Mit der neuen Musterfeststellungsklagekönnen Verfahren gebündelt werden. Die Voraussetzungen für die neue Klageart waren hoch umstritten, die §§ 606-614 extra für diese Klageart neu gefasst. Das neue Recht muss ohne Schonfrist angewandt werden, worauf sich Anwaltschaft, Gerichte und Verbände einzustellen haben.Das Praxishandbuch Musterfeststellungsklageschafft Orientierung im neuen Recht. Schritt für Schritt erläutert es die vielfältigen Probleme und Fallkonstellationen der neuen Klageart:Wer ist klagebefugt, wer zuständig?Nach welchen Regeln erfolgt die Durchführung des Musterverfahrens?Was bedeutet die gestufte Rechtsdurchsetzung (1. Musterfeststellungsklage, 2. Individualprozess) für den strategischen Umgang mit der neuen Klageart, insbesondere für die Verteidigung der beklagten Unternehmen?Wie erfolgt die "richtige" Umsetzung im Prozess, wie ist das Verhältnis zu den bestehenden Verfahrensregeln (Streitverkündung, ....)?Was erwächst wann in Rechtskraft, wer kann sich auf die Ergebnisse berufen? Befugten Organisationen, Rechtsanwälten, Syndikusanwälten, Richterinnen und Richterhilft das Handbuch, die neue Klageart im Prozess anzuwenden.Schaubilder,Musterformulierungen undstrategische Entscheidungshilfenermöglichen den direkten Einstieg und praxistaugliche Lösungen.Herausgeber und Autorenverfügen über langjährige Prozesserfahrung in kollektiven Rechtsstreitigkeiten, insbesondere mit dem KapMuG sowie aus Sammel-, Gruppen- und Musterklagen im Ausland sowie komplexen Massenverfahren in Deutschland.Dr. Christian Nordholtz, M.Jur. (Oxford), Rechtsanwalt, Hannover; Dr. Martin Mekat, M.Jur. (Oxford), Rechtsanwalt, Frankfurt/M.; Dr. Eike Bleckwenn, LL.M. (Georgetown), Rechtsanwalt in Hannover Dr. Stephan Boese, LL.M. oec., Rechtsanwalt und Notar in Braunschweig Dr. Martina de Lind van Wijngaarden, LL.M. (Columbia), Rechtsanwältin in Frankfurt am Main Dr. Ilka Heigl, Rechtsanwältin und Notarin in Frankfurt am Main Dr. Roman Mallmann, Rechtsanwalt in Düsseldorf Larissa Normann, Rechtsanwältin in Frankfurt am Main; Dr. Michael Rohls, LL.M. (Berkeley), Rechtsanwalt in München Dr. Bettina Schmaltz, Rechtsanwältin in Frankfurt am Main Dr. Hans-Patrick Schroeder, M.L.E., Rechtsanwalt in Hamburg
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2019Bedeutsam für Verbraucher
Ein Praxishandbuch zur Musterfeststellungsklage
Unter großer medialer Resonanz ist am 1. November 2018 das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage in Kraft getreten. Mit der neuen Klageart will der Gesetzgeber Verbrauchern ein wirksames Instrument zur kollektiven Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung stellen. Erklärtes Ziel der Gesetzesinitiative war es dabei insbesondere, die drohende Verjährung etwaiger Ansprüche zum Jahresende der von der Abgasthematik betroffenen Verbraucher zu hemmen.
Die neue Klageart soll insbesondere die rechtliche Bewältigung von sogenannten Masseschäden erleichtern. Derartige Schäden können insbesondere im Wirtschaftsverkehr entstehen, da sich pflichtwidriges Unternehmerhandeln nicht selten gegenüber einer Vielzahl von Verbrauchern auswirkt. Angesichts der oft nur geringen Schäden und des Prozessrisikos scheuen sich viele Verbraucher, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Diesem "rationalen Desinteresse" an der Anspruchsdurchsetzung soll mit der Musterfeststellungsklage begegnet werden.
Wie bei jeder umfassenderen Gesetzesnovellierung stellen sich für die Praxis zahlreiche Fragen. Denn der Umgang mit der neuen Klageart muss zunächst sowohl auf Seiten der Rechtsanwaltschaft als auch auf Seiten der Gerichte erprobt werden.
Hilfe beim Umgang mit der Musterfeststellungsklage verspricht das von Christian Nordholtz und Martin Mekat herausgegebene Praxishandbuch. Zusammen mit national und international erfahrenen Prozessanwälten aus zwei namhaften Sozietäten haben es sich die Herausgeber zur Aufgabe gemacht, die neuen gesetzlichen Regelungen umfassend aufzuarbeiten und eine erste Orientierungshilfe für den praktischen Umgang mit der neuen Klageart zu geben. Obwohl von der Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage bis zu dessen Inkrafttreten kaum mehr als vier Monate vergangen sind, ist es den Autoren gelungen, sowohl das neue Prozessinstrument als auch die erwarteten Schwierigkeiten bei der Umsetzung vertieft zu analysieren und bereits Lösungsansätze zu diskutieren. Dies ist - trotz der langjährigen Praxiserfahrung der Autoren - durchaus beachtlich.
In der Praxis dürfte beispielsweise die Klagebefugnis besonders bedeutsam werden. Wer darf überhaupt als Kläger auftreten? Verbraucher dürfen nach der Konzeption des Gesetzes nicht selbst klagen. Vielmehr steht die Möglichkeit einer Klageerhebung allein sogenannten qualifizierten Einrichtungen zu. Dabei handelt es sich um unabhängige Verbände, welche satzungsmäßig die Wahrung der Verbraucherinteressen zum Ziel haben müssen.
Inhaltlich wird der Leser chronologisch durch die verschiedenen Verfahrensabschnitte des Musterfeststellungsprozesses geführt. So werden zunächst die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen beleuchtet. Anschließend wenden sich die Autoren den sogenannten Feststellungszielen zu. Die Feststellungsziele im Musterprozess sind von besonderer Bedeutung. Für den Verbraucher dürfen aus dem Musterfeststellungsurteil keine unmittelbaren Leistungsansprüche erwachsen. Vielmehr werden lediglich tatsächliche und rechtliche Feststellungen getroffen, die in einem möglichen Folgeprozess des Verbrauchers dann zugrunde zu legen sind.
Die Feststellungen des Musterurteils entfalten dabei jedoch nur dann Bindungswirkung für den Folgeprozess, wenn der Verbraucher seine Ansprüche zuvor wirksam zum Klageregister angemeldet hat, das vom Bundesamt für Justiz geführt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der Anmeldung zum Klageregister können zahlreiche Probleme auftreten, welche die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers erschweren können. Diese Fragestellungen erörtern die Autoren detailliert und praxisnah.
Weitere Kernelemente des Werks sind die Kapitel zu den Beendigungsmöglichkeiten des Musterfeststellungsverfahrens. Endet ein Musterverfahren durch Urteil oder durch einen Vergleich, wird die Bindungswirkung des Musterprozesses für die Verbraucher bedeutsam. Ob das von dem Gesetzgeber gewählte zweigliedrige Verfahren allerdings die beabsichtigte zügige Umsetzung von Ansprüchen ermöglicht, wird die Praxis zeigen müssen. Aufgrund der Komplexität der Musterverfahren ist zu erwarten, dass sich diese lange hinziehen werden; eine Revision zum Bundesgerichtshof ist möglich. Auch das vom Gesetzgeber präferierte Konzept eines Mustervergleichs ist nicht unproblematisch. Nach der gerichtlichen Genehmigung des Vergleichs steht jedem angemeldeten Verbraucher ein Austrittsrecht zu. Falls mehr als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher wirksam ihren Austritt erklären, muss das Gericht die Unwirksamkeit des gesamten Vergleichs feststellen. Hierdurch ist für das beklagte Unternehmen nicht absehbar, ob ein mit dem klagenden Verband ausgehandelter und gerichtlich genehmigter Vergleich tatsächlich zu einer umfassenden Beilegung des Rechtsstreits führt.
Abschließend diskutieren die Autoren Kostenaspekte, die für die Verbraucher große Bedeutung haben. Hierzu zählen etwa Vorleistungspflichten, Schwierigkeiten der anwaltlichen Vergütung und die Prozessfinanzierung im Allgemeinen. Am Ende stellen die Autoren zahlreiche Musterformulare zur Verfügung, die bei der Erstellung der wichtigsten Schriftsätze und Entscheidungen von großer Hilfe sein werden. Insgesamt bietet das derzeit wohl umfassendste Werk zur Musterfeststellungsklage schon in seiner ersten Auflage eine gut aufbereitete und praxisnahe Orientierungshilfe. Auch wenn das vorliegende Werk als Praxishandbuch für beratende Rechtsanwälte konzipiert worden ist, finden sich an vielen Stellen knappe und präzise Erörterungen, die auch für andere Rechtsanwender, am Verfahren interessierte Verbände, Verbraucher oder potentiell betroffene Unternehmen nützlich sind.
STEPHAN BAUSCH
Christian Nordholtz & Martin Mekat: Musterfeststellungsklage: Einführung. Beratung Gestaltung. Nomos Verlag. Baden-Baden 2018. 313 Seiten. 68 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Praxishandbuch zur Musterfeststellungsklage
Unter großer medialer Resonanz ist am 1. November 2018 das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage in Kraft getreten. Mit der neuen Klageart will der Gesetzgeber Verbrauchern ein wirksames Instrument zur kollektiven Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung stellen. Erklärtes Ziel der Gesetzesinitiative war es dabei insbesondere, die drohende Verjährung etwaiger Ansprüche zum Jahresende der von der Abgasthematik betroffenen Verbraucher zu hemmen.
Die neue Klageart soll insbesondere die rechtliche Bewältigung von sogenannten Masseschäden erleichtern. Derartige Schäden können insbesondere im Wirtschaftsverkehr entstehen, da sich pflichtwidriges Unternehmerhandeln nicht selten gegenüber einer Vielzahl von Verbrauchern auswirkt. Angesichts der oft nur geringen Schäden und des Prozessrisikos scheuen sich viele Verbraucher, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Diesem "rationalen Desinteresse" an der Anspruchsdurchsetzung soll mit der Musterfeststellungsklage begegnet werden.
Wie bei jeder umfassenderen Gesetzesnovellierung stellen sich für die Praxis zahlreiche Fragen. Denn der Umgang mit der neuen Klageart muss zunächst sowohl auf Seiten der Rechtsanwaltschaft als auch auf Seiten der Gerichte erprobt werden.
Hilfe beim Umgang mit der Musterfeststellungsklage verspricht das von Christian Nordholtz und Martin Mekat herausgegebene Praxishandbuch. Zusammen mit national und international erfahrenen Prozessanwälten aus zwei namhaften Sozietäten haben es sich die Herausgeber zur Aufgabe gemacht, die neuen gesetzlichen Regelungen umfassend aufzuarbeiten und eine erste Orientierungshilfe für den praktischen Umgang mit der neuen Klageart zu geben. Obwohl von der Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage bis zu dessen Inkrafttreten kaum mehr als vier Monate vergangen sind, ist es den Autoren gelungen, sowohl das neue Prozessinstrument als auch die erwarteten Schwierigkeiten bei der Umsetzung vertieft zu analysieren und bereits Lösungsansätze zu diskutieren. Dies ist - trotz der langjährigen Praxiserfahrung der Autoren - durchaus beachtlich.
In der Praxis dürfte beispielsweise die Klagebefugnis besonders bedeutsam werden. Wer darf überhaupt als Kläger auftreten? Verbraucher dürfen nach der Konzeption des Gesetzes nicht selbst klagen. Vielmehr steht die Möglichkeit einer Klageerhebung allein sogenannten qualifizierten Einrichtungen zu. Dabei handelt es sich um unabhängige Verbände, welche satzungsmäßig die Wahrung der Verbraucherinteressen zum Ziel haben müssen.
Inhaltlich wird der Leser chronologisch durch die verschiedenen Verfahrensabschnitte des Musterfeststellungsprozesses geführt. So werden zunächst die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen beleuchtet. Anschließend wenden sich die Autoren den sogenannten Feststellungszielen zu. Die Feststellungsziele im Musterprozess sind von besonderer Bedeutung. Für den Verbraucher dürfen aus dem Musterfeststellungsurteil keine unmittelbaren Leistungsansprüche erwachsen. Vielmehr werden lediglich tatsächliche und rechtliche Feststellungen getroffen, die in einem möglichen Folgeprozess des Verbrauchers dann zugrunde zu legen sind.
Die Feststellungen des Musterurteils entfalten dabei jedoch nur dann Bindungswirkung für den Folgeprozess, wenn der Verbraucher seine Ansprüche zuvor wirksam zum Klageregister angemeldet hat, das vom Bundesamt für Justiz geführt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der Anmeldung zum Klageregister können zahlreiche Probleme auftreten, welche die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers erschweren können. Diese Fragestellungen erörtern die Autoren detailliert und praxisnah.
Weitere Kernelemente des Werks sind die Kapitel zu den Beendigungsmöglichkeiten des Musterfeststellungsverfahrens. Endet ein Musterverfahren durch Urteil oder durch einen Vergleich, wird die Bindungswirkung des Musterprozesses für die Verbraucher bedeutsam. Ob das von dem Gesetzgeber gewählte zweigliedrige Verfahren allerdings die beabsichtigte zügige Umsetzung von Ansprüchen ermöglicht, wird die Praxis zeigen müssen. Aufgrund der Komplexität der Musterverfahren ist zu erwarten, dass sich diese lange hinziehen werden; eine Revision zum Bundesgerichtshof ist möglich. Auch das vom Gesetzgeber präferierte Konzept eines Mustervergleichs ist nicht unproblematisch. Nach der gerichtlichen Genehmigung des Vergleichs steht jedem angemeldeten Verbraucher ein Austrittsrecht zu. Falls mehr als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher wirksam ihren Austritt erklären, muss das Gericht die Unwirksamkeit des gesamten Vergleichs feststellen. Hierdurch ist für das beklagte Unternehmen nicht absehbar, ob ein mit dem klagenden Verband ausgehandelter und gerichtlich genehmigter Vergleich tatsächlich zu einer umfassenden Beilegung des Rechtsstreits führt.
Abschließend diskutieren die Autoren Kostenaspekte, die für die Verbraucher große Bedeutung haben. Hierzu zählen etwa Vorleistungspflichten, Schwierigkeiten der anwaltlichen Vergütung und die Prozessfinanzierung im Allgemeinen. Am Ende stellen die Autoren zahlreiche Musterformulare zur Verfügung, die bei der Erstellung der wichtigsten Schriftsätze und Entscheidungen von großer Hilfe sein werden. Insgesamt bietet das derzeit wohl umfassendste Werk zur Musterfeststellungsklage schon in seiner ersten Auflage eine gut aufbereitete und praxisnahe Orientierungshilfe. Auch wenn das vorliegende Werk als Praxishandbuch für beratende Rechtsanwälte konzipiert worden ist, finden sich an vielen Stellen knappe und präzise Erörterungen, die auch für andere Rechtsanwender, am Verfahren interessierte Verbände, Verbraucher oder potentiell betroffene Unternehmen nützlich sind.
STEPHAN BAUSCH
Christian Nordholtz & Martin Mekat: Musterfeststellungsklage: Einführung. Beratung Gestaltung. Nomos Verlag. Baden-Baden 2018. 313 Seiten. 68 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main