"Gute Musikjournalisten sind Groupies ohne körperliche Absichten." - Martin Büsser"Music is my Boyfriend" versammelt ausgewählte Texte Martin Büssers aus den letzten 20 Jahren, journalistische, essayistische und literarische. Der Band zeigt die Entwicklung von einem nie auf Effekte und Beliebigkeit zielenden Musikjournalisten hin zu einem Autoren, der trotz begründeter Zweifel an der Popkultur als wichtiger Impulsgeberin für gesellschaftliche Veränderungen festhielt.Das Buch führt vor Augen, welche Lücke Martin Büsser, der im September 2010 im Alter von 42 Jahren verstarb, im deutschen Kulturbetrieb hinterlässt. Er hat den Ventil Verlag mitgegründet und als Herausgeber und Redakteur über 15 Jahre die Zeitschrift "testcard" geprägt. Darüber hinaus hat er sich als Kunst-, Literatur-, Film- und Musikkritiker einen Namen gemacht und arbeitete als Zeichner und Musiker. Martin Büsser ist nie den billigen Verlockungen des Mainstreams erlegen; seine eigene Szene verschonte er nicht, sondern kritisierte sie dort, wo es überfällig und notwendig war. Ohne seine Artikel, Bücher und CDs wäre die deutsche Linke heute um einiges ignoranter.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2011Drastisch
Am Disparaten und Dissidenten hing Martin Büssers Herz, und der Anspruch an Musik war immer auch ein politischer in seiner Spielart eines theoriebewussten, selbstverständlich kritischen, also bisweilen naseweisen Popdiskurses. Geerdet wurde das dadurch, dass er die Ambivalenz von Aufbegehren und Herkunft nicht verbarg und sich als "Elternhaus-Punk" beschrieb. Bis zu seinem frühen Tod im vergangenen Herbst vertrat er diese Haltung als Autor und Mitbegründer der Pop-Anthologie "testcard". "Music Is My Boyfriend" heißt nun eine Auswahl seiner Arbeiten nach einem Lied der Hidden Cameras, deren "Mischung aus Kirchenmusik, Beach Boys und Phil Spector in Zusammenhang mit schwulen Texten voller christlicher Metaphern" er hier würdigt. Im Leiden am Land der Lichterketten wirkt ein alter Beitrag verstiegen; mildere Schelte gilt dem "Nichts namens Phil Collins" und dem "Indie-Schluffi" als Typus des schulterzuckenden Trainingsjackenträgers ohne Haltung. Begeisternder ist die Leidenschaft für den damals noch frischen Antifolk, wie ihn die Moldy Peaches oder Jeffrey Lewis aus Dilettantismus und Drastik bastelten. (Martin Büsser: "Music Is My Boyfriend". Texte 1990-2010. Ventil Verlag, Mainz 2011. 255 S., Abb., br., 14,90 [Euro].) grae
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am Disparaten und Dissidenten hing Martin Büssers Herz, und der Anspruch an Musik war immer auch ein politischer in seiner Spielart eines theoriebewussten, selbstverständlich kritischen, also bisweilen naseweisen Popdiskurses. Geerdet wurde das dadurch, dass er die Ambivalenz von Aufbegehren und Herkunft nicht verbarg und sich als "Elternhaus-Punk" beschrieb. Bis zu seinem frühen Tod im vergangenen Herbst vertrat er diese Haltung als Autor und Mitbegründer der Pop-Anthologie "testcard". "Music Is My Boyfriend" heißt nun eine Auswahl seiner Arbeiten nach einem Lied der Hidden Cameras, deren "Mischung aus Kirchenmusik, Beach Boys und Phil Spector in Zusammenhang mit schwulen Texten voller christlicher Metaphern" er hier würdigt. Im Leiden am Land der Lichterketten wirkt ein alter Beitrag verstiegen; mildere Schelte gilt dem "Nichts namens Phil Collins" und dem "Indie-Schluffi" als Typus des schulterzuckenden Trainingsjackenträgers ohne Haltung. Begeisternder ist die Leidenschaft für den damals noch frischen Antifolk, wie ihn die Moldy Peaches oder Jeffrey Lewis aus Dilettantismus und Drastik bastelten. (Martin Büsser: "Music Is My Boyfriend". Texte 1990-2010. Ventil Verlag, Mainz 2011. 255 S., Abb., br., 14,90 [Euro].) grae
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