"Philosophen sind Gewalttäter, die keine Armee zur Verfügung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, daß sie sie in ein System sperren." So heißt es in Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften. Sein Verfasser wurde 1908 mit einem "Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs" selbst zum Doktor der Philosophie promoviert. Die Lektüre der Schriften Nietzsches gehört zu Musils eindringlichsten Jugenderlebnissen. Obwohl sein Hauptwerk als Versuch einer Synthese nahezu aller zeitgenössisch relevanten Weltanschauungen betrachtet werden kann, sind es doch die Theoreme Nietzsches und Machs, die diesen Roman grundlegend prägen. Der induktive Essayismus der Hauptfigur und der für die Erzähltechnik des Romans konstitutive performative Essayismus weisen auf Nietzsches relativistischen Perspektivismus einerseits, auf Machs positivistischen Funktionalismus andererseits zurück. Unter ausführlicher Berücksichtigung seiner Essays wird gezeigt, daß Musils Intention einer Verbindung von Ratioïdem und Nicht-Ratioïdem nur in einer Synthese von Philosophie und Dichtung realisiert werden kann. Der Mann ohne Eigenschaften präsentiert sich so als Surrogat für eine, gemessen am philosophischen System, "unphilosophische" Zeit.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In seiner Studie "Musils Philosophie" sucht Hans-Joachim Pieper die philosophischen Hintergründe von Musils Erzählkunst aufzudecken und den überragenden Einfluss von Nietzsche und Ernst Mach auf den Romancier darzulegen. Ein Versuch, der nach Einschätzung von Rezensent Matthias Kross wohl geglückt ist. Musil habe Nietzsches Relativismus mit Machs skeptischem "Empirokritizismus" kombiniert und zu einem "performativen Essayismus" umgestaltet, schreibt Kross. Was er bei Piepers lehrreicher "filigraner Spurensicherung" etwas vermisst, ist ein Ausgriff auf die heutige geistige Situation, hält er Musil doch für hochaktuell. Eine "Werkretrospektive aus aktualisierender Sicht" wünscht sich der Rezensent deshalb. Die hat Pieper mit seinem Buch nach Ansicht des Rezensenten zwar nicht geschrieben, aber immerhin gute Vorarbeit dazu geleistet. Fazit des Rezensenten: "Eine mit Fleiß gearbeitete, philologisch tadellose Vorstudie auf einer soliden Materialgrundlage."
© Perlentaucher Medien GmbH
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