Das Buch ist die Autobiographie von Yigit Muk, eines jungen Mannes türkischer Abstammung, der in Berlin-Neukölln/Nord aufgewachsen ist. Muks überdurchschnittliche Intelligenz fällt in seiner Schullaufbahn nicht auf - kein Wunder, da er, in Deutschland geboren, aber bei seiner Familie in der
türkischen Parallelgesellschaft aufgewachsen, bei der Einschulung kein Wort deutsch spricht, wie ein…mehrDas Buch ist die Autobiographie von Yigit Muk, eines jungen Mannes türkischer Abstammung, der in Berlin-Neukölln/Nord aufgewachsen ist. Muks überdurchschnittliche Intelligenz fällt in seiner Schullaufbahn nicht auf - kein Wunder, da er, in Deutschland geboren, aber bei seiner Familie in der türkischen Parallelgesellschaft aufgewachsen, bei der Einschulung kein Wort deutsch spricht, wie ein Großteil seiner Klassenkameraden auch. Die Integration in die Zwänge des Schulalltags gelingt ihm schnell. Dabei stehen aber nicht die Anforderungen der Lehrer an erster Stelle, sondern die Integration in den anarchischen Mikrokosmos von Schulhof und Neuköllner Milieu. Schneller als die deutsche Sprache lernt er, dass man in seinem Umfeld Freunde braucht und sich, notfalls mit kollektiver Gewalt, durchsetzen muss. Wer kein "Opfa" sein will, muss sich den Ruf erarbeiten, dass man sich mit ihm (= ihm und seinen Freunden) besser nicht anlegt. Bis zu seinen Teenagerjahren steigert sich diese Mischung aus Gruppendynamik und Wehrhaftigkeit immer weiter, so dass winzigste Anlässe genügen, um einen vermeintlichen Gegner mit zehn Mann gegen einen halbtot zu schlagen. Die Schule ist zu dieser Zeit schon längst nachrangig geworden - eine freiwillige Veranstaltung, bei der man auch den (resignierenden) Lehrern zu zeigen hat, wer am längeren Hebel sitzt. Der Tod eines gleichaltrigen Verwandten löst Yigit für einen Moment aus dem Teufelskreis und er wird zunehmend entschlossener, auszusteigen und aus seinem Leben noch etwas zu machen. Mit viel Fleiß und Einsatz kämpft er sich zurück und schafft es bis ganz nach vorne und reift dabei vom Halbstarken zum Erwachsenen.
Am interessantesten fand ich die Beschreibung der Motive und Institutionen einer gewalttätigen Jugendgang aus der Innensicht. Die Gang ist eine auf Geben und Nehmen, Vertrauen und Misstrauen gründende Überlebensgemeinschaft. Wenn du willst, dass deine Kumpels dich schützen, musst du auch für sie einstehen, wenn sie Hilfe wollen, mag der Grund für die Inanspruchnahme auch noch so winzig sein. Und wenn die Gewalt einmal da ist (weil das aggressivste Gangmitglied einfach "präventiv" losschlägt), dann gibt es kein Zurück mehr, bis der Gegner - oft der Unglückliche, der nur "falsch geguckt" hat - oder man selbst im eigenen Blut liegt. Gleichzeitig (und das kommt im Buch nur indirekt rüber) ist die Gang auch Ersatzfamilie mit Bekundungen und Ritualen gegenseitiger Zuneigung und Wertschätzung, zum Beispiel dass man sein Getränk, bevor man selbst trinkt, immer erst seinen Kumpels anbietet. Diese Zeichen persönlicher Verbundenheit sind es auch, die Muk später auf einem fast rein deutschen Privatgymnasium vermisst.
Das Buch ist absolut lesenswert. Ich werde aber das Gefühl nicht recht los, dass der Co-Autor (= i.d.R. Textautor) des Buches ein bisschen erzähltechnisches Handwerkszeug eingesetzt hat, um die Lebensgeschichte spannender / massentauglicher rüberzubringen. Ich kann deshalb nicht beurteilen, wie authentisch die (Selbst-)Darstellung ist.