Mich hat dieses Buch 100%ig überzeugt. Alix Both beschreibt auf lebendige und treffende Weise ihr Vertretungssemester als Professorin für Genderwissenschaften an einer dt. Universität. Endlich mit 38 Jahren ist sie auf dem Höhepunkt ihrer universitären Karriere angelangt, doch auch als Professorin
macht der alltägliche "Uni-Wahnsinn" nicht vor einem Halt. Schnell stellt die Professorin fest, dass…mehrMich hat dieses Buch 100%ig überzeugt. Alix Both beschreibt auf lebendige und treffende Weise ihr Vertretungssemester als Professorin für Genderwissenschaften an einer dt. Universität. Endlich mit 38 Jahren ist sie auf dem Höhepunkt ihrer universitären Karriere angelangt, doch auch als Professorin macht der alltägliche "Uni-Wahnsinn" nicht vor einem Halt. Schnell stellt die Professorin fest, dass es als Neuling einige Hürden zu überwinden gilt. Einerseits hat die Sekretärin für die neue Kollegin keine Zeit, weil sie einem anderen Jungprofessor zugeteilt ist, dann gibt es noch die stets überarbeiteten wissenschaftlichen Hilfskräfte, die wiederum durch weitere Nebenjobs keine Zeit haben, um kleinere Arbeiten zu übernehmen. Andererseits wären da noch die spleenigen Kollegen, die jeder Kritik enthoben zu sein scheinen, wie z. B. Professor Bonaparte, und jene, die man nie antrifft und die sich in ihrem Büro verschanzen und das Licht anlassen, um zu zeigen, dass sie unermüdlich im Auftrag der Wissenschaft tätig sind. Als ehemaliger Student freut man sich über diese Charakterstudien und denkt unweigerlich, solche Typen gab es früher an meiner Uni auch. Die Uni ist eine eigenständige und in sich geschlossene Welt, diesen Eindruck gewinnt man schon nach dem Lesen der ersten Zeilen. Es gibt unausgesprochene Hierarchien, Kleiderordnungen und Verhaltensweisen, wer diese nicht kennt und sich gar anders verhält, wird schnell verspottet und als unwissenschaftlich - populärwissenschaftlich - eingestuft.
Einen andereren Schwerpunkt von Boths Ausführungen bildet die Gruppe der Studenten. Auch unter diesen gibt es verschiedene Typen, wie z. B. das unscheinbare Anhängsel (Groupie), den belesenen Rastaman oder die topgestylte Lehramtsstudentin mit Verständnisschwierigkeiten. Letztere haben fast alle Studenten, wenn diese längere philosophische Texte lesen müssen (s. Buchtitel) oder eines der ersten Seminarreferate halten sollen. Mit diesen Anekdoten kann sich jeder Student bzw. Alumnus aufgrund von ähnlichen Erfahrungen identifizieren. Der Erkenntnis, dass es den Studenten seit Bologna mehr um Creditpoints als um Bildung und persönliche Reifung gehe, kann ich größtenteils zustimmen. Seminare werden nicht mehr nach Interesse oder nach Inhalten gewählt, sondern nach Aussicht auf maximale Erfolge. Eine verheerende Entwicklung. Das Streben nach Perfektion geht sogar so weit, dass Doktoranden ihre Promotion jahrelang nicht abschließen, weil jedes Kolloquium und jede neue Publikation noch unbeachtete Aspekte aufwirft.
Mir gefällt das Buch außerordentlich, weil die Autorin unverblümt über die derzeitige Uni-Welt berichtet. Sowohl Kuriositäten als auch Negativentwicklungen werden beim Namen genannt. Das, was man als Student nicht auszusprechen wagte, kommt endlich einmal zur Sprache.