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  • Broschiertes Buch

Was wäre, wenn die zahllosen Geschichten von Menschenfressern, die zu allen Zeiten und überall auf der Welt erzählt wurden, nur ein liebgewordender Bestandteil alter wie neuer Mythen wären? Die Autorin hat die Indizien für kannibalische Praktiken von der Frühzeit des Menschen bis in die Gegenwart genauer geprüft und die Augenzeugenberichte auf ihre Glaubwürdigkeit untersucht.

Produktbeschreibung
Was wäre, wenn die zahllosen Geschichten von Menschenfressern, die zu allen Zeiten und überall auf der Welt erzählt wurden, nur ein liebgewordender Bestandteil alter wie neuer Mythen wären? Die Autorin hat die Indizien für kannibalische Praktiken von der Frühzeit des Menschen bis in die Gegenwart genauer geprüft und die Augenzeugenberichte auf ihre Glaubwürdigkeit untersucht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.1999

Küche

"Mythos Menschenfresser - Ein Blick in die Kochtöpfe der Kannibalen" von Heidi Peter-Röcher. C. H. Beck Verlag, München 1998. 180 Seiten mit elf Abbildungen. Broschiert, 19,80 Mark. ISBN 3-406-42062-1.

In den Kochtöpfen der Kannibalen schwimmen keine Köpfe und keine Gliedmaßen, keine Kleinkinder werden darin gedünstet und keine besiegten Feinde geschmort. Vielmehr köchelt auf den Feuerstellen eine haarsträubende Suppe aus abstrusen Klischees und Phantasievorstellungen, die seit Urzeiten zum dickflüssigen Mythos Menschenfresser zusammengerührt wurden. Das ist die ernüchternde These der Autorin, und nach der Lektüre ist man trotzdem satt und zufrieden wie nach einer guten Mahlzeit. Wohl selten zuvor ist der Kannibalismus als Irrglaube so plausibel entlarvt und das Konstrukt seiner Ursachen, Mechanismen und Motive so erschöpfend erklärt worden. Das Buch zeigt, wie seit der Antike die Antropophagie als Instrument der Stigmatisierung, Verleumdung und Unterdrückung fremder Völker benutzt wurde, indem man dem überlegenen, gesitteten Kulturmenschen den primitiven, allesfressenden Wilden gegenüberstellte, der aus Liebe, Rach- oder Naschsucht seinen Nächsten brät. Es zeichnet die Tradierung des Mythos von Herodot, Plinius und Strabon über Marco Polo, Mandeville und Pigafetta bis zu Hegel, Raleigh und Stanley nach und widerlegt alle angeblichen Beweise für Menschenfresserei, etwa archäologische Funde oder dubiose Augenzeugenberichte. Man sah immer nur deswegen Kannibalen, weil man sie sehen wollte, und interpretierte in entsprechender Weise die Indizien, die eine ganz andere, wenngleich keinen wohligen Schauder hervorrufende Erklärung nahegelegt hätte. So wurden etwa in verstreuten prähistorischen Knochen nicht die Zeugnisse von Begräbniszeremonien ausgemacht, sondern die Speisereste eines Festschmauses mit und aus Artgenossen, während wiederum viele Reisende die Mythen fremder Völker für Riten und damit bare Münze nahmen - in dieser Logik wären für Außenstehende auch die Christen beim Abendmahl Menschenfresser. Am Ende begreift man, daß nicht der Kannibalismus an sich das beachtenswerte Phänomen ist, sondern die Hartnäckigkeit, mit der der Glaube an ihn verfochten und aufrechterhalten wird. (str.)

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