Inhalt
Die Polizeikommissarin Lale Petersen sitzt in einem Zug einer Frau gegenüber, die ohne Punkt und Komma über ihr Leben und ihre Familie spricht. Wenn sie doch nur für ein paar Minuten den Mund halten würde! Da bleibt der Polizistin nichts anderes übrig als ganz dezent in den Schlaf zu
entschwinden. Ruhe. Entspannung. "Fahrkartenkontrolle!" Das war es mit den schönen Träumen und der…mehrInhalt
Die Polizeikommissarin Lale Petersen sitzt in einem Zug einer Frau gegenüber, die ohne Punkt und Komma über ihr Leben und ihre Familie spricht. Wenn sie doch nur für ein paar Minuten den Mund halten würde! Da bleibt der Polizistin nichts anderes übrig als ganz dezent in den Schlaf zu entschwinden. Ruhe. Entspannung. "Fahrkartenkontrolle!" Das war es mit den schönen Träumen und der kuscheligen Wärme. Chaotisch wie Lale ist, findet sie natürlich ihre Fahrkarte nicht sofort und der Kontrolleur will auch noch wissen, was mit ihrer Begleitung ist. Na, die Dame ist wohl durch ihre eigene Erzählung eingeschlafen. Als Lale sie wecken will, stellt sie allerdings fest, dass die Frau nicht nur kurzfristig verstummt ist. Sie ist eindeutig tot.
Sprache, Charaktere, Handlung
Lale Petersen ist dem Leser sofort sympathisch. Sie hat einen sehr direkten Humor, der durch ihr Leben in Hamburg gekennzeichnet ist. Zudem ist Sarkasmus so etwas wie ihr zweiter Vorname. Für jeden Gesprächspartner und für jede Situation hat sie eine leicht schnippische Antwort parat, die beim Lesen ein Lächeln erzwingt. Nach einer bestimmten Zeit fragt man sich allerdings, ob die Figur dieses Verhalten durchhalten kann oder ob sie irgendwann zusammenbricht. Und vor allen Dingen stellt sich die Frage auch in gewisser Weise dem Leser. Kann er diese Art und Weise durchhalten oder bricht er irgendwann zusammen, weil er diese ständige gute Laune nicht mehr ertragen kann? Ich habe durchgehalten und ich muss sagen, dass ich mit Lales Eigenarten sehr gut ausgekommen bin. Meine ersten leisen Zweifel wurden mit jeder Seite kleiner. Die Figur entwickelt sich ganz nebenbei mit der Geschichte. Sie ist mit ihrer Sprache und ihrer Haltung so gut in das Beziehungsgeflecht und die Handlungen eingebunden, dass man keine Ecken und Kanten erkennen kann. Es passt einfach alles. Genauso ist es mit den anderen Charakteren und der Handlung. Jede Wendung und jedes Auftauchen einer neuen Persönlichkeit passt in den Handlungsrahmen und man fragt sich nicht einmal, wie es jetzt zu diesem Konflikt oder jener Lösung kommen konnte. Gleichzeitig ist die Geschichte aber weder langweilig noch altbacken. Manche Leser denken vielleicht, dass gerade mit dem Thema Stasi-Verbrechen Stereotype angesprochen werden und eine immer wieder gleiche Geschichte erzählt wird. Christine Sylvester hat es aber geschafft ganz offensichtliche und historisch bedingte Aspekte in aktuelle Themen und reale Verbrechen einzubetten. Dieses Zusammenspiel entwickelt in der fiktiven Handlung eine ganz eigene Dynamik, die Spannung erzeugt und ein leichtes Lesen ermöglicht. Letztendlich ist aber auch die Sprache sehr angenehm und nicht zu stark von lokalen Gepflogenheiten geprägt. Die meisten Figuren verfallen eher selten in ihre lokale Sprache. Häufig ist dies der Fall, wenn sie selbst nervös sind und unter Anspannung stehen. Und dies ist doch eine Situation, die wir alle kennen. Man benötigt also kein Handbuch der sächsischen Sprache, um die Handlung komplett nachvollziehen zu können. Auch abseits der Besonderheiten ist die Geschichte sehr leicht verständlich und in einem eher freundschaftlichen Ton geschrieben. Es geht nicht so sehr darum die Grausamkeiten der einzelnen Verbrechen hervorzuheben. Der Leser wird eher gemütlich in die Umgebung eingebettet, in dem er freundschaftlich empfangen wird und man auf einer Ebene kommuniziert. Wer also in hohen sprachlichen Sphären schweben will oder blutige Details liebt, sollte die Finger von dem Roman lassen. Wer sich gut amüsieren will und Spaß am miträtseln hat, der ist hier genau richtig.
Fazit
Ein Roman, dem aus meiner Sicht viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde und wird. Schließlich handelt es sich hierbei um eine wunderbare Kriminalgeschichte mit einem kleinen Hauch von Lokalkolorit, die zum Verschlingen einlädt. Absolut empfehlenswert!