Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Eine große Qualität" haben die Bilderbücherr des verstorbenen Zeichners Wolf Erlbruch: Sie sprechen Kinder wie Erwachsene gleichermaßen an, findet Rezensent Jan Wiele. In diesem Band werden sie kongenial ergänzt durch die Gedichte von Arne Rautenberg, freut sich Wiele angesichts vor allem der "mutlieder", in denen Tiere ihre eigenen Grenzen überwinden. Rauterbergs Gedichte setzen den Bildern - etwa von einem Schweiz, dass sich an Turnübungen versucht - noch eins drauf: "ich sah kühe auf hüpfburgen springen / sah schweine turnen an ringen / und ameisen rodeln im himbeereis / da dacht ich so für mich ganz leis / auch mir kann was gelingen!", zitiert der hingerissene Kritiker und empfiehlt mit dem Duo: "quatsch keine blasen! lass rasen!".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2023Zunge raus und Vogel zeigen!
Ein Mutmachbuch mit Bildern von Wolf Erlbruch, bedichtet von Arne Rautenberg
Beim ersten Blick auf den Titel des vorliegenden Buches wurden sofort Erinnerungen an die frühen Achtzigerjahre wach, nämlich an das "Kindermutmachlied" des evangelischen Pfarrers und Lieddichters Andreas Ebert: "Wenn einer sagt, ich mag dich, du, ich find dich ehrlich gut / Dann krieg ich eine Gänsehaut und auch ein bisschen Mut." Das war gut gemeint, aber irgendwie auch immer ein bisschen peinlich über die Lippen zu bringen; vielleicht fehlte dem Kind auch der Mut, diese ja selbst für viel Ältere schwer auszusprechenden Zeilen laut und in einer Gruppe zu singen.
Als geeignet "für Kinder und alle anderen" werden die Bilderbücher des vor einem Jahr verstorbenen Wolf Erlbruch beworben, und wer das vorliegende aufschlägt oder auch nur das hier abgedruckte Bild daraus betrachtet, begreift sofort, warum Erlbruchs Kunst auch Erwachsenen zugänglich und besonders für diese erheiternd ist, während sie zugleich Kinder anspricht - eine große Qualität.
Was nun die Situationen angeht, in denen Mut benötigt wird, sprechen Erlbruchs Bilder von Tieren in diesem Buch für sich und sind eigentlich nicht ergänzungsbedürftig: Eine Katze küsst einen Hund, ein Schwein versucht sich im Ringturnen, ein Frosch streckt einem Storch die Zunge raus. Umso erstaunlicher, dass es dem Dichter Arne Rautenberg - der seinerseits schon seit Langem große Qualität daran beweist, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene zu dichten - gelungen ist, diese Bilder noch auf das Schönste mit Text zu ergänzen.
Und zwar auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Angesichts des sich zum Turnerstar aufschwingenden Schweins etwa hat Rautenberg ebenfalls ein Mutmachlied gedichtet, aber ein etwas lustigeres. In seiner charakteristischen Kleinschreibung ist es ein "kleines mutlied zum selbersingen" und geht so: "ich sah kühe auf hüpfburgen springen / sah schweine turnen an ringen / und ameisen rodeln im himbeereis / da dacht ich so für mich ganz leis / auch mir kann was gelingen!"
In der Tradition der Figurengedichte steht "schlaf besser nie": Es ist so gesetzt, dass es den Faden einer sich von der Decke abseilenden Spinne nachbildet, Wolf Erlbruchs Kunst also hier nicht nur sprachlich, sondern auch bildlich flankiert. Und angesichts eines waghalsigen Ausflugs von Hase und Eule auf einem Fahrrad hält Arne Rautenberg sich nicht mit langen Versen auf, sondern setzt in jede Zeile nur kurze Ausrufe: "quatsch keine blasen! lass rasen!"
Wenn es dem guten Reim dient, weicht er auch schon mal vom Konzept der Bedichtung der Bilder im strengeren Sinn ab, wie sich bei der Szene eines ungewöhnlichen Boxkampfes zeigt. Bei Erlbruch fordert ein schwerfälliger Hund eine Ente heraus; eine Katze ist Ringrichter. Aber Rautenberg dichtet, einfach weil es super klingt und vielleicht um die Mutprobe noch etwas größer zu machen: "steig zu dem dicksten ochsen / in den ring zum boxen." Er rät: "erst wippen / dann tänzeln / dann tanzen / und immer gerne / zunge raus und vogel zeigen!" Das geht nicht zwangsläufig gut aus, aber immerhin: "bald siehst du sterne! / bald hörst du geigen!" JAN WIELE
Arne Rautenberg, Wolf Erlbruch: "Mut ist was Gutes". Gedichte.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2023. 48 S., Abb., geb.,
14,- Euro. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Mutmachbuch mit Bildern von Wolf Erlbruch, bedichtet von Arne Rautenberg
Beim ersten Blick auf den Titel des vorliegenden Buches wurden sofort Erinnerungen an die frühen Achtzigerjahre wach, nämlich an das "Kindermutmachlied" des evangelischen Pfarrers und Lieddichters Andreas Ebert: "Wenn einer sagt, ich mag dich, du, ich find dich ehrlich gut / Dann krieg ich eine Gänsehaut und auch ein bisschen Mut." Das war gut gemeint, aber irgendwie auch immer ein bisschen peinlich über die Lippen zu bringen; vielleicht fehlte dem Kind auch der Mut, diese ja selbst für viel Ältere schwer auszusprechenden Zeilen laut und in einer Gruppe zu singen.
Als geeignet "für Kinder und alle anderen" werden die Bilderbücher des vor einem Jahr verstorbenen Wolf Erlbruch beworben, und wer das vorliegende aufschlägt oder auch nur das hier abgedruckte Bild daraus betrachtet, begreift sofort, warum Erlbruchs Kunst auch Erwachsenen zugänglich und besonders für diese erheiternd ist, während sie zugleich Kinder anspricht - eine große Qualität.
Was nun die Situationen angeht, in denen Mut benötigt wird, sprechen Erlbruchs Bilder von Tieren in diesem Buch für sich und sind eigentlich nicht ergänzungsbedürftig: Eine Katze küsst einen Hund, ein Schwein versucht sich im Ringturnen, ein Frosch streckt einem Storch die Zunge raus. Umso erstaunlicher, dass es dem Dichter Arne Rautenberg - der seinerseits schon seit Langem große Qualität daran beweist, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene zu dichten - gelungen ist, diese Bilder noch auf das Schönste mit Text zu ergänzen.
Und zwar auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Angesichts des sich zum Turnerstar aufschwingenden Schweins etwa hat Rautenberg ebenfalls ein Mutmachlied gedichtet, aber ein etwas lustigeres. In seiner charakteristischen Kleinschreibung ist es ein "kleines mutlied zum selbersingen" und geht so: "ich sah kühe auf hüpfburgen springen / sah schweine turnen an ringen / und ameisen rodeln im himbeereis / da dacht ich so für mich ganz leis / auch mir kann was gelingen!"
In der Tradition der Figurengedichte steht "schlaf besser nie": Es ist so gesetzt, dass es den Faden einer sich von der Decke abseilenden Spinne nachbildet, Wolf Erlbruchs Kunst also hier nicht nur sprachlich, sondern auch bildlich flankiert. Und angesichts eines waghalsigen Ausflugs von Hase und Eule auf einem Fahrrad hält Arne Rautenberg sich nicht mit langen Versen auf, sondern setzt in jede Zeile nur kurze Ausrufe: "quatsch keine blasen! lass rasen!"
Wenn es dem guten Reim dient, weicht er auch schon mal vom Konzept der Bedichtung der Bilder im strengeren Sinn ab, wie sich bei der Szene eines ungewöhnlichen Boxkampfes zeigt. Bei Erlbruch fordert ein schwerfälliger Hund eine Ente heraus; eine Katze ist Ringrichter. Aber Rautenberg dichtet, einfach weil es super klingt und vielleicht um die Mutprobe noch etwas größer zu machen: "steig zu dem dicksten ochsen / in den ring zum boxen." Er rät: "erst wippen / dann tänzeln / dann tanzen / und immer gerne / zunge raus und vogel zeigen!" Das geht nicht zwangsläufig gut aus, aber immerhin: "bald siehst du sterne! / bald hörst du geigen!" JAN WIELE
Arne Rautenberg, Wolf Erlbruch: "Mut ist was Gutes". Gedichte.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2023. 48 S., Abb., geb.,
14,- Euro. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main