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Produktbeschreibung
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Autorenporträt
Klaus Mühlhahn, Jahrgang 1963, studierte Sinologie, Theaterwissenschaften, Literatur und Geschichte in Berlin und Taipeh. Er ist Professor für Chinesische Geschichte der Gegenwart an der Universität Turku, Finnland und Direktor des dortigen Centre for East Asian Studies. Arbeitsschwerpunkte: Sozial- und Kulturgeschichte des modernen China, interkulturelle Beziehungen sowie die Geschichte der Rechtsstrafen und der Kriminaljustiz in China.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.1997

Musterkolonie des Kaiserreichs
Eine Quellenedition zur deutschen Expansion in China

Mechthild Leutner (Herausgeber): "Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Bearbeitetvon Klaus Mühlhahn. Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesichen Beziehungen 1897 bis 1995. Akademie Verlag, Berlin 1997. 568 Seiten, 198,- Mark.

"Man weiß bei uns viel zu wenig von China, und man hat viel zu wenig eine Vorstellung davon, was jetzt in China geschieht, von welcher weltgeschichtlichen Wichtigkeit der Vorgang der Modernisierung Chinas ist und wie tiefgreifend schon in naher Zukunft die Folgen der Beteiligung oder Nichtbeteiligung an diesem Prozeß für jedes der westlichen Völker sein werden." Dieses Diktum des Kolonialpublizisten Paul Rohrbach aus dem Jahre 1909 scheint ungebrochen aktuell, denn der Koloß im Fernen Osten gilt als kommende Supermacht des 21. Jahrhunderts. Da kann ein Blick zurück auf deutsch-chinesische Wegstrecken nützlich sein. Rechtzeitig zum 100. Jahrestag der Besetzung der Bucht von Kiautschou am 14. November erschien der erste Band einer Quellenedition über die deutsch-chinesischen Beziehungen von 1897 bis 1995. Das Einstiegsjahr 1897 ist sinnvoll gewählt, stellen doch Vorgeschichte und Erwerb von Kiautschou, die den Schwerpunkt des ersten Bandes bilden, den Auftakt einer gemeinsamen Geschichte dar, die von Haß und Gewalt, aber auch Annäherung und Verständigung geprägt ist. Die Idee, einen deutschen Stützpunkt in China zu erwerben, läßt sich bis in das Jahr 1860 zurückverfolgen, als die Preußische Ostasienexpedition unter der Leitung des späteren preußischen Innenministers Friedrich Graf zu Eulenburg (1815-1881) die Küste Chinas erforschte. Aber erst die militärische Schwächung Chinas durch den chinesisch-japanischen Krieg 1894/1895 und der von Kaiser Wilhelm II. eingeschlagene "Neue Kurs" in der deutschen Außenpolitik ermöglichten die Verwirklichung des ehrgeizigen Vorhabens.

Nachdem man sich im Auswärtigen Amt 1896 für die Besetzung der Bucht von Kiautschou entschieden hatte, fehlte nur noch ein geeigneter Vorwand. Den fand man in der Ermordung zweier Mitglieder der Steyler Missionsgesellschaft am 2. November 1897. Der Kaiser zeigte sich sofort entschlossen, "mit brutalster Rücksichtslosigkeit den Chinesen gegenüber" vorzugehen.

Am 14. November 1897 besetzte ein deutsches Marinecorps unter dem Kommando des Admirals Otto von Diederichs handstreichartig die Bucht von Kiautschou mit der Hafenstadt Tsingtau. Im Staatsvertrag vom 6. März 1898 mußte China ein 550 Quadratkilometer großes Gebiet um die Bucht für 99 Jahre an das Deutsche Reich verpachten und eine "Neutrale Zone" im Umkreis von 50 Kilometer zugestehen, innerhalb derer die chinesische Regierung keine Hoheitsrechte ausüben durfte. Damit war der Wechsel zur aktiven deutschen "Weltpolitik" vollzogen, das Reich besaß nun auch seinen "Platz an der Sonne".

Administrativ unterstellt wurde die Kolonie dem Reichsmarineamt unter Staatssekretär Alfred von Tirpitz, der seine "Musterkolonie" zu einem Handelszentrum ausbauen wollte. Kiautschou besaß nicht nur eine ausgezeichnete medizinische Versorgung für die Kolonialbeamten; um die hygienischen Verhältnisse für die Weißen zu verbessern, wurden 1898 sechs chinesische Dörfer zugunsten der neuen Europäerstadt dem Erdboden gleichgemacht. Darüber hinaus verfügte Kiautschou mit der 1909 gegründeten Deutsch-Chinesischen Hochschule über die erste und einzige koloniale Universität des Deutschen Reiches.

Dennoch ließen sich die ehrgeizigen Pläne des Staatssekretärs Tirpitz nicht verwirklichen: Die Steinkohlefelder von Shantung sollten durch die 1899 gegründete Shantung-Bergbaugesellschaft erschlossen und durch eine Bahnlinie mit der Stadt Tsingtau verbunden werden. Treibende Kraft des Unternehmens war der (in diesem Band unerwähnte) Berliner Kommerzienrat Adolph von Hansemann, Mitglied des Kolonialrates und einer der einflußreichsten Bankiers des Kaiserreiches, der sich bereits 1889 durch die Gründung der Deutsch-Asiatischen Bank mit Sitz in Shanghai einen Platz im lukrativen China-Geschäft gesichert hatte. Es zeigte sich aber, daß die angebohrten Flöze durch Porphyriteinschlüsse verunreinigt waren und die gewonnene Kohle wegen ihrer geringen Heizkraft und der hohen Ascherückstände weder für die Eisenbahn noch für Dampfer verwendet werden konnte. Auch der Handel blieb wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung weit hinter den Erwartungen zurück. So konnten einzelne Großunternehmer wie Hansemann zwar satte Gewinne einstreichen, die Kosten der infrastrukturellen Entwicklung Kiautschous trugen aber die Steuerzahler. Über 170 Millionen Mark an Reichszuschüssen mußten bis 1914 in die Kolonie investiert werden.

Zudem regte sich schon bald der Widerstand der chinesischen Bevölkerung gegen die durch den Bahnbau bedingten Zwangsenteignungen, dem zu Recht ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Die Gewaltaktionen mündeten schließlich ein in die große Boxer-Bewegung, die sich gegen alles Fremde und insbesondere gegen die chinesischen Christen richtete und ab 1899 mehrere Nordprovinzen, darunter Shantung, erfaßte. Auffällig ist, wie stiefmütterlich der Boxeraufstand mit nur vier von 147 Dokumenten in der vorliegenden Edition behandelt wurde.

Das verwundert, stellte die Entsendung des alliierten Expeditionskorps unter deutschem Oberbefehl (Alfred Graf von Waldersee) doch die größte seemilitärische Anstrengung des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg dar. Die 35 "Strafkolonien", die Waldersee nach seiner Ankunft gegen die Zivilbevölkerung durchführte, werden zwar kurz angesprochen, aber nicht mit Quellen belegt. Doch lohnenswert und verdienstvoll erscheint die geplante Edition auf jeden Fall, zumal wenn auch in den Folgebänden neben den zum Teil unveröffentlichten deutschen Dokumenten weitere chinesische Quellen erstmals in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht werden. RALPH ERBAR

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