Produktdetails
- Verlag: WINKLER, DÜSSELDORF
- Seitenzahl: 239
- Abmessung: 200mm
- Gewicht: 336g
- ISBN-13: 9783538070912
- ISBN-10: 3538070911
- Artikelnr.: 08273323
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.1995Auch einige Barbarinnen
Wir ahnten es schon immer: Die Antike war keine reine Männersache
Im Jahre 42 v. Chr. kam es auf dem Forum Romanum zu einem ungewöhnlichen Auftritt. Um ihre innenpolitischen Gegner zu ächten, hatten die Diktatoren etwa 1400 besonders reiche Ehefrauen der Kontrahenten mit einer drastischen Sonderabgabe belegt. Damit wollte sich eine Gruppe vornehmer römischer Damen nicht abfinden. Sie zogen in die Versammlung der Männer und forderten eine Senkung der Abgabe. Hortensia, der in Rede und Argumentation gewandten Anführerin, gelang es, das Volk auf ihre Seite und die zornigen Triumvirn zum Schweigen zu bringen. Gerechtigkeit wurde verlangt und Ungleichbehandlung angeklagt, aber vor allem überzeugte der Einwand, daß man öffentlich nicht in schlechteren Kleidern erscheinen könne als Frauen entlegener Stämme. Der Protest war erfolgreich.
Daß Frauen Einfluß in und auf Männerdomänen der antiken Welt genommen haben, ist durch eine Reihe von Hinweisen belegt, unter anderem durch jene Episode, von der der Geschichtsschreiber Appian berichtet. Bislang ist es aber nicht gelungen, über diesen Einfluß ein systematisches Bild herzustellen. Ein von Maria H. Dettenhofer herausgegebener Sammelband will hier Abhilfe schaffen. Er zeigt, daß eine strikte Ausgrenzung von Frauen aus männlichen Lebensbereichen auf antike Verhältnisse nicht zutraf. Für die frühen Sozialordnungen galt, daß die Menschen ihnen als Abkömmlinge ihrer Vorfahren sowie als Teil von Familienverbänden und Schichten angehörten und daher die Geschlechterrollen nach diesen Voraussetzungen bestimmt wurden. Die Beiträge des Bandes stellen Verbindungen zwischen solchen gruppen-beziehungsweise schichtbezogenen Gliederungsmustern und Verschiebungen im Machtgefälle zwischen den Geschlechtern her. Besondere Aufmerksamkeit erhalten Erb- und Eheregelungen sowie Beziehungen zwischen nahen Verwandten.
Für Kleinasien gibt es aus der Zeit um 200 n. Chr. Belege, daß höchste religiöse und politische Ämter auch von Frauen bekleidet wurden. Ehrinschriften und Münzprägungen weisen auf die Regentschaft von Motoxaris in Selge, von Menodora in Sillyon und von Plancia Magna in Perge hin. Die Geschicke kleinasiatischer Zentren lagen noch in den Händen einzelner Familien. Deren Konkurrenz um die Vorherrschaft sowie die Fülle der mit den Ämtern verbundenen Aufgaben ließen es sinnvoll erscheinen, Herrschaftspositionen an die nächsten Verwandten zu vererben und mehrere Amtsträger zu bestellen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß die familiale Abstammung so hoch bewertet werden konnte, daß an der Spitze der Hierarchie sowohl Männer wie Frauen akzeptiert wurden.
Seit der frühen Kaiserzeit war die manus-Ehe, durch die eine Frau aus der Gewalt des Vaters entlassen und der Vormundschaft des Ehegatten überantwortet wurde, kaum noch üblich. Nach der Heirat behielt nun der Vater die patria potestas über die weiblichen Nachkommen. Offenbar sollten so die Anteile von Töchtern am Grundbesitz in der Erbmasse der Familie gehalten werden. Erträge daraus konnten sie aber in manchen Fällen selbst verwalten. Starb der Vater, wurde ein männlicher Verwandter zum Vormund der Tochter bestellt. Diese sogenannte Agnatentutel gab vermutlich häufiger Anlaß zum Konflikt. Sie wurde unter Claudius abgeschafft und führte zur Ausweitung der weiblichen Vermögens-und Geschäftsfähigkeit. Eine Voraussetzung dafür bildete die Vermehrung der Möglichkeiten, Grundbesitz durch mobiles Vermögen zu ersetzen. Die Herrschaftsgewalt des Vaters über die Tochter blieb gleichwohl unangetastet.
Der Auffassung, daß die Frauen der politischen Oberschicht im privaten Leben eine selbständige und unabhängige Stellung besaßen, stimmen die Beiträge deshalb nur eingeschränkt zu. Gegenüber den rauhen Sitten frührömischer Zeiten war dennoch ein bedeutender Wandel eingetreten. Bis zu einem gewissen Grad bildeten Aristokratinnen eine Schicht innerhalb ihrer Schicht, eine Gruppe mit eigenen Konventionen und Vermögensinteressen. Die Aufhebung männlicher Vormundschaft konnten sie aber nur auf eine Weise selbst herbeiführen. Seit Augustus galt, daß frei geborene Frauen, die drei Kinder zur Welt gebracht hatten, den Status sui iuris beanspruchen konnten. Wertschätzung und Handlungsfreiheit erlangten die Römerinnen durch die Geburt von Kindern, namentlich von Söhnen, und durch eigenes Vermögen. Einzelne Frauen verfügten über beachtliche Mittel, um politisches Geschehen zu beeinflussen. Dies geschah aber nicht um der eigenen Karriere willen. So stellten sich die Gracchenmutter Cornelia, die Augustusgattin Livia oder die Mutter Neros, Agrippina Minor, in den Dienst der Herrschaftsinteressen der ihnen nahestehenden Männer. Für Mitspracherechte bei öffentlichen Entscheidungen oder Anrechte auf Herrschaftspositionen traten die Frauen der römischen Oberklasse nicht ein. Die Repräsentation der Macht im Staat blieb Sache des Mannes.
Neue Einblicke in antike Familienverhältnisse gibt eine Untersuchung von Jens-Uwe Krause über Witwen im römischen Reich vor und während der Kaiserzeit. Sie schätzt deren Anteil an der weiblichen Gesamtbevölkerung auf ein Viertel bis ein Drittel. Diese Zahl steht in deutlichem Gegensatz zu der Aufmerksamkeit, welche die Forschung dieser Gruppe bislang geschenkt hat. Die häufige Verwitwung weiblicher Ehegatten wird auf das höhere Heiratsalter von Männern und auf Kriegsverluste zurückgeführt. Die Wiederheirat von Frauen war bei den Römern (im Gegensatz zu China oder Indien) nicht verboten. Seit der Verbreitung der manus-freien Ehe kam sie häufig vor und wurde nicht als anstößig empfunden. Vor allem jüngere und wohlhabende Witwen vermählten sich nach kurzer Trauerzeit neu. Die Arbeit belegt die Instabilität der römischen Ehen und Familien durch detaillierte Quellenanalysen. Vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausschluß römischer Aristokratinnen von Ämtern und Herrscherrollen einerseits und der Instabilität der Familien andererseits. Unplausibel wäre eine solche These nicht, weil Mehrfachehen die Ausbildung von Kernfamilien, klaren Abstammungslinien und familialer Solidarität beeinträchtigten. Ihr wird in beiden Büchern jedoch nicht nachgegangen. Krause hat weitere Bände geplant, die sich vor allem mit dem Wandel des Witwenstatus in der Spätantike befassen werden. Sie lassen Aufschluß darüber erwarten, wie sich die Stellung von Ehegattinnen und Witwen sowie ihrer Kinder unter christlichem Einfluß veränderte.
Daß die Welt der Frauen im frühen Europa weit facettenreicher war, als heute bekannt ist, zeigt ein von Bernhard Kytzler erstelltes und mit Bildern ausgestattetes Lexikon. Darin werden Griechinnen, Römerinnen, aber auch einige "Barbarinnen" aus dem Jahrtausend nach der Gründung Roms porträtiert. Über die Darstellung von Lebensdaten und Verwandtschaftsbeziehungen hinaus erfährt man zum Beispiel etwas über Liebesdichterinnen, über Hebammen, die medizinische Traktate zur Empfängnisverhütung geschrieben haben, und über Autorinnen philosophischer Streitschriften. Das Lexikon enthält allerdings nicht, wie Umschlagtext und Einleitung versprechen, "rund 300", sondern nur annähernd 200 Frauenbiographien. INGRID BIERMANN
Maria H. Dettenhofer (Hg.): "Reine Männersache?" Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 1994. 266 S., Abb., br., 58,- DM.
Jens-Uwe Krause: "Verwitwung und Wiederverheiratung". Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. 1. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1994. 304 S., br., 68,- DM.
Bernhard Kytzler: "Frauen der Antike". Von Aspasia bis Zenobia. Artemis und Winkler Verlag, Zürich 1994. 191 S., Abb., geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wir ahnten es schon immer: Die Antike war keine reine Männersache
Im Jahre 42 v. Chr. kam es auf dem Forum Romanum zu einem ungewöhnlichen Auftritt. Um ihre innenpolitischen Gegner zu ächten, hatten die Diktatoren etwa 1400 besonders reiche Ehefrauen der Kontrahenten mit einer drastischen Sonderabgabe belegt. Damit wollte sich eine Gruppe vornehmer römischer Damen nicht abfinden. Sie zogen in die Versammlung der Männer und forderten eine Senkung der Abgabe. Hortensia, der in Rede und Argumentation gewandten Anführerin, gelang es, das Volk auf ihre Seite und die zornigen Triumvirn zum Schweigen zu bringen. Gerechtigkeit wurde verlangt und Ungleichbehandlung angeklagt, aber vor allem überzeugte der Einwand, daß man öffentlich nicht in schlechteren Kleidern erscheinen könne als Frauen entlegener Stämme. Der Protest war erfolgreich.
Daß Frauen Einfluß in und auf Männerdomänen der antiken Welt genommen haben, ist durch eine Reihe von Hinweisen belegt, unter anderem durch jene Episode, von der der Geschichtsschreiber Appian berichtet. Bislang ist es aber nicht gelungen, über diesen Einfluß ein systematisches Bild herzustellen. Ein von Maria H. Dettenhofer herausgegebener Sammelband will hier Abhilfe schaffen. Er zeigt, daß eine strikte Ausgrenzung von Frauen aus männlichen Lebensbereichen auf antike Verhältnisse nicht zutraf. Für die frühen Sozialordnungen galt, daß die Menschen ihnen als Abkömmlinge ihrer Vorfahren sowie als Teil von Familienverbänden und Schichten angehörten und daher die Geschlechterrollen nach diesen Voraussetzungen bestimmt wurden. Die Beiträge des Bandes stellen Verbindungen zwischen solchen gruppen-beziehungsweise schichtbezogenen Gliederungsmustern und Verschiebungen im Machtgefälle zwischen den Geschlechtern her. Besondere Aufmerksamkeit erhalten Erb- und Eheregelungen sowie Beziehungen zwischen nahen Verwandten.
Für Kleinasien gibt es aus der Zeit um 200 n. Chr. Belege, daß höchste religiöse und politische Ämter auch von Frauen bekleidet wurden. Ehrinschriften und Münzprägungen weisen auf die Regentschaft von Motoxaris in Selge, von Menodora in Sillyon und von Plancia Magna in Perge hin. Die Geschicke kleinasiatischer Zentren lagen noch in den Händen einzelner Familien. Deren Konkurrenz um die Vorherrschaft sowie die Fülle der mit den Ämtern verbundenen Aufgaben ließen es sinnvoll erscheinen, Herrschaftspositionen an die nächsten Verwandten zu vererben und mehrere Amtsträger zu bestellen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß die familiale Abstammung so hoch bewertet werden konnte, daß an der Spitze der Hierarchie sowohl Männer wie Frauen akzeptiert wurden.
Seit der frühen Kaiserzeit war die manus-Ehe, durch die eine Frau aus der Gewalt des Vaters entlassen und der Vormundschaft des Ehegatten überantwortet wurde, kaum noch üblich. Nach der Heirat behielt nun der Vater die patria potestas über die weiblichen Nachkommen. Offenbar sollten so die Anteile von Töchtern am Grundbesitz in der Erbmasse der Familie gehalten werden. Erträge daraus konnten sie aber in manchen Fällen selbst verwalten. Starb der Vater, wurde ein männlicher Verwandter zum Vormund der Tochter bestellt. Diese sogenannte Agnatentutel gab vermutlich häufiger Anlaß zum Konflikt. Sie wurde unter Claudius abgeschafft und führte zur Ausweitung der weiblichen Vermögens-und Geschäftsfähigkeit. Eine Voraussetzung dafür bildete die Vermehrung der Möglichkeiten, Grundbesitz durch mobiles Vermögen zu ersetzen. Die Herrschaftsgewalt des Vaters über die Tochter blieb gleichwohl unangetastet.
Der Auffassung, daß die Frauen der politischen Oberschicht im privaten Leben eine selbständige und unabhängige Stellung besaßen, stimmen die Beiträge deshalb nur eingeschränkt zu. Gegenüber den rauhen Sitten frührömischer Zeiten war dennoch ein bedeutender Wandel eingetreten. Bis zu einem gewissen Grad bildeten Aristokratinnen eine Schicht innerhalb ihrer Schicht, eine Gruppe mit eigenen Konventionen und Vermögensinteressen. Die Aufhebung männlicher Vormundschaft konnten sie aber nur auf eine Weise selbst herbeiführen. Seit Augustus galt, daß frei geborene Frauen, die drei Kinder zur Welt gebracht hatten, den Status sui iuris beanspruchen konnten. Wertschätzung und Handlungsfreiheit erlangten die Römerinnen durch die Geburt von Kindern, namentlich von Söhnen, und durch eigenes Vermögen. Einzelne Frauen verfügten über beachtliche Mittel, um politisches Geschehen zu beeinflussen. Dies geschah aber nicht um der eigenen Karriere willen. So stellten sich die Gracchenmutter Cornelia, die Augustusgattin Livia oder die Mutter Neros, Agrippina Minor, in den Dienst der Herrschaftsinteressen der ihnen nahestehenden Männer. Für Mitspracherechte bei öffentlichen Entscheidungen oder Anrechte auf Herrschaftspositionen traten die Frauen der römischen Oberklasse nicht ein. Die Repräsentation der Macht im Staat blieb Sache des Mannes.
Neue Einblicke in antike Familienverhältnisse gibt eine Untersuchung von Jens-Uwe Krause über Witwen im römischen Reich vor und während der Kaiserzeit. Sie schätzt deren Anteil an der weiblichen Gesamtbevölkerung auf ein Viertel bis ein Drittel. Diese Zahl steht in deutlichem Gegensatz zu der Aufmerksamkeit, welche die Forschung dieser Gruppe bislang geschenkt hat. Die häufige Verwitwung weiblicher Ehegatten wird auf das höhere Heiratsalter von Männern und auf Kriegsverluste zurückgeführt. Die Wiederheirat von Frauen war bei den Römern (im Gegensatz zu China oder Indien) nicht verboten. Seit der Verbreitung der manus-freien Ehe kam sie häufig vor und wurde nicht als anstößig empfunden. Vor allem jüngere und wohlhabende Witwen vermählten sich nach kurzer Trauerzeit neu. Die Arbeit belegt die Instabilität der römischen Ehen und Familien durch detaillierte Quellenanalysen. Vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausschluß römischer Aristokratinnen von Ämtern und Herrscherrollen einerseits und der Instabilität der Familien andererseits. Unplausibel wäre eine solche These nicht, weil Mehrfachehen die Ausbildung von Kernfamilien, klaren Abstammungslinien und familialer Solidarität beeinträchtigten. Ihr wird in beiden Büchern jedoch nicht nachgegangen. Krause hat weitere Bände geplant, die sich vor allem mit dem Wandel des Witwenstatus in der Spätantike befassen werden. Sie lassen Aufschluß darüber erwarten, wie sich die Stellung von Ehegattinnen und Witwen sowie ihrer Kinder unter christlichem Einfluß veränderte.
Daß die Welt der Frauen im frühen Europa weit facettenreicher war, als heute bekannt ist, zeigt ein von Bernhard Kytzler erstelltes und mit Bildern ausgestattetes Lexikon. Darin werden Griechinnen, Römerinnen, aber auch einige "Barbarinnen" aus dem Jahrtausend nach der Gründung Roms porträtiert. Über die Darstellung von Lebensdaten und Verwandtschaftsbeziehungen hinaus erfährt man zum Beispiel etwas über Liebesdichterinnen, über Hebammen, die medizinische Traktate zur Empfängnisverhütung geschrieben haben, und über Autorinnen philosophischer Streitschriften. Das Lexikon enthält allerdings nicht, wie Umschlagtext und Einleitung versprechen, "rund 300", sondern nur annähernd 200 Frauenbiographien. INGRID BIERMANN
Maria H. Dettenhofer (Hg.): "Reine Männersache?" Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 1994. 266 S., Abb., br., 58,- DM.
Jens-Uwe Krause: "Verwitwung und Wiederverheiratung". Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. 1. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1994. 304 S., br., 68,- DM.
Bernhard Kytzler: "Frauen der Antike". Von Aspasia bis Zenobia. Artemis und Winkler Verlag, Zürich 1994. 191 S., Abb., geb., 29,80 DM.
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