Jede gute Formenlehre wird von der notwendigen Vielzahl ihrer Kapitel dazu gezwungen, sich auf die Bachfuge und die Beethovensonate zu konzentrieren. Früheres und Späteres kurz erläutert, ergibt sich somit ein geradliniger Entwicklungsweg.
Hier dagegen die Zusammenschau einer unübersehbaren Vielfalt von Formgestaltungseinfällen. Zehn Sonatensätze von Haydn und Mozart aus demselben Jahrzehnt sind äußerst unterschiedlich geformt! Wie viele verschiedene Möglichkeiten findet Johann Crüger, sich in seinen Choral-Melodien vom Text inspirieren zu lassen oder eigenen Gestaltungswillen gegen ihn durchzusetzen! Wieviel an Einfall und Originalität kann sogar (im engsten Gefängnis) vom Kanon-Komponisten riskiert werden!
"Nichts muß 'normal' sein, damit ein Kunstwerk gut 'in Form' ist, es muß nur alles zueinander stimmen", so heißt es im Vorwort dieses Buches, das bis zu 1996 geschaffener Klangkunst führt.
Diether de la Motte fordert die Leser auf, den unendlichen Reichtum an Formbildungskräften zu erkennen, ihm nachzuspüren und für sich nachzuvollziehen, was die musikalisch-gestaltende Phantasie an bewundernswert je Einmaligem geschaffen hat.
Hier dagegen die Zusammenschau einer unübersehbaren Vielfalt von Formgestaltungseinfällen. Zehn Sonatensätze von Haydn und Mozart aus demselben Jahrzehnt sind äußerst unterschiedlich geformt! Wie viele verschiedene Möglichkeiten findet Johann Crüger, sich in seinen Choral-Melodien vom Text inspirieren zu lassen oder eigenen Gestaltungswillen gegen ihn durchzusetzen! Wieviel an Einfall und Originalität kann sogar (im engsten Gefängnis) vom Kanon-Komponisten riskiert werden!
"Nichts muß 'normal' sein, damit ein Kunstwerk gut 'in Form' ist, es muß nur alles zueinander stimmen", so heißt es im Vorwort dieses Buches, das bis zu 1996 geschaffener Klangkunst führt.
Diether de la Motte fordert die Leser auf, den unendlichen Reichtum an Formbildungskräften zu erkennen, ihm nachzuspüren und für sich nachzuvollziehen, was die musikalisch-gestaltende Phantasie an bewundernswert je Einmaligem geschaffen hat.
Der rätselhafte Titel, der den manchmal geraden, manchmal labyrinthischen Weg zum Verständnis eines Musikwerkes andeutet, macht den Leser neugierig auf ein Buch, in dem er von vornherein mit Recht keine gängige Formenlehre vermutet. Kaleidoskopartig reihen sich 19 Kapitel mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten aneinander, wobei die Chronologie der besprochenen Werke weitgehend berücksichtigt wird. Der pädagogisch beliebte Methodenwechsel gewährleistet eine fesselnde Lektüre; aber es ist nicht als Lehrbuch für Einsteiger tauglich. Manche Kapitel - wie "Choral: Johann Crüger" oder "Claude Debussy" - sind nur einer Form oder einem Komponisten gewidmet, andere betrachten nur eine Gattung wie "Tanz" oder "Liedform"; in wieder anderen Kapiteln denkt der Autor über Phänomene nach, die in einer konventionellen Formenlehre keinen Platz hätten, wie die "Abkehr vom 'abgeschlossenen' Werk", "Öffnungen" oder "Klangkunst 1996".
De la Motte weitet das Blickfeld und verlangt vom Leser und Musikhörer, sich dem Aufbau und den Strukturen einer Komposition so unvoreingenommen zu nähern, als sei man nie in Formenlehre unterwiesen worden. Der Autor sprengt Normen und Begriffe, die sich in der Formenlehre etabliert haben. Dies ist mit Rücksicht auf das Wahrnehmen und angemessene Beschreiben des individuellen Werks begrüßenswert, birgt aber andererseits bisweilen die Gefahr, daß die Vergleichbarkeit der Charakteristika von mehreren ähnlichen Kompositionen oder auch der Elemente innerhalb eines Stückes erschwert wird. [...]
Diesem Einwand steht eine Fülle von Erkenntnis fördernden Beobachtungen gegenüber. So bestätigt de la Motte in seinem Sonaten-Kapitel die inzwischen weitgehend anerkannte Tatsache, daß die Kategorien, nach denen Beethovens Sonaten betrachtet werden können, untauglich für Werke Haydns und Mozarts aus den Jahren 1771-1780 sind. Die Gedankenfülle dieser beiden Komponisten kann man nicht in ein Schema von nur zwei Themen pressen, wie der Autor zeigt. Hier die motivische Substanz oder die "Personen" aufzuspüren, die rhythmisch-melodische Eigenständigkeit dieser meist nur ein- bis zweitaktigen Gebilde und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu zeigen, ist ebenso bereichernd wie die Gedanken über die Freiheit der Phrasenerfindung und über den Zeitpunkt der Notwendigkeit, Neues einzuführen.
Das Buch ermutigt zu unvoreingenommenen Begegnungen mit jeglicher Musik. Es wendet sich dabei gegen die Fixierung von Begriffen und sensibilisiert den Leser für Nuancen melodischer Entwicklungen im Volkslied und in 15 Kirchenliedern Johann Crügers oder für die Rollenverteilung von Singstimme und Klavier im Kunstlied.
Den Wandel des Verhältnisses von Sprache und Musik stellt der Autor an Organa, Messesätzen und Motetten von Perotin bis Brahms dar; er scheut sich dabei nicht, bei einem Wechsel des Klangraums in einem Organum Perotins beispielsweise von der Durparallele zu sprechen (S. 27). Da man unsere heutigen Hörgewohnheiten nicht ausschalten kann, ist dieses Verfahren durchaus legitim; dennoch sollte darauf hingewiesen werden, daß diese Terminologie nicht Perotins Vorstellung entsprach.
De la Motte macht neugierig auf weniger vertraute Aspekte der Komposition. Anhand von 13 Sprachkompositionen von Kurt Schwitters, Ernst Jandl u.a. wird auf das Spiel mit Sprachklang oder auf streng konstruiertes Chaos hingewiesen.
Vertrautes Terrain betritt man in den Kapiteln "Kanon - Ricercare - Fuge" und "Tanz", wobei nachgewiesen wird, wie Haydn und Schubert melodische oder formale Einfachheit durch harmonische Überraschungen kompensieren. Den Zusammenhang von Großform und Detailstruktur führt de la Motte an den bis zu 300 Takte langen Walzern Chopins ebenso vor wie die "tonale Frischhalte-Technik" an dem Strauß-Walzer "An der schönen blauen Donau" (S. 157).
Immer geht es dem Autor darum, den Sinn hinter einem Kompositionsprinzip zu erkennen. Wenn er in dem Kapitel "Variation - Passacaglia - Chaconne" ein Motet von Machaut (um 1330) neben Werke von Scheidt, Beethoven, Schumann, Webern, Hindemith und Ligeti stellt, werden durch die gemeinsame Perspektive nicht nur Grundeinsichten über das Komponieren vermittelt, sondern wird zugleich das Verständnis für die ferner liegenden Werke gefördert. [...]
Im Kapitel "Rondo" wird die Brücke bis zu den Carmina Burana (um 1230) und einem Rondeau von Dufay zurückgeschlagen, wobei die Funktionsbezeichnungen zur Beschreibung der vorherrschenden Harmonien besser durch Stufenbezeichnungen hätten ersetzt werden sollen (S. 325).
In dem Kapitel über "Präludium - Prelude" zeigt der Autor die Vielfalt der Präludiengestaltung bei Bach und die Verschränkung der präludierenden und fugierten Abschnitte bei Buxtehude, bei Chopin hingegen, wie Figuren zur Inspirationsquelle für Charakterstücke werden. Bei dem Beispiel aus den Acht kleinen Präludien und Fugen.
De la Motte weitet das Blickfeld und verlangt vom Leser und Musikhörer, sich dem Aufbau und den Strukturen einer Komposition so unvoreingenommen zu nähern, als sei man nie in Formenlehre unterwiesen worden. Der Autor sprengt Normen und Begriffe, die sich in der Formenlehre etabliert haben. Dies ist mit Rücksicht auf das Wahrnehmen und angemessene Beschreiben des individuellen Werks begrüßenswert, birgt aber andererseits bisweilen die Gefahr, daß die Vergleichbarkeit der Charakteristika von mehreren ähnlichen Kompositionen oder auch der Elemente innerhalb eines Stückes erschwert wird. [...]
Diesem Einwand steht eine Fülle von Erkenntnis fördernden Beobachtungen gegenüber. So bestätigt de la Motte in seinem Sonaten-Kapitel die inzwischen weitgehend anerkannte Tatsache, daß die Kategorien, nach denen Beethovens Sonaten betrachtet werden können, untauglich für Werke Haydns und Mozarts aus den Jahren 1771-1780 sind. Die Gedankenfülle dieser beiden Komponisten kann man nicht in ein Schema von nur zwei Themen pressen, wie der Autor zeigt. Hier die motivische Substanz oder die "Personen" aufzuspüren, die rhythmisch-melodische Eigenständigkeit dieser meist nur ein- bis zweitaktigen Gebilde und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu zeigen, ist ebenso bereichernd wie die Gedanken über die Freiheit der Phrasenerfindung und über den Zeitpunkt der Notwendigkeit, Neues einzuführen.
Das Buch ermutigt zu unvoreingenommenen Begegnungen mit jeglicher Musik. Es wendet sich dabei gegen die Fixierung von Begriffen und sensibilisiert den Leser für Nuancen melodischer Entwicklungen im Volkslied und in 15 Kirchenliedern Johann Crügers oder für die Rollenverteilung von Singstimme und Klavier im Kunstlied.
Den Wandel des Verhältnisses von Sprache und Musik stellt der Autor an Organa, Messesätzen und Motetten von Perotin bis Brahms dar; er scheut sich dabei nicht, bei einem Wechsel des Klangraums in einem Organum Perotins beispielsweise von der Durparallele zu sprechen (S. 27). Da man unsere heutigen Hörgewohnheiten nicht ausschalten kann, ist dieses Verfahren durchaus legitim; dennoch sollte darauf hingewiesen werden, daß diese Terminologie nicht Perotins Vorstellung entsprach.
De la Motte macht neugierig auf weniger vertraute Aspekte der Komposition. Anhand von 13 Sprachkompositionen von Kurt Schwitters, Ernst Jandl u.a. wird auf das Spiel mit Sprachklang oder auf streng konstruiertes Chaos hingewiesen.
Vertrautes Terrain betritt man in den Kapiteln "Kanon - Ricercare - Fuge" und "Tanz", wobei nachgewiesen wird, wie Haydn und Schubert melodische oder formale Einfachheit durch harmonische Überraschungen kompensieren. Den Zusammenhang von Großform und Detailstruktur führt de la Motte an den bis zu 300 Takte langen Walzern Chopins ebenso vor wie die "tonale Frischhalte-Technik" an dem Strauß-Walzer "An der schönen blauen Donau" (S. 157).
Immer geht es dem Autor darum, den Sinn hinter einem Kompositionsprinzip zu erkennen. Wenn er in dem Kapitel "Variation - Passacaglia - Chaconne" ein Motet von Machaut (um 1330) neben Werke von Scheidt, Beethoven, Schumann, Webern, Hindemith und Ligeti stellt, werden durch die gemeinsame Perspektive nicht nur Grundeinsichten über das Komponieren vermittelt, sondern wird zugleich das Verständnis für die ferner liegenden Werke gefördert. [...]
Im Kapitel "Rondo" wird die Brücke bis zu den Carmina Burana (um 1230) und einem Rondeau von Dufay zurückgeschlagen, wobei die Funktionsbezeichnungen zur Beschreibung der vorherrschenden Harmonien besser durch Stufenbezeichnungen hätten ersetzt werden sollen (S. 325).
In dem Kapitel über "Präludium - Prelude" zeigt der Autor die Vielfalt der Präludiengestaltung bei Bach und die Verschränkung der präludierenden und fugierten Abschnitte bei Buxtehude, bei Chopin hingegen, wie Figuren zur Inspirationsquelle für Charakterstücke werden. Bei dem Beispiel aus den Acht kleinen Präludien und Fugen.