Gelehrte in den deutschsprachigen Ländern werden im 16. und 17. Jahrhundert von einem regelrechten Lullismus-Fieber erfasst: Die von Ramon Llull im 13. Jahrhundert entwickelte Ars, eine auf der Kombination bestimmter Grundbegriffe beruhende universale Erkenntnismethode, wird von zahlreichen interpretes für neue, rhetorische Zwecke adaptiert, doch zieht sich eine Sehnsucht wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte: die Ermöglichung der Rede ex tempore über jedes erdenkliche Thema. Die Studie nimmt dieses Bemühen um eine Diskurstechnik mit Erfolgsgarantie ernst und fragt unter Einbeziehung vieler bisher unbeachteter Quellen nach seinen Kontexten. Damit liegt erstmals eine Funktionsgeschichte dieses Phänomens zwischen Enzyklopädie und Polyhistorismus, Topik und Kombinatorik, akademischer Disputationskunst und praxisorientierter Reformrhetorik vor.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Delef Horster lobt, Anita Traninger habe in "gründlicher und mühsamer Kleinarbeit erforscht ..., wie die 'Basistheorie' unseres rationalen Denkens durch die Jahrhunderte hindurch überlebt und gewirkt" hat. Schlüsselpersonen für die sogenannte mühelose Wissenschaft ("Ars") seien in erster Linie der mallorquinische Philosoph Raimundus Lullus (1232-1316) und sein Nachfolger Agrippa von Nettesheim (1486-1535), der die Lehrmethode des garantiert allumfassenden Wissens des Raimundus Lullus propagierte. Wie die Autorin zeige, sei dieses Wissensversprechen auf anhaltendes Interesse gestoßen, wobei man die Lullische Philosophie stets auf den gerade aktuellen Zeitgeist hin aufbereitet habe. Der Paradigmenwechsel (von topisch-deduktivem Denken zu empirisch-induktivem) seit Beginn des 17. Jahrhunderts sei die Ursache für das Verschwinden Lullischer Gedanken. Jedoch fänden sich Reste in der "Ars Combinatoria" und der "Ars inveniendi" bei Leibniz. Ob der Rezensent dies alles jetzt aus dem Buch erfahren hat oder schon vorher wusste, erfahren wir leider nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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