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"Ich werde das Boxen nicht vermissen, aber das Boxen wird mich vermissen."Nicht zufällig hat man Cassius Clay alias Muhammand Ali als "fünften Beatle" bezeichnet. Zusammen mit den Liverpooler Musikern stellte er sich an die Spitze jener sozialen und kulturellen Umbruchbewegung, die alle westlichen Länder in den Sechzigern erschüttern sollte. Seine Kombination aus Trotz und Witz veränderte den Sound der Zeit. Gleichermaßen eloquent und unverfroren, immer angriffslustig und mit einem schier unerschöpflichen Repertoire an Ausdrucksformen, brachte sich Ali als erster Popstar des Sports auf die…mehr

Produktbeschreibung
"Ich werde das Boxen nicht vermissen, aber das Boxen wird mich vermissen."Nicht zufällig hat man Cassius Clay alias Muhammand Ali als "fünften Beatle" bezeichnet. Zusammen mit den Liverpooler Musikern stellte er sich an die Spitze jener sozialen und kulturellen Umbruchbewegung, die alle westlichen Länder in den Sechzigern erschüttern sollte. Seine Kombination aus Trotz und Witz veränderte den Sound der Zeit. Gleichermaßen eloquent und unverfroren, immer angriffslustig und mit einem schier unerschöpflichen Repertoire an Ausdrucksformen, brachte sich Ali als erster Popstar des Sports auf die internationale Bühne, um dort ethnische, religiöse und politische Tabus leichthändig zu verhandeln. Sein beinahe schwereloser Stil veränderte den Boxsport, seine kompromisslose Haltung schockierte die Welt.
Autorenporträt
Kemper, PeterPeter Kemper, Dr. phil., geboren 1950, studierte Philosophie, Germanistik und Sozialwissenschaften in Marburg. Seit 1986 Leiter des "Abendstudios" im Hessischen Rundfunk, ab 2003 Leitung der täglichen hr2-Gesprächssendung "Doppel-Kopf". Seit 1981 regelmäßige Mitarbeit im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Musikkritiker für Rock, Pop und Jazz. Zahlreiche Buchveröffentlichungen zu Themen der Alltags- und Jugendkultur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2010

Auch Buchhalter haben Schüttellähmung

Wir sind nachts aufgestanden, um Muhammad Ali alias Cassius Clay boxen zu sehen. Sein Biograph Peter Kemper saß damals mit vor dem Fernseher.

Ein Popstar: Sein scheinbar schwereloser Stil veränderte den Boxsport, sein Trotz und Witz prägten den Sound der Zeit." So entnimmt man es der Rückseite des gerade in Suhrkamps Biographie-Reihe erschienenen Bandes von Peter Kemper über Muhammad Ali. Zu einem Popstar gehört ein Fanclub. Dazu darf man den Verfasser des Buchs wohl auch rechnen. Sein Bericht ist voller Sympathie für den frechen Muselmann. Das macht aber nichts. Wie der Name "BasisBiographie" schon sagt, geht es hier um die grundlegenden Daten eines Lebens, die wird ein gewissenhafter Autor schon nicht zu sehr verzerren. Der Scheinwerfer steht vielleicht immer auf der gleichen Seite, aber er ist hell genug, um alles zu zeigen.

Das Buch folgt wie seine vielen Verlagsgeschwister dem Schema "Leben Werk Wirkung". In diesem Fall ist das aber etwas gekünstelt. Das Werkkapitel beschreibt Alis 24 wichtigste Kämpfe. "Wirkung" ist dann nach diesem Intermezzo hauptsächlich Teil zwei von "Leben". Die Wirkung beruht in diesem Fall eben mehr auf der Persönlichkeit und den Zufällen der Zeitläufte. Der Profiboxer ist sozusagen die Mogelpackung unter den Sportlern, er arbeitet vielleicht eine Stunde im Jahr, alles andere ist Drumherum. Da kann man vom Durchschnittspublikum nicht erwarten, viel von Leberhaken zu verstehen. Viel wichtiger ist, ob der Held eine weiße oder eine schwarze Hose trägt. Hauptsache, er ist ein Popstar. So war es auch bei Muhammad Ali. Er flog durch den Boxring wie ein tanzender Derwisch, aber sein Nachruhm beruht doch hauptsächlich auf kollateralen Ereignissen. Dabei kann man vielleicht drei Bereiche unterscheiden, die sich aber jeweils überlappen. Wie so oft ist es auch hier schwer, deutliche Grenzen zu ziehen.

Zum Ersten war Ali fast vom Anfang seiner Karriere an, schon als er noch seinen Geburtsnamen Cassius Clay trug, ein gewaltiges Großmaul. Dafür hatte er ein natürliches Talent, aber das kultivierte er auch liebevoll. Im Jahr 1961 lernte er den berühmten Catcher Gorgeous George (George Wagner) kennen, von dessen großspurigem Auftreten er noch einiges lernte. Das Vorbild George war übrigens ein Weißer. Ali sollte zwar bald in militanten Kreisen verkehren, aber ein Rassist, der einen Weißen nur wegen seiner Hautfarbe hassen konnte, wurde er nie. Seinen Standard-Slogan "I am the greatest" nahm er 1963 sogar auf Schallplatte auf. Die Rückseite war eine Cover-Version des Klassikers "Stand By Me".

Peter Kemper ist ganz zufrieden mit dieser Performance, aber um ehrlich zu sein, unser bayerischer Plattenstar Franz Beckenbauer hätte das mit der entsprechenden Studiotechnik auch hinbekommen. Man muss einem Prominenten keinen Bonus gewähren, wenn man seine Fähigkeiten beim Singen, Kartenspielen oder Kuchenbacken bewertet. Damit bestärkt man ihn nur in seiner Kasperle-Rolle. Auch Alis Gedichte, mit denen er immer seine Gegner verspottete, waren ganz nett, aber mehr auch nicht. "It will be a killer / And a chiller / And a thrilla / When I get the gorilla / In Manila." Von einem wirklich amüsanten Großmaul wie, sagen wir mal, Groucho Marx trennten Ali Welten, aber er war ja auch kein professionelles Großmaul, er war Boxer.

Der zweite Bereich, in dem Ali Aufmerksamkeit erregte, war die Religion. Aus Empörung über die allgegenwärtige Erniedrigung der Schwarzen in den Vereinigten Staaten schloss er sich der "Nation of Islam" (vulgo "Black Muslims") an. Deren Bekenntnis war ein kruder Cocktail aus dem Islam, anderen Religionen und einem guten Schuss Science-Fiction. Später stellte sich heraus, dass der Ku-Klux-Klan die Black Muslims jahrelang finanziell unterstützt hatte. Beide Vereine wollten die Rassentrennung. Sie hatten nur unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Rasse die Herrenrasse ist. Der neue Name Muhammad Ali wurde von Elija Muhammad, dem geistlichen Führer der Nation of Islam, als Ersatz für den "Sklavennamen" Cassius Clay ausgewählt. Das war eine hohe Auszeichnung, und ihr Empfänger war stolz darauf. Bei Konvertiten wie Konstantin dem Großen, Tony Blair, Cat Stevens oder eben Cassius Clay ist Religion oft eine eminent wichtige Erklärung ihres Verhaltens.

Der dritte Zusammenhang, in dem Muhammad Ali Schlagzeilen machte, war seine Kriegsdienstverweigerung. Wie unsinnig der Vietnam-Krieg war, das wissen wir jetzt mit 35 Jahren Abstand. Die Vietnamesen sind im Übrigen auch trotz ihres Sieges auf dem besten Weg, anständige Kapitalisten zu werden. Dass Ali nicht nach Indochina wollte, kann man ihm nicht verdenken. Seine Rolle als Sprachrohr eines großen Teiles seiner Generation musste er aber zunächst noch etwas üben. Am Anfang argumentierte sein Anwalt noch vor Gericht, er dürfe deshalb nicht eingezogen werden, weil er eine Familie ernähren müsse. Bald wurde sein Auftritt aber überzeugender, und er brachte für seine kompromisslose Einstellung viele Opfer. 40 Jahre später verstand er sich aber recht gut mit dem ganz und gar nicht pazifistischen Irak-Befreier George W. Bush. Der Biograph beschreibt Ali aber auch im höheren Alter trotz seines Parkinson-Syndroms noch als "hellwach".

Von 1967 bis 1970 wurde mit schmutzigen Tricks verhindert, dass Ali boxte, bis 1975 hatte er dann seinen zweiten Frühling. Diese Zeit sollte man aber unter Showbusiness einordnen und nicht mehr unter Politik oder Religion. Danach begann der Abstieg. Wenn er 1975 nach seinem Sieg über Joe Frazier (Thrilla in Manila) mit dem Boxen aufgehört hätte, dann wären ihm diverse Prügel erspart geblieben. Dass seine späteren gesundheitlichen Probleme von den vielen schweren Treffern am Kopf und anderswo verursacht wurden, das ist nur wahrscheinlich, aber nicht sicher. Auch Buchhalter leiden manchmal unter Schüttellähmung. Insgesamt gesehen, war der späte Muhammad Ali relativ unauffällig. Die Rakete war leergebrannt. Im Jahr 2002 wurde er sogar Werbeträger für Coca-Cola. Da trennte ihn nicht mehr viel von Max Schmeling, seinem Vorgänger auf dem Thron des Weltmeisters. Der handelte nach dem Krieg auch mit der braunen Brause.

Für sein kleines Format ist das Buch erstaunlich faktenreich. Die vielen Schwarzweißbilder sind gut ausgesucht. Vermisst habe ich allerdings mit einer Ausnahme Fotos der vier Ehefrauen. So wie es Kemper schildert, waren sie bis auf die aktuelle zwar nicht viel mehr als ungeschickt ausgewählte Haremsdamen, aber einmal gesehen haben möchte ich sie eigentlich schon. Das gehört bei einer Biographie auch dazu.

ERNST HORST

Peter Kemper: "Muhammad Ali". Biographie. Suhrkamp Taschenbuchverlag, Berlin 2010. 160 S., br., 8,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Unverkennbar für Rezensent Ernst Horst ist Peter Kemper ein "Fan" von Muhammad Ali. Das geht für Horst in Ordnung, er erwartet in der Suhrkamp-Reihe der "Basisbiografien" nicht in erster Linie kritische Distanz, sondern vor allem verlässliche Fakten. Die bietet ihm der Autor in "erstaunlicher" Fülle. Vielleicht hätte Kemper Alis Vorstöße auf den Plattenmarkt oder die Spottgedichte auf seine Gegner nicht unbedingt sooo begeistert beschreiben müssen. Aber alles in allem ist der Band eine gute Informationsquelle über die wichtigsten Stationen im Leben des Boxers, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH