immer wieder den "modernen Individualismus", den er durch die im Thatcherismus der achtziger Jahre weiter voranschreitende "Entmenschlichung der Arbeit" nicht minder bedroht sieht als durch die von ihm vorhergesagte Entmenschlichung der Kultur, der Toledano in "Moo Pak" mit der Forderung einer Rückbesinnung auf den Geist Chaucers und Shakespeares begegnet, auf Miltons Allegorie "Comus" und Jonathan Swift, mit dem Toledano das "sehr moderne Empfinden" verbindet, "dass er in der Sprache, die ihm zur Verfügung stand, nicht das sagen konnte, was wirklich wichtig war, was er wirklich empfand".

Es sind die tiefe Verinnerlichung dieser Sprachskepsis, die innere Zerrissenheit eines bohrenden Zweifels und der durch ihn verursachte Schmerz über die letztendlich unbegreifliche, in ihrer Widersprüchlichkeit und Komplexität allenfalls im Staunen stumm erfassbare Welt, den Toledano in der Fiktion von "Moo Pak" ähnlich wie Josipovici in "What Ever Happened To Modernism?" zum Dreh- und Angelpunkt seines Weltbilds erklärt.

"Wann hat die Moderne begonnen?", fragt Josipovici: In seiner mit zahlreichen Verweisen in die Philosophie und Kunstgeschichte versehenen Studie, deren autobiographischer Ursprung in der Verwunderung über seine seit Mitte der fünfziger Jahre von jeder neuen Schriftstellergeneration der britischen Gegenwartsliteratur abermals hervorgerufenen Geringschätzung liegt, widerspricht der mittlerweile einundsiebzigjährige Autor dem gängigen Verständnis der Moderne als eng gefasstem Stil- oder Epochenbegriff und deutet sie wie Toledano, der in "Moo Pak" eine "äußerste Dehnung des Geistes" vollführt und die Zeitgenossenschaft etwa von Dante oder Shakespeare ebenso stark empfindet wie die von Kafka oder Thomas Mann, als den seit Beginn der Reformation in allen Phasen der Neuzeit auftretenden krisenhaften Zustand eines um die eigene Gefährdung und Zerbrechlichkeit wissenden Bewusstseins. "Auf diese Weise verstanden", so Josipovici in "What Ever Happened To Modernism?", sei die Moderne eine "Antwort der Künstler" auf die "Entzauberung der Welt", um einen Begriff Max Webers zu zitieren: eine Antwort, die vor allem Fragen aufwirft und die Selbstgewissheiten von Tradition und Konvention leidenschaftlich in Zweifel zieht.

In dem Roman "Fehler machen" (F.A.Z. vom 26. November 2010) und "Moo Pak", in den vor mehreren Jahren bei Haffmanns erschienenen Romanen "Jetzt" und "Nur ein Scherz", den verschiedenen bislang unübersetzten Romanen und Erzählungen, darunter das faszinierende, 2006 von Carcanet Press veröffentlichte Requiem "Everything Passes", erlöst Gabriel Josipovici die Figuren von der Autorität eines mehr oder weniger allwissenden, auf eine plausible Imitation sogenannter Wirklichkeit bedachten Erzählers. Josipovicis Romane sind Embleme unserer Welt, keine Spiegel, die diese in die Kulissen der Literatur reflektieren.

"Die geschmeidige Kette von Sätzen schenkt uns ein Gefühl von Sicherheit, sogar von Behaglichkeit, gerade deshalb, weil sie die Offenheit, das Zittern des Lebens verleugnet", so urteilt Josipovici abschließend über die Romane einiger der Protagonisten der britischen Literatur, denen er wenigstens einen gewissen Unterhaltungswert zugesteht. In "What Ever Happened To Modernism?" schreibt er: "Deshalb lesen wir diese Bücher natürlich: sie entreißen uns für eine Weile dem Wirrwarr und ziehen uns hinein in eine Welt, die eine Art Sinn ergibt, der sich zumindest in Worte fassen lässt." Und selbst Jack Toledano, Josipovicis klügster und wortgewandtester Held, fasst sich in "Moo Pak" zunehmend in Schweigen, kapituliert am Ende vor der Uneinnehmbarkeit einer Welt, die aus nichts als Wörtern besteht.

THOMAS DAVID.

Gabriel Josipovici: "What Ever Happened To Modernism?"

Yale University Press, New Haven/London 2011. 208 S., geb., 13,95 [Euro].

Gabriel Josipovici: "Moo Pak".

Aus dem Englischen von Jochen Schimmang. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 217 S., geb., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Höchst erfreut zeigt Rezensentin Renate Wiggershaus darüber, dass Gabriel Josipovicis Roman "Moo Pak" nun endlich auf Deutsch, zumal in "kongenialer" Übersetzung, vorliegt. Im endlosen Redestrom ohne Absätze und Kapitel - ein Schriftsteller erzählt einem Freund auf endlosen Spaziergängen durch London von seinem Buchprojekt "Moo Pak" - vermittelt das Werk für sie auf wache,witzige, zugespitzte, brillante Weise Ansichten zu Kultur, Kunst und Politik der jüngsten Moderne. Mit seiner Fülle an künstlerischer Erfahrungen, anregenden Idiosynkrasien, zeitdiagnostischen Eindrücken und philosophischen Miniaturen ist das Buch in ihren Augen geradezu ein Geschenk. Wie Josipovici literarische Vorbilder (u.a. Proust, Kafka, Beckett) des realen Autors zitierend, paraphrasierend, parodierend und diskutierend in den Redestrom einfließen lässt, scheint Wiggershaus einfach großartig.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Der ganze Roman ..., der wirkliche, uns vorliegende, ist ein unaufhörlicher, köstlicher, gelehrter, irrer, philosophischer, obsessiver Redestrom Toledanos. Bernhards Erzähler in seiner berühmten Erzählung Gehen ähnelnd, textet er seinen Begleiter zu: mit den Höhen und Tiefen seines Romanprojekts, mit klugen und ironischen Reflexionen über das Schöne, insbesondere die Literatur, über Politik und Gesellschaft, Freundschaft und Fremdheit.«
Mathias Schnitzler, Rheinische Post 10.01.2011