Multikulturalität ist in vielen westlichen und nichtwestlichen Gesellschaften mittlerweile Bestandteil alltäglicher erfahrung geworden. Deshalb stellt sich dringend die Frage, wie der Zusammenhang von Demokratie und Multikulturalität heute gedacht werden muß und welche neuen Herausforderungen von den demokratischen Institutionen bewältigt werden müssen. Wieviel Pluralität und Differenz ist in einer Demokratie möglich? Um diese Kernfrage drehen sich die Beiträge dieses Buches. Dabei werden einerseits die theoretischen Voraussetzungen des traditionellen politikwissenschaftlichen Institutionen- und Demokratiebegriffs hinterfragt und mit der Tatsache der Multikulturalität konfrontiert. Andererseits werden empirisch sowohl etablierte westliche Demokratien als auch die Transformationsgesellschaften daraufhin analysiert, wie sie institutionell die ethnischen und kulturellen Differenzen innerhalb ihrer Grenzen bewältigen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2002Magisches Dreieck
MULTIKULTURALITÄT. Ausländerintegration, ethnische Vielfalt, Leitkultur, multikulturelle Gesellschaft, Staatsbürgerschaft, Zuwanderung: Alle diese Schlagwörter der gegenwärtigen deutschen Diskussion belegen die potentielle Aktualität dieses Sammelbandes. Gemessen an der Brisanz des Themas, ist das Ergebnis aber eher enttäuschend. Das trifft vor allem auf die theoretischen Beiträge zum Themenfeld von Multikulturalität, Identität, Differenz und Institutionen zu, die das erste Drittel des Buches ausmachen. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um akademische Fingerübungen auf dem Klavier der einschlägigen Forschungsliteratur: Eine Vielzahl von Autoren und Büchern wird angeführt - das bringt für die Fachleute nichts Neues und ist für den Laien meist unverständlich, weil zu knapp ausgeführt. Schon anregender sind die empirischen Beiträge des zweiten Hauptteils über "reife Demokratien", wozu ein Überblicksartikel zu den politischen Konsequenzen aus der faktischen Entwicklung der westeuropäischen Staaten zu multikulturellen Einwanderungsgesellschaften und Aufsätze zum kanadischen Spannungsverhältnis von traditioneller Zweisprachlichkeit und heutiger Multikulturalität sowie zur institutionellen Selbstorganisation von ethnischen Minderheiten in Amsterdam gehören. Richtig informativ sind erst die Artikel im letzten Drittel des Sammelbandes über die ethnischen und multikulturellen Herausforderungen in den Transformationsgesellschaften Spaniens, Südafrikas, Malaysias und Lateinamerikas. In diesen Länderbeiträgen finden sich spannende Hinweise auf das magische Dreieck der widerstrebenden Anforderungen von ethnisch-multikultureller Identität, nationaler Einheit und Demokratie. Doch der im Titel versprochene Vergleich multikultureller Demokratien wird kaum geleistet, eine Addition von Länderstudien ist noch kein Vergleich. Die eher skeptische Beurteilung dieses politikwissenschaftlichen Sammelbandes beruht aber vor allem auf der Tatsache, daß viele seiner Beiträge den Eindruck von elektronischen Zettelkästen vermitteln: Die Belesenheit der Autoren wird unter Beweis gestellt, der eigenständige Beitrag hingegen ist eher schmal. (Hartmut Behr, Siegmar Schmidt : Multikulturelle Demokratien im Vergleich. Institutionen als Regulativ kultureller Vielfalt? Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001. 332 Seiten, 29,- Euro.)
WILHELM BLEEK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
MULTIKULTURALITÄT. Ausländerintegration, ethnische Vielfalt, Leitkultur, multikulturelle Gesellschaft, Staatsbürgerschaft, Zuwanderung: Alle diese Schlagwörter der gegenwärtigen deutschen Diskussion belegen die potentielle Aktualität dieses Sammelbandes. Gemessen an der Brisanz des Themas, ist das Ergebnis aber eher enttäuschend. Das trifft vor allem auf die theoretischen Beiträge zum Themenfeld von Multikulturalität, Identität, Differenz und Institutionen zu, die das erste Drittel des Buches ausmachen. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um akademische Fingerübungen auf dem Klavier der einschlägigen Forschungsliteratur: Eine Vielzahl von Autoren und Büchern wird angeführt - das bringt für die Fachleute nichts Neues und ist für den Laien meist unverständlich, weil zu knapp ausgeführt. Schon anregender sind die empirischen Beiträge des zweiten Hauptteils über "reife Demokratien", wozu ein Überblicksartikel zu den politischen Konsequenzen aus der faktischen Entwicklung der westeuropäischen Staaten zu multikulturellen Einwanderungsgesellschaften und Aufsätze zum kanadischen Spannungsverhältnis von traditioneller Zweisprachlichkeit und heutiger Multikulturalität sowie zur institutionellen Selbstorganisation von ethnischen Minderheiten in Amsterdam gehören. Richtig informativ sind erst die Artikel im letzten Drittel des Sammelbandes über die ethnischen und multikulturellen Herausforderungen in den Transformationsgesellschaften Spaniens, Südafrikas, Malaysias und Lateinamerikas. In diesen Länderbeiträgen finden sich spannende Hinweise auf das magische Dreieck der widerstrebenden Anforderungen von ethnisch-multikultureller Identität, nationaler Einheit und Demokratie. Doch der im Titel versprochene Vergleich multikultureller Demokratien wird kaum geleistet, eine Addition von Länderstudien ist noch kein Vergleich. Die eher skeptische Beurteilung dieses politikwissenschaftlichen Sammelbandes beruht aber vor allem auf der Tatsache, daß viele seiner Beiträge den Eindruck von elektronischen Zettelkästen vermitteln: Die Belesenheit der Autoren wird unter Beweis gestellt, der eigenständige Beitrag hingegen ist eher schmal. (Hartmut Behr, Siegmar Schmidt : Multikulturelle Demokratien im Vergleich. Institutionen als Regulativ kultureller Vielfalt? Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001. 332 Seiten, 29,- Euro.)
WILHELM BLEEK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wilhelm Bleek kann seine Enttäuschung nicht verhehlen, und er findet vor allem den ersten theoretischen Teil dieses Buches über Multikulturalität in Demokratien gänzlich unbefriedigend. Für die Fachwelt "nichts Neues", für die Laien aufgrund der knappen Ausführung nicht recht verständlich, lautet sein Verdikt. Den zweiten Teil mit empirischen Berichten findet er da schon gelungener und alles in allem auch recht "anregend". Nur das letzte Drittel des Buches allerdings lobt er als "richtig informativ", wobei er zu bedenken gibt, dass einzelne Länderstudien noch lange nicht den im Titel versprochenen "Vergleich" bieten können.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH