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Angesichts des schnellen Wandels wissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Möglichkeiten müssen Richtungsentscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit neuartigen Problemlagen getroffen werden. Vor dem Hintergrund einer sich zunehmend pluralisierenden moralisch-politischen Meinungsbildung und der abnehmenden Autorität bislang beherrschender Meinungsführer sind die zur Entscheidung Aufgerufenen allerdings immer weniger sicher, welchen Weg sie einschlagen wollen und sollen. Verstärkt greifen sie deshalb auf die Vorschläge von Beratungsgremien zurück, in denen den traditionell theoriebezogenen…mehr

Produktbeschreibung
Angesichts des schnellen Wandels wissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Möglichkeiten müssen Richtungsentscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit neuartigen Problemlagen getroffen werden. Vor dem Hintergrund einer sich zunehmend pluralisierenden moralisch-politischen Meinungsbildung und der abnehmenden Autorität bislang beherrschender Meinungsführer sind die zur Entscheidung Aufgerufenen allerdings immer weniger sicher, welchen Weg sie einschlagen wollen und sollen. Verstärkt greifen sie deshalb auf die Vorschläge von Beratungsgremien zurück, in denen den traditionell theoriebezogenen normativen Disziplinen die Aufgabe zu kommt, sich mit Realproblemen zu befassen. Den Moralphilosophen wird damit eine Rolle zugewiesen, auf die sie einigermassen unvorbereitet sind. Die Schwierigkeiten, die viele Philosophen mit der Rolle haben, in die sie die gesellschaftlichen Erwartungen drängen, liegen vor allem in einer objektiven Unischerheit über Struktur, Ziele und Verfahrensweisen ethischer Politikberatung unter den Bedingungen einer pluralistischen und liberalen Gesellschaft. Das vorliegende Buch zielt darauf, diese konzeptionelle Lücke zu schliessen.
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Autorenporträt
Carmen Kaminsky geb.1962 in Bochum, Studium an der Ruhr-Universität Bochum, Magister 1991, Promotion 1996, 1996-2001 wiss. Mitarb. des Philosophischen Instituts der Heinrich-Heine-Universität, seit Okt. 2002 Professorin für Sozialphilosophie und Sozialethik an der Fachhochschule Köln. Forschungsschwerpunkte: Moralphilosophie (insbes. anwendungsbezogene Ethik), philosophische Anthropologie, Kulturphilosophie
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Die armen Politiker
Wie bringt man den Chor der Ethiker zur Einstimmigkeit?
Atomkraft, Nanotechnik und Klonen - die Möglichkeiten der Technik scheinen unbegrenzt. Viele Bürger fühlen sich bedroht und rufen nach Ethik, und das heißt: nach Verboten und Grenzen. Deshalb werden Ethikkommissionen eingesetzt, um die Politik ethisch zu beraten. Dass dabei selten brauchbare Lösungen entstehen, hat sich herumgesprochen und liegt auch an der ethischen Politikberatung selbst.
Mit den Ratschlägen der Kommissionen kann die Politik oft nichts anfangen. Die Kommissionen können sich nicht einigen. Oder ihre Voten hängen von ethischen Positionen ab, die genauso umstritten sind, wie die Probleme, die mit ihnen gelöst werden sollten. Die Politik reagiert mit faulen Kompromissen, weil sie den Vorwurf fürchtet, ethisch einseitig zu sein. Und aus den gesellschaftlich erwünschten deutlichen Grenzen für das technisch Mögliche wird einmal mehr nichts. Die Aufgabe der ethischen Politikberatung wäre es daher, den Chor der Ethiker einstimmig auftreten zu lassen und unstrittige, durchsetzbare Regelungen zu empfehlen.
Das ist die Diagnose, die Carmen Kaminsky in ihrem Buch „Moral für die Politik” stellt, und sie trifft zu. In der akademischen Ethik begründen verschiedene „Schulen” unterschiedliche Normen als richtig. Dann kann man der Politik nur vermelden, dass man als Kantianer den Weg A und als Utilitarist den Weg B beschreiten sollte. Diese „Dissonanz” überfordert die Ohren der Politiker und führt dazu, dass sie den Konzertsaal der Ethiker verlassen, weshalb Ethik kein Gehör mehr findet.
Kaminsky will eine effektivere Politikberatung konzipieren, in der die auf bestimmte Anwendungsgebiete bezogenen „Bereichsethiken” (die Medizinethik und so weiter) ihre akademischen Biotope verlassen. Sie sollen sich nicht um „das Richtige”, sondern um verantwortbare praktikable Lösungen bemühen. Das Rezept dazu: sich neutral zu den Streitigkeiten der akademischen Ethikverhalten und pragmatischen Fragen einen festen Platz geben.
Moralische Eunuchen
Allerdings könnte man meinen, dass eine pragmatische Debatte über Regelungen und ihre Folgen auch schon von jenen Ethiken geleistet wird, die nach den insgesamt besten Konsequenzen von Normen suchen. Wozu soll man dann eine neue Disziplin gründen? Jedoch reichern viele Ethiker die Ethik nur nach Laune pragmatisch an. Der Pragmatik einen festen Ort zu geben, ist daher gewiss verdienstvoll.
Aber wie kann man sich auf Kaminskys Weg zur Harmonie von der renitent dissonanten akademischen Ethik abkoppeln? Es geht ihr um eine „neutrale, d. h. von eigenen moralischen Einstellungen freibleibende Beurteilung der ethischen Verantwortbarkeit moralischer Normen”, orientiert an weitgehend unstrittigen Werten wie Wohlfahrt und Menschenwürde. Die Bereichsethik soll nur empfehlen, was man mit einem dieser Werte begründen kann.
Aber mit denen kann man eben fast alles begründen. Aktive Sterbehilfe kann als Gebot der Menschenwürde und als Verstoß gegen diese interpretiert werden. Die „unstrittigen” Werte sind nur deshalb unstrittig, weil sie in alle Himmelsrichtungen interpretierbar sind. Und wie soll ein Bereichsethiker etwas als moralisch verantwortbar empfehlen, wenn er sich moralisch neutral verhält? Er soll „prüfen, ob eine . . . Norm überhaupt in begründeter Abhängigkeit von ethischen Prinzipien gerechtfertigt werden kann”. Aber er soll auch „empfehlen”, was er für verantwortbar hält. Das lässt sich nicht von den moralischen Überzeugungen trennen, die das eigene Gewissen ausmachen. Beim Empfehlen kann man kein „moralischer Eunuch” sein.
Die Autorin weist auf ein echtes Problem hin. Und die Forderung, dass Politikberatung die Folgen ihres eigenen Auftretens für Politik und Öffentlichkeit mit bedenken muss, verdient Applaus. Aber auch Kaminskys Bereichsethik wird es nicht schaffen, den Chor der Ethiker so zu dirigieren, dass sich die Dissonanzen in harmonische Wohlklänge auflösen und „einstimmige Empfehlungen” erklingen.
BERNWARD GESANG
CARMEN KAMINSKY: Moral für die Politik. Mentis Verlag, Paderborn 2005. 208 Seiten, 28 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Bernward Gesang stimmt Carmen Kaminskys Diagnose von ganzem Herzen zu, das Problem an der Ethik und ihrem Beratungswert sei der implizite Plural. In den Akademien gebe es je nach weltanschaulicher Orientierung verschiedene "Schulen" der Ethik und das führe in der solcherart vielstimmig beratenen Politik zu "faulen Kompromissen". Wünschenswert sei dagegen, auch hier ist Gesang Kaminskys Meinung, eine von "Schulen" neutrale pragmatische und unzweideutige Handlungsanweisung in Einzelfragen. Hierbei könne man sich der Autorin zufolge auf die "unstrittigen Werte" Wohlfahrt und Menschenwürde stützen. Dies ist der Punkt, an dem der Rezensent nachzufragen beginnt trotz des "echten Problems", auf das die Autorin zu Recht hinweise. Denn "unstrittig" seinen Werte nur deshalb, weil sie "in alle Himmelsrichtungen" interpretierbar seien. Außerdem sei es ausgerechnet von einem Ethiker sehr viel verlangt, zugleich "neutral" und "empfehlend" zu agieren. Der Rezensent greift zur Metapher eines "moralischen Eunuchen", um anschaulich werden zu lassen, dass hier etwas nicht ganz aufgeht. Kaminskys Kernforderung an die Politikberatung, die eigene Öffentlichkeitswirkung mitzureflektieren, stimmt der Rezensent wiederum uneingeschränkt zu.

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