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Claudio ist Lektor in einem Verlag und lebt seit vielen Jahren in New York, nachdem ihn der tragische Verlust seiner ersten großen Liebe aus seiner Heimatstadt Havanna vertrieben hat. Cecilia studiert in Paris. Seit ihrer Kindheit in Mexiko hat sie ein besonderes Faible für Friedhöfe und liebt es, zwischen den Gräbern des Père-Lachaise spazieren zu gehen. Als Claudio und Cecilia sich über gemeinsame Freunde in Paris kennenlernen, verlieben sie sich ineinander, obwohl sie beide in andere Beziehungen verwickelt sind. Über die Distanz hinweg tauschen sie E-Mails, Gedanken, selbst…mehr

Produktbeschreibung
Claudio ist Lektor in einem Verlag und lebt seit vielen Jahren in New York, nachdem ihn der tragische Verlust seiner ersten großen Liebe aus seiner Heimatstadt Havanna vertrieben hat. Cecilia studiert in Paris. Seit ihrer Kindheit in Mexiko hat sie ein besonderes Faible für Friedhöfe und liebt es, zwischen den Gräbern des Père-Lachaise spazieren zu gehen. Als Claudio und Cecilia sich über gemeinsame Freunde in Paris kennenlernen, verlieben sie sich ineinander, obwohl sie beide in andere Beziehungen verwickelt sind. Über die Distanz hinweg tauschen sie E-Mails, Gedanken, selbst zusammengestellte Musikcompilations aus. Doch als Cecilia nach New York fliegt, um Claudio zu besuchen, entwickelt sich ihre Beziehung ganz anders als erwartet ...

Auf intensive, manchmal humorvolle, manchmal beklemmende Weise beleuchtet Guadalupe Nettel die vorsichtige Annäherung ihrer Protagonisten und erschafft so ein tiefschürfendes Bild zweier Menschen, die sich nach Nähe sehnen, doch Schwierigkeiten haben, sich aufeinander einzulassen. Ein berührender Roman über die heilende Kraft der Liebe und die Chancen, die Enttäuschungen für die eigene Liebesfähigkeit sein können.

Autorenporträt
Nettel, Guadalupe
Guadalupe Nettel, 1973 geboren in Mexico City, hat an der Universidad Nacional Autónoma Hispanistik studiert und an der École des Hautes Études in Paris promoviert. Sie arbeitete als Journalistin für verschiedene spanischsprachige Zeitschriften, ihr schriftstellerisches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in zehn Sprachen übersetzt. Nach dem Winter ist der erste Roman der Autorin, der auf Deutsch erscheint. Guadalupe Nettel lebt in Mexico City und ist Herausgeberin des renommierten Literaturmagazins La Revista de la Universidad de Mexico.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2018

Eine Freundin der Friedhöfe

Immigrantengeschichte zwischen Paris und New York bei eisigen Temperaturen: Guadalupe Nettel folgt ihren Figuren bis an den Abgrund.

Von Paul Ingendaay

Zehn Jahre, so die mexikanische Schriftstellerin Guadalupe Nettel, Jahrgang 1973, habe sie an ihrem Roman "Nach dem Winter" geschrieben - ihn angefangen, liegen gelassen, ein anderes Buch geschrieben, dann noch eines, dann den alten Stoff wieder aufgenommen und endlich zum Abschluss gebracht. Man kann verstehen, wie so etwas kommt. Das Thema muss ihr wichtig und von eigener Erfahrung durchtränkt gewesen sein. Und doch spürt man, dass es durch eine große Filteranlage geschickt wurde, die dafür sorgt, dass aus dem eigenen Leben Kunst wird.

"Nach dem Winter" (im Original: "Después del invierno"), ausgezeichnet mit dem Premio Herralde des Anagrama-Verlags, erzählt von zwei lateinamerikanischen Immigranten in der Fremde, Cecilia und Claudio, die in abwechselnden Kapiteln - sie lebt in Paris, er in New York - als Ich-Erzähler auftreten. Der Roman schildert eine Liebe, die verpasst wird und eine Frage provoziert, die man an alle bittersüßen Geschichten dieser Art stellen könnte: Musste es so kommen? Und was hätte geschehen müssen, um das Schicksal zu wenden? Am Ende handelt der Roman gleichsam hinterrücks von all den Dingen - hier fürchterlichen Schicksalsschlägen, dort der Balance zwischen nachtschwarzer Resignation und kleinem Glück -, die sich überhaupt nur ereignen, weil die Liebe zwischen den beiden Figuren nicht stattfindet, sondern scheitert und weggeworfen wird.

Und doch gibt die ausgefallene Liebe dem Buch seine Linie, seine Form und Flughöhe. Cecilia, Mexikanerin wie die Autorin, geht aus ihrer Geburtsstadt Oaxaca nach Paris, um mit einem Stipendium ihre Magisterarbeit in Literaturwissenschaft zu schreiben. Am Anfang kennt sie keinen Menschen, dann kommt sie bei einem Pärchen unter, bis sie eine eigene Wohnung findet. Schon als Kind haben Friedhöfe eine morbide Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Ihre kleine Bude schaut auf den Friedhof Père-Lachaise hinaus, und es ist nicht übertrieben zu sagen, Guadalupe Nettels Roman mache die Geister der Verstorbenen zu Mitspielern, vor allem berühmte Dichter und Musiker. Denn auch Tom, Cecilias Nachbar, dessen Tagesablauf sie durch die dünnen Wände hindurch verfolgt, bevor sie sich mit ihm anfreundet, pflegt eine intensive Nähe zum Tod und hat sich schon an verschiedenen Orten Europas Grabnischen reservieren lassen. Mit Grund: Er ist krank und rechnet mit seinem baldigen Verschwinden.

Den Kubaner Claudio dagegen hat es nach New York verschlagen. Als Angestellter eines Verlags, der sich allein am wohlsten fühlt, führt er ein unkubanisch geordnetes Leben - strenger Zeitplan, pedantische Geschirrbenutzung, eiserne Badezimmerrituale. Für die Herde derer, die sich der Konsumgesellschaft ausliefern, hat er nur Verachtung übrig. So wundert es nicht, dass niemand Claudios winzige Festung auf der Upper Westside betreten darf. Nur in der Beziehung zu Ruth, einer wohlhabenden, deutlich älteren Amerikanerin, lebt Claudio seine Bedürfnisse nach Status und Lebensstil aus, ein paar Macho-Posen eingeschlossen.

Genau in der Mitte des Romans führt Guadalupe Nettel die Lebenslinien ihrer beiden Protagonisten zusammen. Das macht sie elegant, mit Lakonie und einem Anflug von Komik. Claudio verliebt sich in Cecilia. Und Cecilia - viel langsamer - in Claudio. Man schreibt sich. Sieht sich wieder. Dann streben die Linien wieder auseinander, und auch das gelingt Guadalupe Nettel so überzeugend, dass man sich als Leser fragt, warum es nicht mehr Autoren bei solchen Abenteuern der Vergeblichkeit belassen? Kurzes Aufflammen, dann Schluss. Man liest davon eigentlich viel lieber, und realistischer ist es auch.

Danach folgt der Abstieg, für beide, als sei die Saat verdorben, und damit beginnt das Leben, das - man scheut sich, es hinzuschreiben - auf sie gewartet hat. Mit allen Härten, aller Verzweiflung und tiefen Blicken in die letzte Schlucht. Manches an dieser Abwärtsspirale ist nicht mehr mit derselben Leichtigkeit geschildert, und auch die Glaubwürdigkeit leidet. Besonders die Claudio-Kapitel verlieren an Substanz, sein Schicksal wird eher behauptet als erzählt.

Henry James hat einmal über Anthony Trollope geschrieben, gerade seine Detailfülle und alltagsgesättigte Gewöhnlichkeit (er sagte es feiner) werde diesem Viktorianer am Ende den ewigen Ruhm sichern. Und so ist es gekommen: Die sichere Mittellage, im Denken wie im Beschreiben, ist so etwas wie das natürliche Habitat des bürgerlichen Romans. Bis heute hat sich wenig daran geändert.

Auch Guadalupe Nettels Stil will nicht allzu hoch hinaus, und auf den ersten hundert Seiten findet sich kaum ein bemerkenswerter Satz, dafür einige, die mit der Flügelspitze das Klischee streifen. Das klingt im Deutschen behäbiger als nötig, denn die Übersetzerin ist - bei allen Qualitäten, die sie an anderer Stelle beweist - offenbar nicht daran interessiert, die Kühle von Nettels Spanisch zu bewahren.

Doch wie beim impressionistischen Gemälde macht es der Gesamteindruck, nicht der einzelne Farbstrich. Nettels Geschichte ist atmosphärisch dicht, eher von Pariser als von New Yorker Licht durchdrungen, obwohl etwa gleich viel aus beiden Städten erzählt wird, und von einer schwärmerischen Intellektualität erfüllt, die Julio Cortázar und den peruanischen Dichter César Vallejo beschwört - Paris, Mutter der einsamen lateinamerikanischen Poeten, der Zigarettenraucher, Matetrinker, Jazzhörer.

Wenn der melancholisch getönten Immigrantengeschichte am Ende ein bisschen die Puste ausgeht, dann vielleicht deshalb, weil Romane nun einmal irgendwo aufhören müssen - und ein wenig wohl auch, weil die Autorin ihrer schwermütigen Ballade noch eine Moral abgewinnen will, die in ein einziges Bild passt, ein Trost für den Heimweg. Und damit verkauft sie das Ganze zu billig. Wer so weit gelesen hat, dem wird man zutrauen, dass er die Kälte, die der Roman in Bilder fasst, gleichmütig erträgt.

Guadalupe Nettel: "Nach dem Winter". Roman.

Aus dem Spanischen von Carola Fischer. Blessing Verlag, München 2018. 350 S., geb., 22,- [Euro].

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"Ein filigraner Großstadtroman... Nettel versteht es geschickt, mit Raum und den Perspektiven der Figuren zu spielen." SPIEGEL online