Der ferne Osten ist nähergerückt: Das Denken östlicher Kulturen übt auf die westlichen Gesellschaften heutzutage eine größere Faszination aus als jemals zuvor, und Reisen in östliche Länder sind die zeitgenössische Variante der Europareisen junger Intellektueller des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter all den Publikationen, die uns westlich Geprägten die alten und komplexen Kulturen des Ostens verständlich machen wollen, hebt sich Mystizismus und Moralität in ungewöhnlicher Weise heraus. Arthur C. Danto begegnet östlichen Philosophen mit Anerkennung und Wertschätzung, aber auch mit einer kritischen Skepsis. Auf der Grundlage einer Analyse der Lehren des Buddhismus, Hinduismus und Taoismus entwickelt er die These einer grundsätzlichen Differenz zwischen West und Ost, die sich in der Vorstellung vom Individuum zeigt. In östlichen Kulturen wird das Individuum stets im Kontext des Universums betrachtet, während im Westen das Konzept des Individuums vor allem die Verbindung zwischen diesen "Unteilbaren" meint, die Beziehungen zwischen den einzelnen Menschen. In prägnant und überzeugend argumentierter Weise legt Danto dar, daß wir die östliche philosophische Perspektive zwar verstehen, sie aber nie zu unserer eigenen machen können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2000Punkt, Punkt, Punkt, Strich, Strich, Strich
Fertig ist das Erdgesicht: Arthur C. Danto konstruiert sich die Welt aus drei philosophischen Grundelementen
Arthur C. Danto malt ein kleines Dreieck, an dessen Eckpunkte er dann "Subjekt", "Repräsentationen" und "Welt" schreibt. Die Grundarchitektur allen Erkennens und der Philosophie überhaupt lässt sich im Wesentlichen auf diese Figur zurückführen - so die These des 1926 geborenen amerikanischen Philosophen, nachzulesen in der Einleitung seines jetzt in ein sehr merkwürdiges Deutsch übersetzten Buches "Wege zur Welt" von 1989. Diese Struktur ist nach Danto von den verschiedenen Philosophen in recht unterschiedlicher Weise ausgestaltet worden: Idealisten wie etwa Merkeley betonen das Subjekt und seine Repräsentationen und vergessen darüber die Welt, der Commonsense-Realismus gleicht dagegen die Repräsentationen beziehungsweise die Erscheinungen so sehr den Objekten der Welt an, dass auch hier das Dreieck eines seiner Eckchen verliert, und Jean-Paul Sartre tilgt mit seinem TippEx-Existentialismus gar das Subjekt.
Besonders schwierig ist nun das Geschäft der Philosophie deswegen, weil sie im Unterschied zu den anderen Wissenschaften nicht nur einen ihr externen Gegenstandsbereich klären muss, sondern auch sich selbst als entscheidenden Teil dieser Wirklichkeit und des Erkennens. Sie muss sich selbst begreifen - und das heißt die Grundkategorien ermitteln, die das Denken voraussetzen muss, die es nicht bestreiten kann, ohne sich selbst zu widersprechen. Ihr bleibt daher nichts anderes übrig als anzunehmen, dass "die Struktur des Verstehens in jedem Universum gleich sein muss". Diese bei Danto leider nicht weiter ausgelotete tiefe Einsicht stellt zugleich einen Tiefpunkt der schlampigen Übersetzung der jetzt im Fink Verlag erschienenen deutschen Ausgabe dar: Wo Danto schreibt, dass jeder philosophische Versuch, die Philosophie zu verabschieden, zirkulär, da ja selbst philosophisch sei, gebraucht er die Metapher von den philosophischen Leichenbeschauern, die bei ihrer Autopsie die tot geglaubte Philosophie immer wieder (durch ihr eigenes philosophisches Vorgehen) "auferwecken". Dantos bildreiche Sprache lässt den gleichsam metaphysischen Schauder spüren, den die Unhintergehbarkeit des Denkens auslösen kann. Der arme deutsche Leser wird aber nicht Zeuge dieses ständigen Wunders, sondern damit abgespeist, dass diese Leichenbeschauer den Toten "ausgraben" - und wie sonst sollen sie denn ihrem traurigen Handwerk nachgehen?
Schauen wir, wie Danto seine Gedanken, die zugleich eine Einführung in die Philosophie überhaupt darstellen, weiter entfaltet. In einem zweiten Teil geht es um das "Verstehen": Was sind die Repräsentationen, diese Vehikel des Verstehens, und wie kommen wir zu ihnen? Und, was damit engstens zusammenhängt, was kann es heißen, dass diese wahr sind? Ein philosophischer Optimismus, der annimmt, dass wir zu einem sicheren System von Aussagen kommen können, ist für Danto unhaltbar. Zwar sieht er die Unausweichlichkeit der Einsicht Descartes', dass sich das Subjekt selbst immer denken müsse, gerade auch in dem Moment, in dem es sich selbst bezweifelt, aber auf diesen ortlosen Fels lasse sich kein Verstehen der Welt errichten - geschweige denn auf den Erfahrungen der Gegenstandswelt. Stattdessen können wir zu verschiedenen Bündeln von Annahmen kommen, von denen wir nur weitgehend Kohärenz und Funktionstüchtigkeit für diese Welt fordern. Damit sind die zwei Bereiche benannt, die Danto an der analytischen Philosophie kritisiert, sosehr er sich ihr zugehörig weiß: Weder darf eine Sprachanalyse sich versucht fühlen, die Philosophie zu überwinden, noch dem eitlen Wahn erliegen, ideale Sprachen für eine wissenschaftliche Welterfassung konstruieren zu können.
Eng mit dem Verstehen hängt das Wissen zusammen, so dass es etwas überrascht, wenn Danto dies in einem getrennten dritten Teil behandelt. Aber es geht hier eigentlich um Fragen der Ontologie, das heißt darum, was denn die Welt nun eigentlich ist: etwa Materie oder etwas Geistiges. Wie können wir wissen, ob eine ontologische Deutung unserer Repräsentationen angemessener als eine andere ist? Wir können es nicht, schreibt Danto: Die Welt an sich bleibt unergründlich. "Welt" heißt dann auch der vierte und letzte Teil des Buches, in welchem nun vor allem die dritte Seite des Dreiecks, die Beziehung zwischen Subjekt und Welt, zur Sprache kommt. Vor allem geht es um das Leib-Seele-Problem: Wie passen diese zwei einander so fremd erscheinenden Bereiche, das Denken und die physikalische Realität - das Gehirn -, zueinander? Dantos Antwort knüpft an die Ergebnisse der evolutionären Erkenntnistheorie an: Die Fähigkeit, andere Teile der Wirklichkeit zu repräsentieren, bilde sich im Selektionsgeschehen heraus - es gebe also zwei Arten von Materie, schreibt Danto: eine, welche anderes repräsentiert, und eine, die das nicht vermag. Die weitere Fähigkeit, Repräsentationen zu repräsentieren - und das heißt Bewusstsein und Selbstbewusstsein zu haben -, finde sich beim Menschen als Höhepunkt dieser Entwicklung; er besteht "aus einer ganzen Zahl solcher aufeinander bezogener Systeme".
Diese Wirklichkeit nimmt Danto ernst - sie ist nicht bloßes Nebenprodukt, sondern in sich sinnvoll strukturiert, ja "auf den Prinzipien verfasster Texte aufgebaut, auf denen Fleisch gewordener Wörter". Das ist ein schönes Bild wie manches andere, das Danto zum Leib-Seele-Problem findet, aber doch eben nur eine Metapher. Seine Lösung ist in weiten Teilen nur programmatisch. Danto traut seinem Dreieck, vor allem der Ecke "Repräsentation", zu viel zu, wenn er das Subjekt auf diese Weise schon erklärt zu haben meint. Auch andere klassische Fragen werden zu leicht genommen, vor allem die praktische Philosophie, welche Danto im zweiten Teil des Buches behandelt. Die kaum berücksichtigte Subjekt-Subjekt-Beziehung oder die Intersubjektivität sind nicht so einfach als Repräsentationen zu erfassen. Ist das Begreifen eines anderen Menschen die Repräsentation einer Repräsentation einer Repräsentation? Aber auch wenn das Grundmodell hier an seine Grenzen stößt, schmälert dies nicht den eigentümlichen Reiz von Dantos Versuch, mit einem kleinen Dreieck die große Philosophie zu erfassen.
Dass die Betonung von Repräsentationen auch für die Ethik wichtig ist, zeigt Danto in seiner kürzeren, ebenfalls in diesem Jahr erstmals (aber sprachlich wesentlich sensibler) ins Deutsche übersetzten Schrift "Mystik und Moral" von 1988. Entstanden als späte Antwort auf die seit den fünfziger Jahren in den Vereinigten Staaten auflebende Begeisterung für den östlichen Weg, man denke an die vielen in sich versunkenen Motorradfahrer der siebziger Jahre, wendet dieses Buch die scharfen Instrumente analytischen Denkens auf östliche Philosophien und Weisheitslehren an. Vor allem geht es Danto darum, ob wir, das heißt Menschen des westlichen Kulturkreises, von Lebenseinstellungen, wie sie sich im Buddhismus, Hinduismus und Taoismus ausdrücken, etwas lernen und übernehmen können - und ob wir es überhaupt sollten. Nun kommt es auch bei der Ethik, so Danto in einer der eigentlichen Auseinandersetzung vorangestellten Analyse, auf Repräsentationen an: Praktische Regeln und Ideale sind nicht zu trennen von theoretischen Annahmen über die Wirklichkeit.
Vor allem was die Natur des Subjekts betrifft, begegnen uns im Fernen Osten erheblich abweichende Vorstellungen. Alle Unterschiede sind eigentlich - ein Gedanke, der Schopenhauer als die tiefste Einsicht des Ostens erschien - nur scheinbar. Es gilt, den Schleier der Maya auch von unserem eigenen Gesicht zu ziehen und zu erkennen, dass das eigenständige Subjekt gleichfalls eine Illusion ist. Dass solche Gedanken für den so oft unter manischer Ichschwere stöhnenden Okzidentalen einen lieblichen Duft ausströmen, kann nicht überraschen. Aber Danto will bei seiner überaus kenntnisreichen Wanderung durch die Gefilde östlicher Weisheitsliteratur und heiliger Texte zeigen, dass der Preis für das hier versprochene Heil sehr hoch ist: Wo Schopenhauer die Möglichkeit grundgelegt sah, den Egoismus zu überwinden, wittert Danto Gefahr. Mit dem Abwerfen des eigenen Ichs als durchschauter und so kraftlos gewordener Illusion geht eben auch die Annahme einher, dass alle anderen Subjekte bloße Illusion seien. Dies aber beraube uns letztlich der theoretischen Voraussetzung, welche die Moral, ein tätiges Sorgen auch um den anderen Menschen, erst sinnvoll macht - eine Voraussetzung, die Danto in seiner eigenen Konzeption des Subjekts zu bewahren hofft. Trotz spitzer Ecken verspricht Arthurs Welt ein sicherer Hort für den Menschen zu sein.
CHRISTIAN ILLIES
Arthur C. Danto: "Mystik und Moral". Östliches und westliches Denken. Aus dem Amerikanischen von Burkhardt Wolf. Wilhelm Fink Verlag, München 1999. 134 S., br., 38,- DM.
Arthur C. Danto: "Wege zur Welt". Grundbegriffe der Philosophie. Aus dem Amerikanischen von Peter Michael Schenkel. Wilhelm Fink Verlag, München 1999. 324 S., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fertig ist das Erdgesicht: Arthur C. Danto konstruiert sich die Welt aus drei philosophischen Grundelementen
Arthur C. Danto malt ein kleines Dreieck, an dessen Eckpunkte er dann "Subjekt", "Repräsentationen" und "Welt" schreibt. Die Grundarchitektur allen Erkennens und der Philosophie überhaupt lässt sich im Wesentlichen auf diese Figur zurückführen - so die These des 1926 geborenen amerikanischen Philosophen, nachzulesen in der Einleitung seines jetzt in ein sehr merkwürdiges Deutsch übersetzten Buches "Wege zur Welt" von 1989. Diese Struktur ist nach Danto von den verschiedenen Philosophen in recht unterschiedlicher Weise ausgestaltet worden: Idealisten wie etwa Merkeley betonen das Subjekt und seine Repräsentationen und vergessen darüber die Welt, der Commonsense-Realismus gleicht dagegen die Repräsentationen beziehungsweise die Erscheinungen so sehr den Objekten der Welt an, dass auch hier das Dreieck eines seiner Eckchen verliert, und Jean-Paul Sartre tilgt mit seinem TippEx-Existentialismus gar das Subjekt.
Besonders schwierig ist nun das Geschäft der Philosophie deswegen, weil sie im Unterschied zu den anderen Wissenschaften nicht nur einen ihr externen Gegenstandsbereich klären muss, sondern auch sich selbst als entscheidenden Teil dieser Wirklichkeit und des Erkennens. Sie muss sich selbst begreifen - und das heißt die Grundkategorien ermitteln, die das Denken voraussetzen muss, die es nicht bestreiten kann, ohne sich selbst zu widersprechen. Ihr bleibt daher nichts anderes übrig als anzunehmen, dass "die Struktur des Verstehens in jedem Universum gleich sein muss". Diese bei Danto leider nicht weiter ausgelotete tiefe Einsicht stellt zugleich einen Tiefpunkt der schlampigen Übersetzung der jetzt im Fink Verlag erschienenen deutschen Ausgabe dar: Wo Danto schreibt, dass jeder philosophische Versuch, die Philosophie zu verabschieden, zirkulär, da ja selbst philosophisch sei, gebraucht er die Metapher von den philosophischen Leichenbeschauern, die bei ihrer Autopsie die tot geglaubte Philosophie immer wieder (durch ihr eigenes philosophisches Vorgehen) "auferwecken". Dantos bildreiche Sprache lässt den gleichsam metaphysischen Schauder spüren, den die Unhintergehbarkeit des Denkens auslösen kann. Der arme deutsche Leser wird aber nicht Zeuge dieses ständigen Wunders, sondern damit abgespeist, dass diese Leichenbeschauer den Toten "ausgraben" - und wie sonst sollen sie denn ihrem traurigen Handwerk nachgehen?
Schauen wir, wie Danto seine Gedanken, die zugleich eine Einführung in die Philosophie überhaupt darstellen, weiter entfaltet. In einem zweiten Teil geht es um das "Verstehen": Was sind die Repräsentationen, diese Vehikel des Verstehens, und wie kommen wir zu ihnen? Und, was damit engstens zusammenhängt, was kann es heißen, dass diese wahr sind? Ein philosophischer Optimismus, der annimmt, dass wir zu einem sicheren System von Aussagen kommen können, ist für Danto unhaltbar. Zwar sieht er die Unausweichlichkeit der Einsicht Descartes', dass sich das Subjekt selbst immer denken müsse, gerade auch in dem Moment, in dem es sich selbst bezweifelt, aber auf diesen ortlosen Fels lasse sich kein Verstehen der Welt errichten - geschweige denn auf den Erfahrungen der Gegenstandswelt. Stattdessen können wir zu verschiedenen Bündeln von Annahmen kommen, von denen wir nur weitgehend Kohärenz und Funktionstüchtigkeit für diese Welt fordern. Damit sind die zwei Bereiche benannt, die Danto an der analytischen Philosophie kritisiert, sosehr er sich ihr zugehörig weiß: Weder darf eine Sprachanalyse sich versucht fühlen, die Philosophie zu überwinden, noch dem eitlen Wahn erliegen, ideale Sprachen für eine wissenschaftliche Welterfassung konstruieren zu können.
Eng mit dem Verstehen hängt das Wissen zusammen, so dass es etwas überrascht, wenn Danto dies in einem getrennten dritten Teil behandelt. Aber es geht hier eigentlich um Fragen der Ontologie, das heißt darum, was denn die Welt nun eigentlich ist: etwa Materie oder etwas Geistiges. Wie können wir wissen, ob eine ontologische Deutung unserer Repräsentationen angemessener als eine andere ist? Wir können es nicht, schreibt Danto: Die Welt an sich bleibt unergründlich. "Welt" heißt dann auch der vierte und letzte Teil des Buches, in welchem nun vor allem die dritte Seite des Dreiecks, die Beziehung zwischen Subjekt und Welt, zur Sprache kommt. Vor allem geht es um das Leib-Seele-Problem: Wie passen diese zwei einander so fremd erscheinenden Bereiche, das Denken und die physikalische Realität - das Gehirn -, zueinander? Dantos Antwort knüpft an die Ergebnisse der evolutionären Erkenntnistheorie an: Die Fähigkeit, andere Teile der Wirklichkeit zu repräsentieren, bilde sich im Selektionsgeschehen heraus - es gebe also zwei Arten von Materie, schreibt Danto: eine, welche anderes repräsentiert, und eine, die das nicht vermag. Die weitere Fähigkeit, Repräsentationen zu repräsentieren - und das heißt Bewusstsein und Selbstbewusstsein zu haben -, finde sich beim Menschen als Höhepunkt dieser Entwicklung; er besteht "aus einer ganzen Zahl solcher aufeinander bezogener Systeme".
Diese Wirklichkeit nimmt Danto ernst - sie ist nicht bloßes Nebenprodukt, sondern in sich sinnvoll strukturiert, ja "auf den Prinzipien verfasster Texte aufgebaut, auf denen Fleisch gewordener Wörter". Das ist ein schönes Bild wie manches andere, das Danto zum Leib-Seele-Problem findet, aber doch eben nur eine Metapher. Seine Lösung ist in weiten Teilen nur programmatisch. Danto traut seinem Dreieck, vor allem der Ecke "Repräsentation", zu viel zu, wenn er das Subjekt auf diese Weise schon erklärt zu haben meint. Auch andere klassische Fragen werden zu leicht genommen, vor allem die praktische Philosophie, welche Danto im zweiten Teil des Buches behandelt. Die kaum berücksichtigte Subjekt-Subjekt-Beziehung oder die Intersubjektivität sind nicht so einfach als Repräsentationen zu erfassen. Ist das Begreifen eines anderen Menschen die Repräsentation einer Repräsentation einer Repräsentation? Aber auch wenn das Grundmodell hier an seine Grenzen stößt, schmälert dies nicht den eigentümlichen Reiz von Dantos Versuch, mit einem kleinen Dreieck die große Philosophie zu erfassen.
Dass die Betonung von Repräsentationen auch für die Ethik wichtig ist, zeigt Danto in seiner kürzeren, ebenfalls in diesem Jahr erstmals (aber sprachlich wesentlich sensibler) ins Deutsche übersetzten Schrift "Mystik und Moral" von 1988. Entstanden als späte Antwort auf die seit den fünfziger Jahren in den Vereinigten Staaten auflebende Begeisterung für den östlichen Weg, man denke an die vielen in sich versunkenen Motorradfahrer der siebziger Jahre, wendet dieses Buch die scharfen Instrumente analytischen Denkens auf östliche Philosophien und Weisheitslehren an. Vor allem geht es Danto darum, ob wir, das heißt Menschen des westlichen Kulturkreises, von Lebenseinstellungen, wie sie sich im Buddhismus, Hinduismus und Taoismus ausdrücken, etwas lernen und übernehmen können - und ob wir es überhaupt sollten. Nun kommt es auch bei der Ethik, so Danto in einer der eigentlichen Auseinandersetzung vorangestellten Analyse, auf Repräsentationen an: Praktische Regeln und Ideale sind nicht zu trennen von theoretischen Annahmen über die Wirklichkeit.
Vor allem was die Natur des Subjekts betrifft, begegnen uns im Fernen Osten erheblich abweichende Vorstellungen. Alle Unterschiede sind eigentlich - ein Gedanke, der Schopenhauer als die tiefste Einsicht des Ostens erschien - nur scheinbar. Es gilt, den Schleier der Maya auch von unserem eigenen Gesicht zu ziehen und zu erkennen, dass das eigenständige Subjekt gleichfalls eine Illusion ist. Dass solche Gedanken für den so oft unter manischer Ichschwere stöhnenden Okzidentalen einen lieblichen Duft ausströmen, kann nicht überraschen. Aber Danto will bei seiner überaus kenntnisreichen Wanderung durch die Gefilde östlicher Weisheitsliteratur und heiliger Texte zeigen, dass der Preis für das hier versprochene Heil sehr hoch ist: Wo Schopenhauer die Möglichkeit grundgelegt sah, den Egoismus zu überwinden, wittert Danto Gefahr. Mit dem Abwerfen des eigenen Ichs als durchschauter und so kraftlos gewordener Illusion geht eben auch die Annahme einher, dass alle anderen Subjekte bloße Illusion seien. Dies aber beraube uns letztlich der theoretischen Voraussetzung, welche die Moral, ein tätiges Sorgen auch um den anderen Menschen, erst sinnvoll macht - eine Voraussetzung, die Danto in seiner eigenen Konzeption des Subjekts zu bewahren hofft. Trotz spitzer Ecken verspricht Arthurs Welt ein sicherer Hort für den Menschen zu sein.
CHRISTIAN ILLIES
Arthur C. Danto: "Mystik und Moral". Östliches und westliches Denken. Aus dem Amerikanischen von Burkhardt Wolf. Wilhelm Fink Verlag, München 1999. 134 S., br., 38,- DM.
Arthur C. Danto: "Wege zur Welt". Grundbegriffe der Philosophie. Aus dem Amerikanischen von Peter Michael Schenkel. Wilhelm Fink Verlag, München 1999. 324 S., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main