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Was ist eine Muttersprache, bei Tag besehen? Oder im Tagelied? In Tradition? In durchwachter Nacht am Kinderbett? Oder wenn sie wechseln geht, wickeln geht, lauter Aufgaben vollführt, die das Gedicht oder das Ich unterbrechen - ist sie dann eine aufgebrochene, stotternde Sprache? Die sich selbst verwechselt und verdoppelt? Und darum nie mit sich allein ist, immer Platz für andere hat? Uljana Wolfs neue Gedichte lauschen auf die Auflösungserscheinungen der Sprache im Murmeln (engl. mutter) einer schimmernden Vielheit. Statt Sprachverlust besingen sie mit Zartheit und Witz die Durchlässigkeit…mehr

Produktbeschreibung
Was ist eine Muttersprache, bei Tag besehen? Oder im Tagelied? In Tradition? In durchwachter Nacht am Kinderbett? Oder wenn sie wechseln geht, wickeln geht, lauter Aufgaben vollführt, die das Gedicht oder das Ich unterbrechen - ist sie dann eine aufgebrochene, stotternde Sprache? Die sich selbst verwechselt und verdoppelt? Und darum nie mit sich allein ist, immer Platz für andere hat? Uljana Wolfs neue Gedichte lauschen auf die Auflösungserscheinungen der Sprache im Murmeln (engl. mutter) einer schimmernden Vielheit. Statt Sprachverlust besingen sie mit Zartheit und Witz die Durchlässigkeit konstruierter Grenzen oder Körper. Sie lassen aus Lallphasen neue Fügungen wachsen, halluzinieren Lautverwandtschaften von mutter zu modder zu motten, von Madrigal zu Madregal, von muttertask zu mutatas. So hinterfragt Wolf auch Muttermythen oder Ursprungssehnsüchte, die im Fixieren auf Grenzen andere(s) ausschließen. Medea taucht an Europas Außengrenzen in Camp Corinth auf. Hölderlins entgrenzendes Seefahrerfragment Colomb wird entlang der Transkription der fließenden Handschrift mit "Flistbustiers" neu eingekleidet. Die Westernheldin Calamity Jane, unechte Mutter, verfranst sich in Erasure-Gedichten mit ihrer fakenden Tochter. Wolfs Task in diesem lang erwarteten neuen Gedichtband: mit verwandelnder Klangkunst Worte finden für unsere lebensweltlichen Gemengelagen.
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Autorenporträt
Uljana Wolf, Lyrikerin und Übersetzerin, geboren 1979 in Berlin, studierte Germanistik und Kulturwissenschaft in Berlin und Krakau. Zuletzt veröffentlichte sie im Verlag kookbooks den Gedichtband meine schönste lengevitch (2013) und den Essayband Etymologischer Gossip (2021), der 2022 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik ausgezeichnet wurde. Sie übersetzte zahlreiche Lyriker:innen ins Deutsche, u.a. Valzhyna Mort (gemeinsam mit Katharina Narbutovic), Christian Hawkey (gemeinsam mit Steffen Popp), Eugene Ostashevsky (gemeinsam mit Monika Rinck), Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki (gemeinsam mit Michael Zgodzay), Erín Moure und zuletzt Don Mee Choi (DMZ Kolonie, Spector Books /Volte Expanded 2023). Im Wintersemester 2019 hatte sie die August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der FU Berlin inne und im Mai 2022 kuratierte sie das internationale Literaturfestival Poetica VI in Köln. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und unterrichtet Seminare zu Übersetzung und Lyrik u.a. am Institut für Sprachkunst, Wien und dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Wolfs lyrisches und übersetzerisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, so mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis 2016, dem Kunstpreis Berlin 2019 und dem Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie 2019 und 2021.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Rezensent Guido Graf verfolgt im fünften Gedichtband von Uljana Wolf mit Vergnügen, wie die Autorin das Thema Mutterschaft sprachlich und poetisch auslotet. Dass die Sprache in Wolfs Gedichten "ein Eigenleben führt", ist ihm schon aus ihren vorhergehenden Büchern geläufig, aber wie die Dichterin hier mit "ungekannter Durchlässigkeit" unter anderem das intime Verhältnis von Mutter und Tochter sprachlich verarbeitet, kann ihn aufs Neue begeistern. Aus verwandten Wörtern schafft Wolf ganz neue Begriffe und Zusammenhänge, so Graf, aus der "mother mask", einer Erfindung der amerikanischen Dichterin Alice Notley, wird der "mother task", dann "mutata" (was ungefähr "den Verwandelten" bedeutet, weiß Graf) und später die "matrjoschkas". Die Verwandlung von sowohl (Mutter)Körper als auch Beziehung wird von einer sich auflösenden Sprache begleitet, so der Kritiker: "wie heißt die zärtlichkeit, die sich vergisst: / mutatas? muttertask? die ist immerhin unverzippbar." Melancholie und Witz scheinen hier immer wieder durch, freut sich Graf und kann diesen Band über die "kleinen und großen Schmerzen", die die Suche nach Identität als Tochter und Mutter mit sich bringt, nur empfehlen.

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