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"Die Vergangenheit vergeht nicht. Sie bleibt des Menschen Wegbegleiter, manchmal auch sein Fluch." - Das Fundament eines Lebens liegt in den Leben anderer wie ein Ziegel einer Mauer, niemals frei. Wer bin ich im Geflecht der Geschichten, ist die Frage, die dem Buch "Morandus" von Matthias Zimmer vorangestellt ist.Der Protagonist des Romans, der aus dem Vorharz stammende Bauunternehmer Ernst Funk, ist nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert und hat dort eine Familie gegründet. Die Zeit der Jugend - die Erinnerungen an seine erste Liebe, an den Krieg - war begraben, er hatte sich in Kanada neu…mehr

Produktbeschreibung
"Die Vergangenheit vergeht nicht. Sie bleibt des Menschen Wegbegleiter, manchmal auch sein Fluch." - Das Fundament eines Lebens liegt in den Leben anderer wie ein Ziegel einer Mauer, niemals frei. Wer bin ich im Geflecht der Geschichten, ist die Frage, die dem Buch "Morandus" von Matthias Zimmer vorangestellt ist.Der Protagonist des Romans, der aus dem Vorharz stammende Bauunternehmer Ernst Funk, ist nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert und hat dort eine Familie gegründet. Die Zeit der Jugend - die Erinnerungen an seine erste Liebe, an den Krieg - war begraben, er hatte sich in Kanada neu erfunden, eine makellose Existenz aufgebaut. Doch eines Tages rührt sein Freund und langjähriger Gesprächspartner Landau an diesem Konstrukt, als er ihn im Zuge einer wissenschaftlichen Studie über deutsche Auswanderer befragt. So kommt etwas ans Licht, was längst der Vergessenheit anheimgefallen war, und der so gut befestigte Stein löst sich aus der Mauer, bringt etwas ins Rollen, das nicht nur das Leben von Funk von Grund auf ändern sollte. Als über 60-Jähriger reist er erstmals an die Orte eines Geschehens, das seit mehr als vierzig Jahren auf ihm lastet.
Autorenporträt
Matthias Zimmer ist gebürtiger Marburger und an der Mittelmosel aufgewachsen. Nach beruflichen Stationen in Bonn und dem kanadischen Edmonton lebt und arbeitet er seit mehr als zwanzig Jahren in Frankfurt am Main, unterrichtet an der Universität zu Köln und ist seit 2009 Mitglied im Deutschen Bundestag. "Morandus" ist sein erstes erzählerisches Werk. Es ist aus der Vermutung entstanden, dass man manche Dinge erzählen muss, weil sie für eine wissenschaftliche Arbeit zu kompliziert sind. Schließlich sind wir alle in Geschichten verstrickt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2021

Wenn die Vergangenheit niemals vorbei ist
Der Politiker Matthias Zimmer ist nun Romanautor

Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Verbindung zwischen Politik und Literatur derart eng wie in Südamerika, denkt man nur an Pablo Neruda oder Mario Vargas Llosa, der sich in der peruanischen Politik engagierte. In Deutschland standen immer wieder Schriftsteller der Politik nahe, man denke nur an Günter Grass oder Heinrich Böll. Robert Habeck war erst Schriftsteller und dann Politiker. Aber andersherum - ein Politiker, der sich, abseits von politischen Sachbüchern, in die Schriftstellerei traut? Da wird das Angebotsfeld deutlich dünner.

Der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer erweitert das Feld dieser seltenen Spezies. Und um es gleich vorwegzunehmen: Sein Roman "Morandus" ist nicht frei von Schwächen, aber lesenswert, originell und eine ungewöhnliche erzählerische Stimme aus dem ansonsten eher nüchternen, dem pragmatischen Alltag verhafteten Berliner Politikbetrieb. Zimmers Ansatz: "Es ist aus der Vermutung entstanden, dass man manche Dinge erzählen muss, weil sie für eine wissenschaftliche Arbeit zu kompliziert sind. Schließlich sind wir alle in Geschichten verstrickt." Eine Vermutung, die nach dem Lesen des Buches nur bestätigt werden kann.

Die Geschichte dreht sich um einen Deutschen, Ernst Funk, der in der trostlosen Nachkriegszeit nach Kanada auswandert und dort zum erfolgreichen Bauunternehmer aufsteigt. Seine Erlebnisse im Krieg, die Massenerschießungen und Gräueltaten der Nazis, hat er - wie so viele damals - verdrängt und in einer Kapsel im See des Vergessens versenkt. Aber wie sollte es anders sein, sie treibt wieder an die Oberfläche, alles braucht eben nur seine Zeit oder jemanden, der im richtigen Moment für Auftrieb sorgt.

Sein langjähriger Freund Landau ist der Auslöser. Der Wissenschaftler betreibt eine Studie über deutsche Emigranten. Er interviewt Funk und rührt dabei an das Innerste in der Seele des selbstsicheren und abgeklärten Auswanderers, ohne dass der Bauunternehmer zunächst damit rechnet. Funk stellt sich plötzlich seinen Erlebnissen und schaut in den Abgrund seiner Vergangenheit.

Zimmers Erzählung nimmt nur langsam Fahrt auf. Am Anfang dominiert fast ein essayistischer Ton, in dem man mitunter auch den Autor zu hören vermag. Etwa wenn es heißt, "sein Leben war notwendige professionelle, mitunter ironische Distanz zu den Dingen, antrainiert durch die Umstände und die akademische Ausbildung". Dass der Roman als Erzählform hierbei auch für den linken CDU-Sozialpolitiker Zimmer, der im September nach zwölf Jahren aus dem Bundestag ausscheidet, weil er nicht mehr aufgestellt wurde, eine Art Ausweg aus dem Berliner und Frankfurter Politsprech ist, mag man sofort glauben. "Mit der Zeit war, wie er sich selbst eingestand, die Seele mit Hornhaut überwachsen."

Das Buch ist ein geschichtlicher Rückblick auf deutsche Wegmarken, auf 1945, 1968 oder 1989, die im Spiegel der Auswanderergeschichte besonders gut umrissen sind, zumal der Autor selbst in Kanada gelebt hat. Dass manche szenische Schilderung, wie das Kaffeetrinken während des Interviews mit Landau, verzichtbar scheint, ist eine stilistische Kleinigkeit. Auch die gelegentliche Verwendung allzu formaler Begriffe wie "Sexualität", wenn es doch eigentlich um mehrere Dimensionen von Körperlichkeit geht - geschenkt. Schwieriger ist, dass die Erzählung, die Charaktere und ihre Dialoge erst nach dem ersten Drittel mehr Farbe und Konturen bekommen. Die Empathie für die Figuren setzt hier richtig ein, etwas zu spät, dafür wirkungsvoll.

Doch das tut der Originalität des Buchs und des Autors, der auch seine christliche Prägung einfließen lässt, nur einen geringen Abbruch. Am Ende bleibt die Frage stehen: Wie wirkte sich diese Vielzahl von beschädigten Biographien auf die politische Kultur eines Landes aus? Zumal, wenn es keine höhere Instanz mehr gab, in der "man sich trotz allem geborgen fühlte? Keinen Gott, keinen König, keine Ideologie. Nur reine Faktizität." Das klingt wieder nach Bundestag, allerdings eher nach der Bonner statt Berliner Republik.

MARTIN BENNINGHOFF.

"Morandus", Matthias Zimmer, Edition Faust, Frankfurt 2021, 240 Seiten, 24 Euro

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