Moskaus Machtpolitik
Der Autor, enger außenpolitischer Berater Michail Gorbatschows und Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaften, dokumentiert und analysiert in diesen Aufzeichnungen alle wesentlichen Aspekte der sowjetischen Außenpolitik in schonungsloser Offenheit. Ausgehend vom Hitler-Stalin-Pakt bis hin zum Ende des Kalten Krieges, zur Wiedervereinigung Deutschlands und zum Zerfall der Sowjetunion beschreibt der Autor faktenreich und detailliert eine Machtpolitik, die letztlich zum Scheitern verurteilt war.
Das Buch - mit einer "Aufforderung zum Lesen" von Michail Gorbatschow sowie einem Prolog von Hans-Dietrich Genscher versehen - stellt ein bedeutendes Dokument der Zeitgeschichte dar, das eines der herausragenden historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts beleuchtet.
Der Autor, enger außenpolitischer Berater Michail Gorbatschows und Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaften, dokumentiert und analysiert in diesen Aufzeichnungen alle wesentlichen Aspekte der sowjetischen Außenpolitik in schonungsloser Offenheit. Ausgehend vom Hitler-Stalin-Pakt bis hin zum Ende des Kalten Krieges, zur Wiedervereinigung Deutschlands und zum Zerfall der Sowjetunion beschreibt der Autor faktenreich und detailliert eine Machtpolitik, die letztlich zum Scheitern verurteilt war.
Das Buch - mit einer "Aufforderung zum Lesen" von Michail Gorbatschow sowie einem Prolog von Hans-Dietrich Genscher versehen - stellt ein bedeutendes Dokument der Zeitgeschichte dar, das eines der herausragenden historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts beleuchtet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2002Couragierter Denker
Daschitschew und die sowjetische Außenpolitik
Wjatscheslaw Daschitschew: Moskaus Griff nach der Weltmacht. Die bitteren Früchte hegemonialer Politik. Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg/Berlin/Bonn 2002. 543 Seiten, 29,90 [Euro].
Die dramatische Transformation Europas, in deren Verlauf die Teilung des Kontinents und Deutschlands überwunden und der "Kalte Krieg" beendet wurde, ist in ihren Ursachen schon oft untersucht worden. Wohl kaum zu bestreiten ist, daß nicht zuletzt durch das "Neue Denken" von Michail Gorbatschow und durch die systemöffnende Kooperation des Westens auf der Grundlage hinlänglicher Verteidigung - auch als Konsequenz der KSZE - die antagonistischen Strukturen des Ost-West-Konfliktes aufgebrochen und damit erstmals Perspektiven für ein Europa im Geiste demokratischer Grundprinzipien (Charta von Paris 1990) eröffnet worden sind.
Während die internen Erwägungen und Entscheidungsprozesse der führenden westlichen Großmächte in diesem Zeitraum im großen und ganzen schon gut bekannt sind, fehlen Detailstudien über den Wandel des politischen Denkens und Handelns im Kreml seit den achtziger Jahren. Das vorliegende imponierende Werk von Wjatscheslaw Daschitschew gewährt nunmehr tiefe Einblicke in einen wichtigen Teilbereich sowjetischer Außenpolitik. Geht es dabei doch um die grundlegende Frage, wer Gorbatschow und seinen engsten Mitstreitern die Idee für die Maxime der Perestrojka (unter anderem freie Wahl des Weges für alle sozialistischen Staaten, Verzicht auf das Wahrheitsmonopol, Wahrung der menschlichen Werte und Entmilitarisierung der Beziehungen) und damit für die Überwindung der Blockkonfrontation nahegebracht hat.
Der Verfasser, Abteilungsleiter im Institut für das sozialistische Weltwirtschaftssystem der Akademie der Wissenschaften, hat zahlreiche aufschlußreiche Dokumente aus seinem Privatarchiv publiziert. Auf Akten aus russischen Archiven hat er (leider) verzichtet, so daß die Überprüfung seiner einzelnen Thesen nicht leichtfällt. Erschütternde Lebenserfahrungen haben Daschitschew vielfältig geprägt und ihn zum Gegner des sowjetkommunistischen Gewaltsystems werden lassen. Sein Vater, Generalmajor und Oberbefehlshaber der 51. Armee, war nach den militärischen Niederlagen der Roten Armee im Februar 1942 auf Weisung Stalins ohne Angabe von Gründen rüde verhaftet worden. Erst 1952 kehrte er als völlig gebrochener Mann zu seiner Familie zurück. In diesen Jahren hatte sich sein Sohn intensiv mit den Schriften von Immanuel Kant, Carl von Clausewitz und Ludwig Beck vertraut zu machen begonnen. Sie hatten ihn gelehrt, welche sittlichen Prinzipien im Zusammenleben der Menschen zur Wahrung des Friedens beherzigt werden müßten. Was das Politbüro in Moskau jedoch praktizierte, war seiner Meinung nach das genaue Gegenteil davon. Darüber hinaus hatte er bei seinen Studien zur Geschichte des Nationalsozialismus erkennen können, in welch hohem Maße das Unwesen der beiden totalitären Systeme den Unfrieden in Europa - innen- wie außenpolitisch - verursacht hatte.
Was der Autor in diesem Band an Hand von zahlreichen (zum Teil schon früher publizierten) persönlichen Denkschriften, Gutachten und Stellungnahmen eindrucksvoll belegt, ist seine leidenschaftliche Kritik an den gefährlichen sowjetischen Dogmen in der Nachkriegszeit. Seine Ausführungen, desgleichen seine Auseinandersetzung mit einem der letzten Tabus sowjetischer Geschichtsschreibung (Hitler-Stalin-Pakt von 1939), bezeugen seine hohen analytischen Fähigkeiten, weltpolitische Zusammenhänge realistisch einzuschätzen, Grenzen des Machbaren und Wege zu einer Friedenspolitik im Geiste des Völkerrechts aufzuzeigen. Indessen fanden seine Warnungen und Vorschläge erst in der Epoche von Gorbatschow das notwendige Gehör.
Die gravierende Frage, welche Bedeutung und welchen Einfluß seine verschiedenen Memoranden de facto auf das neue Denken - beginnend in den achtziger Jahren - gehabt haben, wird wohl in Zukunft noch differenzierter zu untersuchen sein. Gelegentlich drängt sich dem kritischen Leser der Eindruck auf, daß der Verfasser möglicherweise seine Rolle im Spiel der Kräfte doch ein wenig überschätzt hat. Immerhin hat Gorbatschow in seinem Geleitwort von dem "intellektuellen Anteil" des Verfassers an der Wende gesprochen und Hans-Dietrich Genscher davon, daß der "unabhängige Denker" Wjatscheslaw Daschitschew als "mitagierender Berater" (ohne freilich eine solche Stellung offiziell im Apparat bekleidet zu haben) früh die verderbliche Entwicklung seines Landes klarer erkannt hätte als andere.
Aber eines dürfte schon heute nach der Veröffentlichung dieses Werkes feststehen. Daschitschew, der Einzelgänger, ein Freund der Deutschen, zählt zu den wenigen ebenso couragierten wie unermüdlichen "Rufern in der Wüste", die ungeachtet von Rückschlägen und Pressionen unbeirrbar an ihrem Ziel festgehalten haben, nämlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles zu tun, um mitzuhelfen, das sowjetkommunistische totalitäre System in ihrem Lande durch eine Herrschaft des Rechts und der Freiheit zu ersetzen, zugleich die maßlose messianistische Hegemonialpolitik der alten Nomenklatura friedlich zu überwinden und Weichen für die Einheit Deutschlands zu stellen.
HANS-ADOLF JACOBSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Daschitschew und die sowjetische Außenpolitik
Wjatscheslaw Daschitschew: Moskaus Griff nach der Weltmacht. Die bitteren Früchte hegemonialer Politik. Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg/Berlin/Bonn 2002. 543 Seiten, 29,90 [Euro].
Die dramatische Transformation Europas, in deren Verlauf die Teilung des Kontinents und Deutschlands überwunden und der "Kalte Krieg" beendet wurde, ist in ihren Ursachen schon oft untersucht worden. Wohl kaum zu bestreiten ist, daß nicht zuletzt durch das "Neue Denken" von Michail Gorbatschow und durch die systemöffnende Kooperation des Westens auf der Grundlage hinlänglicher Verteidigung - auch als Konsequenz der KSZE - die antagonistischen Strukturen des Ost-West-Konfliktes aufgebrochen und damit erstmals Perspektiven für ein Europa im Geiste demokratischer Grundprinzipien (Charta von Paris 1990) eröffnet worden sind.
Während die internen Erwägungen und Entscheidungsprozesse der führenden westlichen Großmächte in diesem Zeitraum im großen und ganzen schon gut bekannt sind, fehlen Detailstudien über den Wandel des politischen Denkens und Handelns im Kreml seit den achtziger Jahren. Das vorliegende imponierende Werk von Wjatscheslaw Daschitschew gewährt nunmehr tiefe Einblicke in einen wichtigen Teilbereich sowjetischer Außenpolitik. Geht es dabei doch um die grundlegende Frage, wer Gorbatschow und seinen engsten Mitstreitern die Idee für die Maxime der Perestrojka (unter anderem freie Wahl des Weges für alle sozialistischen Staaten, Verzicht auf das Wahrheitsmonopol, Wahrung der menschlichen Werte und Entmilitarisierung der Beziehungen) und damit für die Überwindung der Blockkonfrontation nahegebracht hat.
Der Verfasser, Abteilungsleiter im Institut für das sozialistische Weltwirtschaftssystem der Akademie der Wissenschaften, hat zahlreiche aufschlußreiche Dokumente aus seinem Privatarchiv publiziert. Auf Akten aus russischen Archiven hat er (leider) verzichtet, so daß die Überprüfung seiner einzelnen Thesen nicht leichtfällt. Erschütternde Lebenserfahrungen haben Daschitschew vielfältig geprägt und ihn zum Gegner des sowjetkommunistischen Gewaltsystems werden lassen. Sein Vater, Generalmajor und Oberbefehlshaber der 51. Armee, war nach den militärischen Niederlagen der Roten Armee im Februar 1942 auf Weisung Stalins ohne Angabe von Gründen rüde verhaftet worden. Erst 1952 kehrte er als völlig gebrochener Mann zu seiner Familie zurück. In diesen Jahren hatte sich sein Sohn intensiv mit den Schriften von Immanuel Kant, Carl von Clausewitz und Ludwig Beck vertraut zu machen begonnen. Sie hatten ihn gelehrt, welche sittlichen Prinzipien im Zusammenleben der Menschen zur Wahrung des Friedens beherzigt werden müßten. Was das Politbüro in Moskau jedoch praktizierte, war seiner Meinung nach das genaue Gegenteil davon. Darüber hinaus hatte er bei seinen Studien zur Geschichte des Nationalsozialismus erkennen können, in welch hohem Maße das Unwesen der beiden totalitären Systeme den Unfrieden in Europa - innen- wie außenpolitisch - verursacht hatte.
Was der Autor in diesem Band an Hand von zahlreichen (zum Teil schon früher publizierten) persönlichen Denkschriften, Gutachten und Stellungnahmen eindrucksvoll belegt, ist seine leidenschaftliche Kritik an den gefährlichen sowjetischen Dogmen in der Nachkriegszeit. Seine Ausführungen, desgleichen seine Auseinandersetzung mit einem der letzten Tabus sowjetischer Geschichtsschreibung (Hitler-Stalin-Pakt von 1939), bezeugen seine hohen analytischen Fähigkeiten, weltpolitische Zusammenhänge realistisch einzuschätzen, Grenzen des Machbaren und Wege zu einer Friedenspolitik im Geiste des Völkerrechts aufzuzeigen. Indessen fanden seine Warnungen und Vorschläge erst in der Epoche von Gorbatschow das notwendige Gehör.
Die gravierende Frage, welche Bedeutung und welchen Einfluß seine verschiedenen Memoranden de facto auf das neue Denken - beginnend in den achtziger Jahren - gehabt haben, wird wohl in Zukunft noch differenzierter zu untersuchen sein. Gelegentlich drängt sich dem kritischen Leser der Eindruck auf, daß der Verfasser möglicherweise seine Rolle im Spiel der Kräfte doch ein wenig überschätzt hat. Immerhin hat Gorbatschow in seinem Geleitwort von dem "intellektuellen Anteil" des Verfassers an der Wende gesprochen und Hans-Dietrich Genscher davon, daß der "unabhängige Denker" Wjatscheslaw Daschitschew als "mitagierender Berater" (ohne freilich eine solche Stellung offiziell im Apparat bekleidet zu haben) früh die verderbliche Entwicklung seines Landes klarer erkannt hätte als andere.
Aber eines dürfte schon heute nach der Veröffentlichung dieses Werkes feststehen. Daschitschew, der Einzelgänger, ein Freund der Deutschen, zählt zu den wenigen ebenso couragierten wie unermüdlichen "Rufern in der Wüste", die ungeachtet von Rückschlägen und Pressionen unbeirrbar an ihrem Ziel festgehalten haben, nämlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles zu tun, um mitzuhelfen, das sowjetkommunistische totalitäre System in ihrem Lande durch eine Herrschaft des Rechts und der Freiheit zu ersetzen, zugleich die maßlose messianistische Hegemonialpolitik der alten Nomenklatura friedlich zu überwinden und Weichen für die Einheit Deutschlands zu stellen.
HANS-ADOLF JACOBSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hans-Adolf Jakobsen findet es sehr begrüßenswert, dass mit dem Buch nun auch für die Sowjetunion eine detaillierte Untersuchung der Außenpolitik in den 80-er Jahren bis zum Ende des Kalten Krieges vorliegt. Er lobt den Autor, der selbst durch einige "Memoranden" Einfluss auf die Politik Gorbatschows hatte, für dieses "imponierende Werk" und attestiert ihm, mit seiner Analyse profunde "Einblicke" in die Außenpolitik der Sowjetunion in dieser Zeit zu bieten. Der Rezensent erwähnt, dass der russische Autor "zahlreiche aufschlussreiche Dokumente" aus seinem Privatbesitz zu diesem Buch beigesteuert hat, und er bedauert es lediglich, dass er Quellen aus den russischen Archiven, die er verwendet hat, nicht zur Überprüfung ebenfalls abgedruckt hat. Möglicherweise, so der Rezensent abschließend, überschätzt Daschitschew seine "Rolle" in der Beendigung des Kalten Krieges. Dennoch betont Jakobsen die großen Verdienste des Autors auch um die Wende in Deutschland und er bekräftigt, dass er auch in diesem Buch seine "analytischen Fähigkeiten", die weltpolitische Lage "realistisch einzuschätzen" demonstriert hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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