Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 5,09 €
  • Broschiertes Buch

Die Ausstellung Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945 sorgte für heftige öffentliche Diskussionen. Das Buch zeigt, wie sich in der neuen Bundesrepublik eine veränderte Sicht auf den Nationalsozialismus durchsetzt. Die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung brach mit der Legende von der "sauberen" Wehrmacht, auf die sich das Selbstverständnis vieler Deutscher bis heute gründet. Militärhistoriker und Publizisten beschreiben die Folgen der Vergangenheitspolitik seit der frühen Adenauer-Ära für den Aufbau und das Traditionsverständnis der Bundeswehr sowie das…mehr

Produktbeschreibung
Die Ausstellung Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945 sorgte für heftige öffentliche Diskussionen. Das Buch zeigt, wie sich in der neuen Bundesrepublik eine veränderte Sicht auf den Nationalsozialismus durchsetzt. Die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung brach mit der Legende von der "sauberen" Wehrmacht, auf die sich das Selbstverständnis vieler Deutscher bis heute gründet. Militärhistoriker und Publizisten beschreiben die Folgen der Vergangenheitspolitik seit der frühen Adenauer-Ära für den Aufbau und das Traditionsverständnis der Bundeswehr sowie das geistige Klima in der Bundesrepublik. Ihr Fazit: Mit den Debatten über den Holocaust in den 90er Jahren haben sich neue Deutungen des Nationalsozialismus etabliert. Das Jahrhundertverbrechen wird zur Erinnerungskultur und Teil der nationalen Identität in der neuen Bundesrepublik.
Autorenporträt
Detlef Bald, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und lebt als Historiker in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2001

Prinzipiell schuldig?

DIE WEHRMACHT gehört zur Vorgeschichte der Bundeswehr. Heutzutage wird niemand ernsthaft bestreiten, daß es Traditionslinien über das Jahr 1945 hinaus gab, obwohl das Gegenteil oft behauptet worden ist. Schon die personelle Kontinuität machte einen vollkommenen Neuanfang unmöglich, wenn auch der ehemalige Wehrmachtsmajor im Generalstab Wolf Graf von Baudissin (1907-1993) die Strukturen verändern wollte. Für ihn stellten weder die Reichswehr der Weimarer Republik noch die Wehrmacht ein Vorbild für die Streitkräfte der jungen Bundesrepublik dar. Den "Reformern" standen in der Vorbereitungsphase eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages seit Herbst 1950 die "Traditionalisten" gegenüber, die Baudissins Konzept der "Inneren Führung" als "Inneres Gewürge" abtaten. Detlef Bald zeichnet die "Kämpfe um die Dominanz des Militärischen" nach und zitiert eine Warnung des Wehrbeauftragten Vizeadmiral a. D. Heye aus dem Jahr 1964 vor dem "uniformierten Schrumpfkopf". Daß sich das Ideal des "Kämpfers" spätestens in den achtziger Jahren gegenüber dem in Sonntagsreden weiterhin hochgehaltenen Ideal vom "Staatsbürger in Uniform" durchgesetzt habe, ist jedenfalls eine überzogene These. Koautor Wolfram Wette arbeitet verschiedene Wehrmacht-Bilder in der Bundeswehr heraus und erinnert an den Traditionserlaß des Verteidigungsministers Hans Apel vom 20. September 1982, der immer noch in Kraft ist: "In den Nationalsozialismus waren die Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos mißbraucht. Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen." Ähnliche Worte fand Verteidigungsminister Rühe im Oktober 1996 auf einer Kommandeurstagung in München. Johannes Klotz deutet schließlich die von ihm bewunderte alte, 1999 zurückgezogene Wehrmachtsausstellung "zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtspoltik". In seiner Breitseite gegen die Medienberichterstattung versteigt er sich nebenbei - ganz im Banne von Daniel Goldhagens Fehlurteil über die Deutschen als Hitlers "willige Vollstrecker" - zu einer kruden Prinzipiellschuldthese: "Viele Deutsche kamen nicht in die Situation, Verbrechen zu planen und auszuführen. Die Ablehnung des Pauschalisierungsvorwurfs bedeutet nicht notwendig, daß die große Mehrheit der deutschen Soldaten prinzipiell unschuldig war, sondern daß sie an der Durchführung von Exekutionen und anderen Verbrechen unbeteiligt war." (Detlef Bald/Johannes Klotz/Wolfram Wette: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001. 211 Seiten, 8,50 Euro.)

rab.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2002

Gespenster-Beschwörung
Ein Zerrbild der Bundeswehr, in der angeblich immer noch eine wehrmachtsfreundliche Traditionspflege betrieben wird
DETLEF BALD/ JOHANNES KLOTZ/ WOLFRAM WETTE: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001. 209 Seiten, Euro 8,50.
Manfred Messerschmidt betrieb eine kritische Militärgeschichtsschreibung bereits viele Jahre, bevor es die „Wehrmachtsausstellung” gab, er erntete Undank, weckte Widerstände und verließ schließlich im Zorn seine akademische Heimat, das „Militärgeschichtliche Forschungsamt” der Bundeswehr. Vor allem ihm ist die Erkenntnis zu zu danken, dass allein die brutale Wehrmachtsjustiz jede Verklärung einer „sauberen Truppe” verbot. Der schäbige Umgang mit Messerschmidt illustriert, was dieser mit wissenschaftlicher Kühle erforschte: das lange Nachwirken einer vergifteten Tradition, der Tradition der Wehrmacht.
Im Herbst 2000 half der Veteran selbst bei einer Ehrenrettung mit. Er rettete, als Mitglied einer unabhängigen Historiker-Kommission, die Ehre der Wehrmachtsausstellung. Sie musste zwar, wegen zahlreicher Fehler und Schwächen, neu konzipiert werden, doch ihre Grundaussage blieb, so das Gutachten, richtig: Die Organisation Wehrmacht war ein Instrument des totalen Vernichtungskrieges. Wenn Messerschmidt nun, da die Ausstellung wieder zu sehen ist, einem neuen Buch über den „Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege” das Geleitwort gibt, darf man einiges erwarten – und ist am Ende doch enttäuscht. Es geht dem Buch ab, was Messerschmidts Werk auszeichnet: die Dinge sine ira et studio zu betrachten.
Der „Trick” der Politiker
Statt dessen regiert der Zorn, jedenfalls in den Beiträgen von Johannes Klotz über die Geschichtspolitik und von Detlef Bald über die „Dominanz des Militärischen”. Allein der dritte Aufsatz, verfasst von dem Freiburger Historiker und Militärfachmann Wolfram Wette über die Traditionspolitik der Bundeswehr, lässt die hohe Schule des Mentors Messerschmidt erahnen. Alle drei Autoren gemeinsam aber behaupten im Vorwort: „Man trachtet danach, Deutschland endlich von der Erblast der Vergangenheit zu befreien, die der Bonner Republik macht- und außenpolitische Fesseln angelegt hatte.”
Das Buch geht sogar so weit, eine offene Auseinandersetzung politischer Akteure mit der NS-Vergangenheit für eine Art Trick zu halten. Klotz beklagt den „Missbrauch der Erinnerung zur Kriegslegitimation”, zur „aktuellen Gewaltanwendung gegen nicht-konforme Gesellschaften”. Das schreibt sich leicht dahin. In der Tat trug zwar der Versuch, den Kampfeinsatz deutscher Tornados gegen Jugoslawien 1999 mit historischen Belegen zu unterfüttern, mitunter seltsame Züge. Als sei das Ziel der Bomben nicht das Militär Milosevics, sondern der Schatten Hitlers, wirkte die deutsche Kriegsteilnahme am Nato-Feldzug wie ein Kreuzzug der Moralos. Es war zumindest unnötig, wie Joschka Fischer gleich „Nie wieder Auschwitz” zu rufen, es war geschmacklos, wenn Rudolf Scharping zur eigenen Rechtfertigung vom „Blick in die Fratze der deutschen Vergangenheit' und absichtsvoll von „Konzentrationslagern' sprach. Wobei man aber nicht vergessen sollte, dass sich der deutsche Beitrag zum Kosovokrieg 1999 trotz dieser apokalyptischen Beschwörungen auf ungefähr ein Prozent der eingesetzten alliierten Flugzeuge belief.
Aber was soll ein Buch, das sich kaum darum schert, warum die Bundeswehr zur Interventionsarmee wird? Das als deren Einsatzziel lediglich „nonkonforme Gesellschaften” nennt, als gebe es irgendwo tapfere kleine Völker, die ihren Lebensstil gegen die düsteren Mächte westlich-deutscher Großmannssucht verteidigen? Der Nonkonformismus heißt in diesem Fall: hunderttausende Tote, Massengräber, ethnische Säuberungen.
Und wenn die alten „Traditionen, Verhaltensweisen und Wissensbestände der Bonner Republik” vergangenheitspolitisch „delegitimiert und revidiert” werden sollen, wüsste man schon gern, wer ein solche Strategie betreibt. Doch da wird es dünn. Keine Fakten, keine Namen außer denen der üblichen Verdächtigen, „historischer Vordenker” der Berliner Republik aus dem Wissenschaftsbetrieb. Manchen von diesen wird – wie Karl Kaiser oder Hans- Peter Schwarz – schlicht Unrecht getan. Andere, wie Rainer Zitelmann oder Karlheinz Weißmann, haben schon einigen rechtskonservativen Unsinn verzapft, womit sie als Vordenker der rot-grünen Regierung freilich nicht wirklich aufgefallen sind.
Den Autoren fehlt das demokratische Selbstbewusstsein, das sie mit Recht von anderen – wie hier von der Bundeswehr – fordern. Kenntnisreich und durchaus lesenswert schildern sie zwar, wie lange die Bundeswehr unter dem Personal und den Denkweisen der Wehrmacht, litt. Aber sie starren auf die Gespenster, die sie selbst beschwören. Nie zuvor ist eine wehrmachtsfreundliche Traditionspflege innerhalb der Bundeswehr und der Gesellschaft, sind Mythen und Halbwahrheiten, Lebenslügen und Anmaßungen so erfolgreich bekämpft worden wie in den neunziger Jahren – vor allem durch die Debatten um die Wehrmachtsausstellung. Dahinter gibt es kein Zurück.
Wahrscheinlich ist es so, wie Wolfram Wette über den „Anfang einer neuen Geschichtspolitik” in der Bundeswehr schreibt. Nachdem seit kurzem endlich eine Kaserne nach einem Judenretter in Uniform, dem Feldwebel Anton Schmid, benannt ist, meint er, dass sich die Bundeswehr allmählich „aus dem belastenden Schatten von Hitlers Wehrmacht” zu lösen scheint.
JOACHIM
KÄPPNER
Der Mythos lebt: Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld gegen die erneuerte Wehrmachtsausstellung.
Foto:Ralf Meier/
SZ
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"In einer Kurzkritik stellt der mit rab. zeichnende Rezensent das Buch über die Nachwirkungen der Wehrmacht auf die Bundeswehr vor. Sehr zufrieden ist er damit nicht: Detlef Balds These, dass sich bis zu den 80er Jahren das Bild des Bundeswehrsoldaten als "Kämpfer" gegen die offizielle Vorstellung vom "Staatsbürger in Uniform" durchgesetzt habe, kritisiert rab. als "überzogen", ohne dies näher zu begründen. Auch Johannes Klotz' Beurteilung der Wehrmacht missfällt dem Rezensenten wegen der "kruden Prinzipiellschuldthese". Nur an dem Beitrag von Wolfram Wette über "Wehrmachts-Bilder" der Bundeswehr hat rab. nichts auszusetzen.

© Perlentaucher Medien GmbH"