Ein Journalist auf den Spuren eines abenteuerlustigen Idealisten des letzten Jahrhunderts: zwei Entdeckungsreisen; die eine führt nach Kairo, die andere ins Innere eines scheiternden Menschen.
Das ist die wahre Geschichte von Werner Munzinger, der 1852 auszieht, um die Sklaverei in Afrika abzuschaffen. Werner Munzinger flieht, als sein Vater vom bürgerlichen Revolutionär zum Finanzminister avanciert, aus Europa. Als Händler und Forschungsreisender zieht er nach Kairo und ans Rote Meer, macht sich auf in die unwegsamen Gebirge Abessiniens, den sagenumwobenen Nilquellen entgegen. Er heiratet und wird Bauer, verwickelt sich in Kriege und Intrigen, und gegen seinen Willen steigt er auf zu Reichtum, Macht und Ehre.
Das ist aber auch die Geschichte des Reporters Max Mohn, der 150 Jahre später aufbricht, um Munzingers Spuren im Wüstensand aufzuspüren.
Das ist die wahre Geschichte von Werner Munzinger, der 1852 auszieht, um die Sklaverei in Afrika abzuschaffen. Werner Munzinger flieht, als sein Vater vom bürgerlichen Revolutionär zum Finanzminister avanciert, aus Europa. Als Händler und Forschungsreisender zieht er nach Kairo und ans Rote Meer, macht sich auf in die unwegsamen Gebirge Abessiniens, den sagenumwobenen Nilquellen entgegen. Er heiratet und wird Bauer, verwickelt sich in Kriege und Intrigen, und gegen seinen Willen steigt er auf zu Reichtum, Macht und Ehre.
Das ist aber auch die Geschichte des Reporters Max Mohn, der 150 Jahre später aufbricht, um Munzingers Spuren im Wüstensand aufzuspüren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.1997Besuch im inneren Afrika
Ohne Ruh' und Rast: Alex Capus erinnert an Munzinger Pascha
Max Mohn, die erste Zentralfigur von Alex Capus' Roman "Munzinger Pascha", ist ein gebrochener Charakter: in keiner Weise auffällig oder herausragend, doch wendig und immer dicht am richtigen Leben. Dazu paßt seine Tätigkeit für die "Oltner Nachrichten", bei der er sich durch gelegentliche Schreibblockaden nur unwesentlich behindert fühlt. Max verkauft seine Hemmung als Vorzug, bestätigt sie doch aufs eindrucksvollste die Unwürdigkeit der Gegenstände. Und wie er nur halb ein Journalist ist, so betreibt Max auch sonst alles bloß halb. Seine kleinen, oft ein wenig zynischen Mogeleien und Ausflüchte schildert Alex Capus mit einer geradezu Rousseauschen Unverblümtheit. Der junge Schweizer Schriftsteller findet dafür eben jenen Ton treffsicherer und leichthändiger Ironie, der in der deutschsprachigen Literatur so selten ist.
Es ist die Sprache, die diesen Debütroman bemerkenswert macht, und man darf hier ruhig einmal von einer Entdeckung sprechen. Der Roman ist unterhaltsam, teilweise sogar amüsant, und selbstverständlich profitiert davon Max Mohn. Was außerdem für ihn einnimmt, ist sein wachsendes und ausnahmsweise seriöses Interesse für einen anderen Bürger von Olten, den Forschungsreisenden und Kaufmann Werner Munzinger. Munzinger war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aufgebrochen, um nach Afrika zu reisen. Am Ende hatte er es zum Generalgouverneur der ägyptischen Provinzen am Roten Meer gebracht, des späteren Eritrea.
Erzähltechnisch gesprochen, ist Max Mohn die Hauptfigur der Romanhandlung, Werner Munzinger hingegen die Hauptfigur tief romanhafter Ereignisse im Inneren Afrikas. Freilich stimmen derlei Kategorien bloß ungefähr. Denn erstens sind Rahmen- und Haupthandlung in diesem Roman annähernd gleichgewichtig, und zweitens treffen in Mohn und Munzinger nicht nur unterschiedliche Zeiten und Temperamente, sondern auch Fiction und Nonfiction aufeinander. Munzinger hat wirklich gelebt. Seine Aufzeichnungen, die Capus in Auswahl dokumentiert, sind eine kulturgeschichtliche und literarische Bedeutsamkeit, die mit diesem Roman den ungewöhnlichen, doch durchaus angemessenen Präsentationsrahmen gefunden hat.
Auch in den Vorstellungen Munzingers spukt der Geist des Jean-Jacques. Nicht nur hat er grandiose Reise- und Sittenbilder des zeitgenössischen Afrika geliefert, er war sich auch durchaus darüber im klaren, was er dort tat und welche Sehnsüchte ihn lockten. "Die Schilderung einfacher, natürlicher Sitten und Gefühle erinnert uns an das verlorene Paradies; wir fühlen, daß wir mit aller Cultur zu weit gegangen sind; das Äußerliche hat das Innerliche ersetzt, die Höflichkeit ist an die Stelle der Freundschaft getreten, die Materie an jene des Geistes." Das hätte auch Rousseau so sagen können. Capus läßt das Porträt eines Forschers entstehen, der die Enge der Schweizer Täler hinter sich ließ, um in weiter Ferne ein intensiv empfundenes, doch flüchtiges Glück zu finden. Munzingers Geschichte ist die Geschichte einer Desillusionierung. Spätestens nachdem ihn die Engländer zur Teilnahme an einem Feldzug überredet hatten, scheint ihm das Schreiben und bald auch das Leben schwer geworden zu sein. Wie sein daheimgebliebener Bruder neigte er zu Depressionen und beschränkte sich darauf, seine persönlichen Besitztümer zu mehren.
Afrika, schreibt Munzinger im Todesjahr 1875, "erhält sein blendendes Colorit vor allem dadurch, daß wir der Zukunft und der Ferne zulächeln, dabei aber der Gegenwart und der Heimath keine Poesie abzugewinnen vermögen". Zu diesem Zeitpunkt weilt er bald dreißig Jahre in Afrika, und doch hat es den Anschein, als habe er die Heimat nie verlassen. Auch Munzinger erweist sich als im doppelten Verständnis des Wortes gebrochener Charakter.
Max Mohn, der die verstreuten Bruchstücke und Zeugnisse der historischen Aussteigergeschichte zusammenträgt, ist ihr erster Leser und zieht die Konsequenz. Die Schlußszene zeigt ihn in einem Hotelzimmer an sonniger Küste, wo er ruhig sitzt und schreibt. Was und wieviel damit gewonnen ist, hat er bei Munzinger gelernt, der am 28. April 1865 notiert: "Hab keine Ruh' und keine Rast, nichts, das mir Vergnügen macht." Melancholisch wie die meisten Aufzeichnungen der späten Jahre, steht dieser Satz über Munzingers Leben und Werk wie ein Vermächtnis: Bekenntnis zur Zivilisation und Verzweiflung an ihr zugleich. RALF KONERSMANN
Alex Capus: "Munzinger Pascha". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 1997. 233 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ohne Ruh' und Rast: Alex Capus erinnert an Munzinger Pascha
Max Mohn, die erste Zentralfigur von Alex Capus' Roman "Munzinger Pascha", ist ein gebrochener Charakter: in keiner Weise auffällig oder herausragend, doch wendig und immer dicht am richtigen Leben. Dazu paßt seine Tätigkeit für die "Oltner Nachrichten", bei der er sich durch gelegentliche Schreibblockaden nur unwesentlich behindert fühlt. Max verkauft seine Hemmung als Vorzug, bestätigt sie doch aufs eindrucksvollste die Unwürdigkeit der Gegenstände. Und wie er nur halb ein Journalist ist, so betreibt Max auch sonst alles bloß halb. Seine kleinen, oft ein wenig zynischen Mogeleien und Ausflüchte schildert Alex Capus mit einer geradezu Rousseauschen Unverblümtheit. Der junge Schweizer Schriftsteller findet dafür eben jenen Ton treffsicherer und leichthändiger Ironie, der in der deutschsprachigen Literatur so selten ist.
Es ist die Sprache, die diesen Debütroman bemerkenswert macht, und man darf hier ruhig einmal von einer Entdeckung sprechen. Der Roman ist unterhaltsam, teilweise sogar amüsant, und selbstverständlich profitiert davon Max Mohn. Was außerdem für ihn einnimmt, ist sein wachsendes und ausnahmsweise seriöses Interesse für einen anderen Bürger von Olten, den Forschungsreisenden und Kaufmann Werner Munzinger. Munzinger war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aufgebrochen, um nach Afrika zu reisen. Am Ende hatte er es zum Generalgouverneur der ägyptischen Provinzen am Roten Meer gebracht, des späteren Eritrea.
Erzähltechnisch gesprochen, ist Max Mohn die Hauptfigur der Romanhandlung, Werner Munzinger hingegen die Hauptfigur tief romanhafter Ereignisse im Inneren Afrikas. Freilich stimmen derlei Kategorien bloß ungefähr. Denn erstens sind Rahmen- und Haupthandlung in diesem Roman annähernd gleichgewichtig, und zweitens treffen in Mohn und Munzinger nicht nur unterschiedliche Zeiten und Temperamente, sondern auch Fiction und Nonfiction aufeinander. Munzinger hat wirklich gelebt. Seine Aufzeichnungen, die Capus in Auswahl dokumentiert, sind eine kulturgeschichtliche und literarische Bedeutsamkeit, die mit diesem Roman den ungewöhnlichen, doch durchaus angemessenen Präsentationsrahmen gefunden hat.
Auch in den Vorstellungen Munzingers spukt der Geist des Jean-Jacques. Nicht nur hat er grandiose Reise- und Sittenbilder des zeitgenössischen Afrika geliefert, er war sich auch durchaus darüber im klaren, was er dort tat und welche Sehnsüchte ihn lockten. "Die Schilderung einfacher, natürlicher Sitten und Gefühle erinnert uns an das verlorene Paradies; wir fühlen, daß wir mit aller Cultur zu weit gegangen sind; das Äußerliche hat das Innerliche ersetzt, die Höflichkeit ist an die Stelle der Freundschaft getreten, die Materie an jene des Geistes." Das hätte auch Rousseau so sagen können. Capus läßt das Porträt eines Forschers entstehen, der die Enge der Schweizer Täler hinter sich ließ, um in weiter Ferne ein intensiv empfundenes, doch flüchtiges Glück zu finden. Munzingers Geschichte ist die Geschichte einer Desillusionierung. Spätestens nachdem ihn die Engländer zur Teilnahme an einem Feldzug überredet hatten, scheint ihm das Schreiben und bald auch das Leben schwer geworden zu sein. Wie sein daheimgebliebener Bruder neigte er zu Depressionen und beschränkte sich darauf, seine persönlichen Besitztümer zu mehren.
Afrika, schreibt Munzinger im Todesjahr 1875, "erhält sein blendendes Colorit vor allem dadurch, daß wir der Zukunft und der Ferne zulächeln, dabei aber der Gegenwart und der Heimath keine Poesie abzugewinnen vermögen". Zu diesem Zeitpunkt weilt er bald dreißig Jahre in Afrika, und doch hat es den Anschein, als habe er die Heimat nie verlassen. Auch Munzinger erweist sich als im doppelten Verständnis des Wortes gebrochener Charakter.
Max Mohn, der die verstreuten Bruchstücke und Zeugnisse der historischen Aussteigergeschichte zusammenträgt, ist ihr erster Leser und zieht die Konsequenz. Die Schlußszene zeigt ihn in einem Hotelzimmer an sonniger Küste, wo er ruhig sitzt und schreibt. Was und wieviel damit gewonnen ist, hat er bei Munzinger gelernt, der am 28. April 1865 notiert: "Hab keine Ruh' und keine Rast, nichts, das mir Vergnügen macht." Melancholisch wie die meisten Aufzeichnungen der späten Jahre, steht dieser Satz über Munzingers Leben und Werk wie ein Vermächtnis: Bekenntnis zur Zivilisation und Verzweiflung an ihr zugleich. RALF KONERSMANN
Alex Capus: "Munzinger Pascha". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 1997. 233 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dieser Erstlingsroman ist ein Wurf." Hansjörg Schertenleib in der 'Weltwoche'
"Gekonnt mit Klischees spielend, verwebt Capus das Romangeschehen mit ironisch gebrochener Gesellschaftskritik, zeichnet Innen- und Außenwelten des Heutigen und des Verblichenen, bis sich Geschichte unversehens in Literatur veredelt hat." Der Spiegel
"Max Mohn, die erste Zentralfigur von Alex Capus' Roman 'Munzinger Pascha', ist ein gebrochener Charakter: in keiner Weise herausragend, doch wendig und immer dicht am richtigen Leben ... Seine kleinen, oft ein wenig zynischen Mogeleien und Ausflüchte schildert Alex Capus mit einer geradezu Rousseauschen Unverblümtheit. Der junge Schweizer Schriftsteller findet dafür eben jenen Ton treffsicherer und leichthändiger Ironie, der in der deutschsprachigen Literatur so selten ist. Es ist die Sprache, die diesen Debütroman so bemerkenswert macht, und man darf hier ruhig einmal von einer Entdeckung sprechen." Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Gekonnt mit Klischees spielend, verwebt Capus das Romangeschehen mit ironisch gebrochener Gesellschaftskritik, zeichnet Innen- und Außenwelten des Heutigen und des Verblichenen, bis sich Geschichte unversehens in Literatur veredelt hat." Der Spiegel
"Max Mohn, die erste Zentralfigur von Alex Capus' Roman 'Munzinger Pascha', ist ein gebrochener Charakter: in keiner Weise herausragend, doch wendig und immer dicht am richtigen Leben ... Seine kleinen, oft ein wenig zynischen Mogeleien und Ausflüchte schildert Alex Capus mit einer geradezu Rousseauschen Unverblümtheit. Der junge Schweizer Schriftsteller findet dafür eben jenen Ton treffsicherer und leichthändiger Ironie, der in der deutschsprachigen Literatur so selten ist. Es ist die Sprache, die diesen Debütroman so bemerkenswert macht, und man darf hier ruhig einmal von einer Entdeckung sprechen." Frankfurter Allgemeine Zeitung