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Moses: der Stifter des jüdisch-christlichen Gottesglaubens, der Herold altägyptischer Weisheit, der revolutionäre Gesetzesgeber. Jan Assmann, Ägyptologe und Religionsgeschichtler, erzählt die Geschichte der Moses-Deutungen, die immer auch Selbstdeutungen der jeweiligen Epoche waren - eine Physiognomie des Abendlandes. "Dieses bewundernswert souveräne Buch gibt die Faszinationskraft seiner Figuren und ihrer Geschichten weiter." FRANKFURTER RUNDSCHAU Der Ägyptologe Jan Assmann erhielt für sein Gesamtwerk den Deutschen Historikerpreis 1998.

Produktbeschreibung
Moses: der Stifter des jüdisch-christlichen Gottesglaubens, der Herold altägyptischer Weisheit, der revolutionäre Gesetzesgeber. Jan Assmann, Ägyptologe und Religionsgeschichtler, erzählt die Geschichte der Moses-Deutungen, die immer auch Selbstdeutungen der jeweiligen Epoche waren - eine Physiognomie des Abendlandes. "Dieses bewundernswert souveräne Buch gibt die Faszinationskraft seiner Figuren und ihrer Geschichten weiter." FRANKFURTER RUNDSCHAU
Der Ägyptologe Jan Assmann erhielt für sein Gesamtwerk den Deutschen Historikerpreis 1998.
Autorenporträt
Jan Assmann, geboren 1938, hatte von 1976 bis 2003 den Lehrstuhl für Ägyptologie an der Universität Heidelberg inne und leitet seit 1978 ein Grabungsprojekt in Luxor (Oberägypten). Seit 2005 ist er Honorarprofessor für Allgemeine Kulturwissenschaft und Religionstheorie an der Universität Konstanz, außerdem Ehrendoktor verschiedener Universitäten, darunter der Hebrew University, Jerusalem. 1998 erhielt er den Preis des Historischen Kollegs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2000

Die Sendung Assmanns
Der Autor von "Moses der Ägypter" erläutert seine Motive

Die Wissenschaft operiert mit der Unterscheidung von wahr und falsch. Jan Assmann hat sie die Mosaische Unterscheidung genannt, weil das erste Gebot an das Volk Israel, das Moses vom Berg Sinai mitgebracht hat, "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", später als metaphysische Aussage verstanden wurde, als Scheidung einer wahren und einer falschen Welt. Assmann hat über die Mosaische Unterscheidung ein Buch geschrieben, das als wissenschaftliches selbst mit der Unterscheidung von wahr und falsch operiert: "Moses der Ägypter" (F.A.Z. vom 24. März 1998).

Das Buch erzählt, wie Gelehrte der Frühen Neuzeit auf den Gedanken kamen, der exklusive Wahrheitsbegriff der Mosaischen Unterscheidung verfehle die Natur der Wahrheit und die Wahrheit der Natur. Sie gingen dem Gerücht nach, Moses habe seine Lehre gar nicht von Gott empfangen, sondern aus Ägypten mitgebracht, er sei ein Eingeweihter der dortigen Mysterien gewesen. Ob nun das mosaische Gesetz als Negation oder als Kopie der ägyptischen Weisheit gedeutet wurde, als Offenbarung oder Verschlüsselung des Geheimnisses der Priester - diese Historisierung des Glaubens an den einen Gott und die zwei Welten der Wahrheit und der Falschheit lief auf seine Relativierung hinaus, auf seine Rückverwandlung in die angeblich ältere Ansicht, es gebe viele Götter, aber nur eine Welt, in der Meinung und Gegenmeinung nur lokale Sichtweisen seien, und eins und alles sei am Ende identisch.

Ein Buch wie "Moses der Ägypter", das gelehrte Spitzfindigkeit, geisteshistorischen Panoramablick und philosophische Selbstbefragung verbindet, wird den Kulturwissenschaften nur selten geschenkt. Es macht die Frage unausweislich, welchen Platz es selbst in der Landschaft einnehmen soll, die es ausmalt. Am Ende des Buches steht die Gegenüberstellung eines hellen und eines dunklen Erinnerungsbildes, der Reiche des natürlichen Optimismus und des moralischen Pessimismus, der polytheistischen Toleranz und der monotheistischen Intoleranz. "Von Ägypten aus betrachtet sieht es so aus, als sei mit der Mosaischen Unterscheidung die Sünde in die Welt gekommen. Vielleicht liegt darin das wichtigste Motiv, die Mosaische Unterscheidung in Frage zu stellen. Unsere Untersuchung hat versucht, den Charakter dieser Sünde aufzudecken. Ihre Namen sind Ägypten, Idolatrie, Kosmotheismus. Wer Gott in Ägypten entdeckt, hebt diese Unterscheidung auf." Offenbart Assmann in diesen letzten Sätzen das Motiv der eigenen Untersuchung? Viele Leser haben sie in diesem Sinne verstanden. Unter ihnen ist der Freiburger Germanist Gerhard Kaiser, der in einem Beitrag für diese Zeitung Fragen an die "Gedächtnisgeschichte" formulierte, deren Manifest "Moses der Ägypter" ist (F.A.Z. vom 2. Oktober). Im evangelischen Gemeindehaus von Kirchzarten stellte sich Assmann jetzt den Einwänden Kaisers.

Entdeckt Assmann Gott in Ägypten? Er legt immerhin dar, daß die gelehrten Schwärmer, die ihn dort lokalisierten, nicht am falschen Ort suchten. Die Ausgrabung von Amarna brachte ans Licht, daß es tatsächlich einen ägyptischen Monotheismus gegeben hatte. Der Clou von Assmanns Buch ist die Spekulation, die Erinnerung an Echnaton sei in die Erinnerung an Moses eingegangen, den die Gedächtnisgeschichte insofern wirklich einen Ägypter nennen könne. Am Anfang des Buches führt Assmann die "erste Unterscheidung" von George Spencer-Brown ein. Ein Vorwurf Kaisers lautet, dieser formale Unterscheidungsbegriff erlaube Assmann eine falsche Gleichsetzung des kosmologischen Monotheismus von Amarna mit der befohlenen Eingottverehrung vom Sinai. Spencer-Brown, deutete Kaiser an, bewege sich im Grenzgebiet von Logik und Esoterik. Verfolgt auch Assmann verborgene Absichten? Dieser wollte die Eröffnungsoperation seiner Untersuchung so wichtig nicht genommen wissen. Als Luhmann-Verehrer sei er "diesem Spencer-Brown aufgesessen", man müsse ein Buch schließlich auch "ein bißchen verkaufen, ein bißchen verpacken". Das Publikum lernte: Die Mosaische Unterscheidung allein macht kein Buch. Jeder Wissenschaftler ist auch ein bißchen Polytheist, der seinen Hausgöttern huldigt.

Was aber hat Assmann eingepackt? Die Metapher wäre geeignet, den Esoterikverdacht zu stärken. Wie der Anschluß an Spencer-Brown gehört für Assmann die Rekonstruktion der Geheimgänge zwischen Echnaton und Moses im kollektiven Gedächtnis zum "Rahmen" des Buches. Ihm komme es auf das "Bild" an, die Studien zur Ägyptologie der Frühen Neuzeit. Das Bild vom Rahmen ist nun wirklich merkwürdig. Ein Rahmen hat die Funktion, den Fiktionscharakter der Darstellung evident zu machen: Man sieht keine Pyramide, sondern nur ein Bild. Die Echnaton-Kapitel in Assmanns Buch haben den gegenteiligen Effekt: Die Legende von Moses dem Ägypter, die immer als Märchen galt, erscheint plötzlich als reale, wenigstens plausible Geschichte - als hätte man nie auf ein Bild, sondern immer durch ein Fenster geblickt.

So charmant Assmann sich als Herodot-Fortschreiber gab, der Nachrichten weiterträgt, für deren Wahrheit er sich nicht verbürgt, so eisern beharrte er in der angeblich marginalen Echnaton-Frage auf seiner fachlichen Autorität. Für Kaiser widerspricht es der hermeneutischen Erfahrung, daß der totgeschwiegene Echnaton nach tausend Jahren in verzerrter Gestalt bei dem Historiker Manetho wieder aufgetaucht sein soll. Assmann erklärte: "Nur Nicht-Ägyptologen glauben das nicht." Die Überlieferung müsse nicht über tausend Jahre von Mund zu Mund gegangen sein, ältere Versionen von Manethos Erzählung könnten verloren sein, insofern sei das argumentum e silentio unzulässig. Assmanns Gedächtnisgeschichte beruht freilich auf einem argumentum e silentio, allerdings einem umgekehrten: auf dem aus der Psychoanalyse importierten Theorem der Verdrängung. Aus der Tatsache, daß eine Erinnerung verschwiegen wird, wird auf ihren traumatischen Charakter geschlossen. Mit dem Januskopf Moses-Echnaton würde Assmann die schönste Trophäe der Gedächtnisgeschichte preisgeben, und es wäre nicht mehr zu sehen, was die neue Methode von traditioneller Überlieferungskritik unterscheidet. Kann er sich wünschen, daß neue Funde schriftlicher Quellen seine Moses-Genealogie bestätigen? Die Echnaton-Memoria würde dann weniger traumatisch.

Das packende Buch verdankt seine Überzeugungskraft nicht den referierten Tatsachen, sondern der zirkulären Verschränkung von Wissenschaftsgeschichte und Geschichtswissenschaft: Assmann findet in Ägypten, was seine aufgeklärten Gewährsleute dort versteckt haben. Absicht des Autors und Sinn des Buches sind zu unterscheiden: Was immer Assmann bezweckt haben mag, er hat einen philosophischen Roman geschrieben.

PATRICK BAHNERS

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"Die Welt, in der wir leben, beginnt mit Moses. Assmanns Buch ist eine Fundgrube für an Geschichte Interessierte; vor allem aber für Menschen, die ihre Gegenwart verstehen wollen: für Zeitgenossen." Kurt Scheel, Die Welt