Mythen und Sagen haben für den modernen Leser wenig mit der Wirklichkeit zu tun, für die griechische Gesellschaft und Politik im 5. Jahrhundert war dies aber ganz anders. Zu dieser Zeit gab es kaum eine deutliche Grenze zwischen Mythen und der historischen Realität. In dieser Arbeit werden drei Mythen und mit ihnen eng verbundene Ereignisse in Bezug auf ihre Bedeutung für die athenische Propaganda untersucht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie die Athener mithilfe von Mythen versuchten, eine Gemeinschaft zwischen ihnen und ihren Bundesgenossen, die größtenteils dem Ethnos der Ionier angehörten, zu konstituieren und dadurch das ideologische Fundament des Delisch-Attischen Seebundes zu verstärken. Dabei erstreckt sich der Untersuchungszeitraum von der Konferenz von Samos im Jahr 479 v. Chr. bis hin zum Ende der kimonischen Ära. Der Autor wirft in diesem Kontext die These auf, dass es in dieser ersten Phase des Seebundes nicht ein Athen, sondern zwei gab: das eine war die Mutterstadt der Ionier, das andere aber die ruhmreiche Stadt des Theseus. Zwischen der eigenen Wahrnehmung der Athener und ihrer Darstellung nach außen hin klaffte schließlich ein großer Graben.