Sind Menschenrechte und demokratische Entwicklungen mit Gewalt erzwingbar? Wie sehen künftige Friedensstrategien in einer Welt aus, in der der Führungsanspruch der USA immer offenkundiger wird? Kann man dem "Alleinerziehungsanspruch" der Supermacht begegnen, und wenn ja, wie? Drei in der Öffentlichkeit stehende Autoren, denen eine gerechte Ordnung Maßstab des eigenen Engagements ist, legen einen gemeinsamen Entwurf für die "alteuropäische" Alternative zur "pax americana" vor. Sie formulieren die Voraussetzungen für eine gerechte Weltfriedensordnung.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Fast überschwänglich bekundet Rezensent Wilfried von Bredow seine Sympathie und seinen Respekt für die drei "lebenserfahrenen Praktiker" Norbert Blüm, Heiner Geißler und Rupert Neudeck, die sich für vorliegendes Buch zusammengetan haben, um über den schlechten Zustand der Welt und darüber, wie man ihn verbessern könnte, zu philosophieren. In puncto Weltoffenheit, politisches und moralisches Engagement und Tatkraft hält Bredow das Dreigestirn geradezu für vorbildlich. Die Gedanken allerdings, die Blüm, Geißler und Neudeck über Gerechtigkeit und Frieden in drei längeren Artikeln zu Papier gebracht haben, bleiben zum Bedauern Bredows "unbefriedigend" und hinter ihren Taten zurück. Die Einsichten des Trios findet Bredow nämlich "eher gutwillig als tiefgründig". Darum schlägt er Blüm und seinen Mitstreitern vor, sich an ihre Memoiren zu setzten. Schließlich seien es ihre Erfahrungen, glaubt Bredow, "aus denen wir Leser neue Einsichten gewinnen könnten."
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003Großmutter mit Rädern
Drei lebenserfahrene Praktiker philosophieren über das Schlechte in der Welt / Von Wilfried von Bredow
Rupert Neudeck hat sich als Gründer und guter Geist der Hilfsorganisation "Cap Anamur" sowie als unermüdlicher Reisender auf den Spuren des von Menschen über ihresgleichen gebrachten Elends einen Namen gemacht. Seine unaufgeregte, leicht schleppende Stimme, mit der er von den Schauplätzen der Kriege vor allem in Asien und Afrika berichtet, ist den Hörern politischer Radiosendungen vertraut. Nie hat er herumpalavert, sondern immer lokale Mißstände aufgrund eigener Anschauung angeprangert - und immer mit dem Ziel, helfend einzugreifen. Nicht um irgendwelche "Entwicklungskonzeptionen" ging es ihm, sondern um den Bau eines Krankenhauses, einer Schule oder einer Trinkwasserfilteranlage. Für derlei hat er viel Hilfsbereitschaft mobilisieren und organisieren können. Nicht nur diejenigen, denen er und seine Organisation auf diese Weise geholfen haben, denken mit Respekt und Dankbarkeit an diesen kosmopolitischen Sozialarbeiter.
Auch über Norbert Blüm, den lange Jahre amtierenden Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, und über Heiner Geißler, zeitweise Generalsekretär der CDU, ließen sich lobende Worte für menschenfreundliches Engagement finden. Bei Politikern ist das allerdings insofern etwas schwieriger, als ihr Wirken, auch wenn es auf festen weltanschaulichen Grundlagen aufbaut - in beiden Fällen ist das die christliche Soziallehre -, immer in die Auseinandersetzungen mit dem "politischen Gegner" eingebunden bleibt und auf diese Weise oft merkwürdig zugespitzt wird.
Drei alte Männer also, Rentner mit einem Überschuß an Energien und dem Willen zuzupacken, wo es nötig ist, haben sich hier zusammengetan und drei längere Artikel über den schlechten Zustand der Welt verfaßt - und darüber, wie man ihn verbessern könnte. Ihre Zusammenarbeit geht auf eine Reihe gemeinsamer Unternehmungen zurück, von denen manche nur deshalb zu einer Nachricht wurden, weil sie wie die Reise nach Tschetschenien im Januar 2003 abgebrochen werden mußten.
Neudecks Artikel ist so wie seine Radioberichte, anschaulich, anekdotisch, meinungsfreudig. Erzählt werden die Abenteuer eines Menschenrechts-Globetrotters, wobei die eingestreuten philosophischen Überlegungen und die Attacke auf den Begriff der Nachhaltigkeit doch arg subjektiv bleiben. Überhaupt die philosophischen Überlegungen - damit gehen auch die beiden anderen Autoren verschwenderisch um. Blüm bemüht hintereinander Paul Virilio, Karl Marx, Jeremy Rifkin, Papst Leo XIII., Jürgen Habermas, Nietzsche, Aristoteles, Hobbes, Adorno und viele, viele andere, um nach ein paar anthropologischen Exkursen zu der Einsicht zu gelangen: "Wenn sich die Idee der Menschenrechte mit militärischer Macht verbinden würde, könnte ein Fortschritt ermöglicht werden, der alle technologischen Rekorde einschließlich die Eroberung des Weltraums übertrifft." Jaja. Wenn die Großmutter Räder hätte . . .
Geißlers Artikel trägt den Untertitel "Was auf Dauer Gerechtigkeit und Frieden garantiert". Er beginnt mit einer sachgerechten Analyse der Schwierigkeiten im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins, greift dann das Thema Afghanistan auf und lenkt über zu einer Betrachtung über den "gerechten Krieg". Der Krieg der Vereinigten Staaten im Irak sei kein solcher. Und was ist zu tun, um die Untertitelfrage zu beantworten? Der Kapitalismus muß gebändigt werden. Die Welt muß entmilitarisiert werden. Die globalen Güter müssen gerecht verteilt werden. Darauf muß man erst einmal kommen: Gerechtigkeit und Frieden werden auf die Dauer nur von Gerechtigkeit und Frieden garantiert.
Es ist immer unbefriedigend, wenn weltoffene, politisch-moralisch bewußte und tatkräftige Mitmenschen, deren Weltoffenheit man nur loben kann, deren politisches Engagement so nachdrücklich sittlich hochstehende Zwecke anstrebt und deren Tatkraft Bewunderung weckt, Bücher oder Artikel publizieren, die so deutlich hinter ihrem praktischen Tun zurückbleiben, weil ihre Einsichten eher gutwillig als tiefgründig sind. Das kommt ja leider gar nicht so selten vor. Besser wäre etwas anderes: Neudeck und seine beiden Mitstreiter sollten ihre Memoiren schreiben. Denn es sind ihre - ganz unterschiedlichen - Erfahrungen, aus denen wir Leser neue Einsichten gewinnen können.
Norbert Blüm / Heiner Geißler / Rupert Neudeck: Nach dem Krieg. Vor dem Frieden. Wie es weitergehen kann. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2003. 160 Seiten, 17,90 [Euro].
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Drei lebenserfahrene Praktiker philosophieren über das Schlechte in der Welt / Von Wilfried von Bredow
Rupert Neudeck hat sich als Gründer und guter Geist der Hilfsorganisation "Cap Anamur" sowie als unermüdlicher Reisender auf den Spuren des von Menschen über ihresgleichen gebrachten Elends einen Namen gemacht. Seine unaufgeregte, leicht schleppende Stimme, mit der er von den Schauplätzen der Kriege vor allem in Asien und Afrika berichtet, ist den Hörern politischer Radiosendungen vertraut. Nie hat er herumpalavert, sondern immer lokale Mißstände aufgrund eigener Anschauung angeprangert - und immer mit dem Ziel, helfend einzugreifen. Nicht um irgendwelche "Entwicklungskonzeptionen" ging es ihm, sondern um den Bau eines Krankenhauses, einer Schule oder einer Trinkwasserfilteranlage. Für derlei hat er viel Hilfsbereitschaft mobilisieren und organisieren können. Nicht nur diejenigen, denen er und seine Organisation auf diese Weise geholfen haben, denken mit Respekt und Dankbarkeit an diesen kosmopolitischen Sozialarbeiter.
Auch über Norbert Blüm, den lange Jahre amtierenden Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, und über Heiner Geißler, zeitweise Generalsekretär der CDU, ließen sich lobende Worte für menschenfreundliches Engagement finden. Bei Politikern ist das allerdings insofern etwas schwieriger, als ihr Wirken, auch wenn es auf festen weltanschaulichen Grundlagen aufbaut - in beiden Fällen ist das die christliche Soziallehre -, immer in die Auseinandersetzungen mit dem "politischen Gegner" eingebunden bleibt und auf diese Weise oft merkwürdig zugespitzt wird.
Drei alte Männer also, Rentner mit einem Überschuß an Energien und dem Willen zuzupacken, wo es nötig ist, haben sich hier zusammengetan und drei längere Artikel über den schlechten Zustand der Welt verfaßt - und darüber, wie man ihn verbessern könnte. Ihre Zusammenarbeit geht auf eine Reihe gemeinsamer Unternehmungen zurück, von denen manche nur deshalb zu einer Nachricht wurden, weil sie wie die Reise nach Tschetschenien im Januar 2003 abgebrochen werden mußten.
Neudecks Artikel ist so wie seine Radioberichte, anschaulich, anekdotisch, meinungsfreudig. Erzählt werden die Abenteuer eines Menschenrechts-Globetrotters, wobei die eingestreuten philosophischen Überlegungen und die Attacke auf den Begriff der Nachhaltigkeit doch arg subjektiv bleiben. Überhaupt die philosophischen Überlegungen - damit gehen auch die beiden anderen Autoren verschwenderisch um. Blüm bemüht hintereinander Paul Virilio, Karl Marx, Jeremy Rifkin, Papst Leo XIII., Jürgen Habermas, Nietzsche, Aristoteles, Hobbes, Adorno und viele, viele andere, um nach ein paar anthropologischen Exkursen zu der Einsicht zu gelangen: "Wenn sich die Idee der Menschenrechte mit militärischer Macht verbinden würde, könnte ein Fortschritt ermöglicht werden, der alle technologischen Rekorde einschließlich die Eroberung des Weltraums übertrifft." Jaja. Wenn die Großmutter Räder hätte . . .
Geißlers Artikel trägt den Untertitel "Was auf Dauer Gerechtigkeit und Frieden garantiert". Er beginnt mit einer sachgerechten Analyse der Schwierigkeiten im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins, greift dann das Thema Afghanistan auf und lenkt über zu einer Betrachtung über den "gerechten Krieg". Der Krieg der Vereinigten Staaten im Irak sei kein solcher. Und was ist zu tun, um die Untertitelfrage zu beantworten? Der Kapitalismus muß gebändigt werden. Die Welt muß entmilitarisiert werden. Die globalen Güter müssen gerecht verteilt werden. Darauf muß man erst einmal kommen: Gerechtigkeit und Frieden werden auf die Dauer nur von Gerechtigkeit und Frieden garantiert.
Es ist immer unbefriedigend, wenn weltoffene, politisch-moralisch bewußte und tatkräftige Mitmenschen, deren Weltoffenheit man nur loben kann, deren politisches Engagement so nachdrücklich sittlich hochstehende Zwecke anstrebt und deren Tatkraft Bewunderung weckt, Bücher oder Artikel publizieren, die so deutlich hinter ihrem praktischen Tun zurückbleiben, weil ihre Einsichten eher gutwillig als tiefgründig sind. Das kommt ja leider gar nicht so selten vor. Besser wäre etwas anderes: Neudeck und seine beiden Mitstreiter sollten ihre Memoiren schreiben. Denn es sind ihre - ganz unterschiedlichen - Erfahrungen, aus denen wir Leser neue Einsichten gewinnen können.
Norbert Blüm / Heiner Geißler / Rupert Neudeck: Nach dem Krieg. Vor dem Frieden. Wie es weitergehen kann. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2003. 160 Seiten, 17,90 [Euro].
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