Was essen wir? Wie leben wir? Wen lieben wir? Analysiert man die Milliarden Fotos, die auf Instagram gespeichert sind, bekommt man Antworten auf große und kleine Fragen des Lebens. Journalist Tin Fischer und Informatiker David Goldwich haben etliche Gigabyte Fotodaten untersucht und herausgefunden, welche Haustiere am beliebtesten sind, wann welche alkoholischen Getränke konsumiert werden und welche Körperregionen am besten ankommen. Die Ergebnisse werden in Grafiken verpackt und bieten spannende Einblicke in die Lebenswirklichkeit junger Menschen, bei denen die Foto-App mittlerweile beliebter ist als Facebook.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2016Die Welt als buntes Diagramm
Wie Leben und Reisen auf Instagram aussehen
Die Welt ist quadratisch und aufregend gefärbt. Jedenfalls sieht so jedes Instagram-Bild aus. Weil das zu unserem Zeitgeist so gut passt, erlebte der Online-Dienst, auf dem man Bilder hochlädt, einen beispiellosen Siegeszug. Er wurde für eine Milliarde Dollar an Facebook verkauft, obwohl er damals nur ein kleines Büro mit einem Dutzend Mitarbeitern war. Wenn Instagram die Art prägt (und entlarvt), wie Menschen heute die Welt sehen, gilt das auf Reisen ganz besonders. Hier knipst man seinen Cocktailabend oder seinen Babybauch, aber hier schießt man auch die Selfies am Machu Picchu, vor der Golden Gate Bridge oder dem Brandenburger Tor. Und danach versieht man das noch mit Schlagworten, den #Hashtags. Wer dieses soziale Netzwerk als Ganzes zu sehen vermag, betrachtet die Welt aus den Augen von Millionen Kameras.
Genau das versucht das Buch "Nach dem Wochenende bin ich erst mal #krank". Die Autoren - ein Journalist, ein Programmierer und ein Grafiker - haben Instagram mit einer Software durchkämmt, die ihnen alle Bilder zu einem bestimmten Stichwort ausgibt. (Heute wäre das übrigens nicht mehr möglich, weil das Netzwerk seit Mitte 2016 solche Daten-Roboter vor der Tür hält.) Was sie also auf diese Art fanden, verarbeiteten sie zu Tabellen, Diagrammen und Grafiken, die uns nun die Welt erklären: von Listen der Tiere, die man wirklich auf Safaris sieht (Elefanten!), bis hin zu Hashtags, die Menschen ihren Bildern aus verschiedenen Orten geben: Mallorca bekommt dabei Begriffe wie Sonne, Familie, Architektur, Ibiza hingegen ganz andere, nämlich Party, Musik, Freunde und DJ.
Das ist soziologisch selbstverständlich alles unhaltbar, hier ist eine amüsante Küchenpsychologie des Denkens auf Instagram entstanden. Die Autoren haben auf ihre kreative Art zusammengetragen, was sie online fanden, und manchmal ist es dann eben eine Sammlung der Emojis, die Paare von ihren Flitterwochen posten. Auf Platz eins: Herzen. Dann Palmen, Sonne, ein Flugzeug. Seltsamerweise oft auch ein Fisch. Handfester ist da schon die Information, von wo am häufigsten Bilder von #rooftoppools geschickt werden: aus Bangkok nämlich. Dicht gefolgt von Singapur. New York kommt am Ende der Liste, ist also nicht Weltspitze, wenn es um das Schwimmen auf Dachterrassen geht.
Eine Grafik zeigt den Vatikan aus der Vogelperspektive, und auf dieser Karte sind zahllose kleine gelbe Punkte verteilt, nämlich die Orte, wo Fotos geschossen wurden. Man sieht: Wer reinkommt, schießt kaum noch Fotos. Ein paar Auserwählte aber schon. Oder, wie fotografieren Menschen eigentlich auf dem Jakobsweg? Am Anfang sehr viel, und viel Banales. Im mittleren Abschnitt dann fast überhaupt nicht. Vielleicht ist der Akku da gerade leer. Und am Schluss kommen dann wieder Tintenfischteller, schließlich Jubelbilder, wenn man es geschafft hat. Apropos Essen: Dass die Pizza auf Reisen immer anders schmeckt, lässt sich belegen. Die Schnappschüsse der Touristen zeigen: Deutsche neigen dazu, Reibekäse zu nehmen, nicht Mozzarella. Franzosen lieben Trüffel als Zutat. Amerikaner essen nahezu alles auf der Pizza.
Das Buch, das am kommenden Donnerstag erscheint, ist übrigens nicht nur ein Reisebuch. Man kann darin auch nachschlagen, welche Körperteile am häufigsten präsentiert werden (Bauchnabel sind erstaunlich beliebt) oder wann die Selfie-Sticks in Mode kamen (urplötzlich um Weihnachten 2014). Alles letztlich nutzlose Informationen, die aber von dem Grafiker Ole Häntzschel äußerst ansprechend aufbereitet sind. Das Buch ist eben so, wie das Netzwerk auch: total überflüssig. Aber schrecklich amüsant.
THOMAS LINDEMANN
Tin Fischer, Ole Häntzschel, David Goldwich: "Nach dem Wochenende bin ich erst mal #krank: Was Instagram über uns verrät". Piper, München, 208 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Leben und Reisen auf Instagram aussehen
Die Welt ist quadratisch und aufregend gefärbt. Jedenfalls sieht so jedes Instagram-Bild aus. Weil das zu unserem Zeitgeist so gut passt, erlebte der Online-Dienst, auf dem man Bilder hochlädt, einen beispiellosen Siegeszug. Er wurde für eine Milliarde Dollar an Facebook verkauft, obwohl er damals nur ein kleines Büro mit einem Dutzend Mitarbeitern war. Wenn Instagram die Art prägt (und entlarvt), wie Menschen heute die Welt sehen, gilt das auf Reisen ganz besonders. Hier knipst man seinen Cocktailabend oder seinen Babybauch, aber hier schießt man auch die Selfies am Machu Picchu, vor der Golden Gate Bridge oder dem Brandenburger Tor. Und danach versieht man das noch mit Schlagworten, den #Hashtags. Wer dieses soziale Netzwerk als Ganzes zu sehen vermag, betrachtet die Welt aus den Augen von Millionen Kameras.
Genau das versucht das Buch "Nach dem Wochenende bin ich erst mal #krank". Die Autoren - ein Journalist, ein Programmierer und ein Grafiker - haben Instagram mit einer Software durchkämmt, die ihnen alle Bilder zu einem bestimmten Stichwort ausgibt. (Heute wäre das übrigens nicht mehr möglich, weil das Netzwerk seit Mitte 2016 solche Daten-Roboter vor der Tür hält.) Was sie also auf diese Art fanden, verarbeiteten sie zu Tabellen, Diagrammen und Grafiken, die uns nun die Welt erklären: von Listen der Tiere, die man wirklich auf Safaris sieht (Elefanten!), bis hin zu Hashtags, die Menschen ihren Bildern aus verschiedenen Orten geben: Mallorca bekommt dabei Begriffe wie Sonne, Familie, Architektur, Ibiza hingegen ganz andere, nämlich Party, Musik, Freunde und DJ.
Das ist soziologisch selbstverständlich alles unhaltbar, hier ist eine amüsante Küchenpsychologie des Denkens auf Instagram entstanden. Die Autoren haben auf ihre kreative Art zusammengetragen, was sie online fanden, und manchmal ist es dann eben eine Sammlung der Emojis, die Paare von ihren Flitterwochen posten. Auf Platz eins: Herzen. Dann Palmen, Sonne, ein Flugzeug. Seltsamerweise oft auch ein Fisch. Handfester ist da schon die Information, von wo am häufigsten Bilder von #rooftoppools geschickt werden: aus Bangkok nämlich. Dicht gefolgt von Singapur. New York kommt am Ende der Liste, ist also nicht Weltspitze, wenn es um das Schwimmen auf Dachterrassen geht.
Eine Grafik zeigt den Vatikan aus der Vogelperspektive, und auf dieser Karte sind zahllose kleine gelbe Punkte verteilt, nämlich die Orte, wo Fotos geschossen wurden. Man sieht: Wer reinkommt, schießt kaum noch Fotos. Ein paar Auserwählte aber schon. Oder, wie fotografieren Menschen eigentlich auf dem Jakobsweg? Am Anfang sehr viel, und viel Banales. Im mittleren Abschnitt dann fast überhaupt nicht. Vielleicht ist der Akku da gerade leer. Und am Schluss kommen dann wieder Tintenfischteller, schließlich Jubelbilder, wenn man es geschafft hat. Apropos Essen: Dass die Pizza auf Reisen immer anders schmeckt, lässt sich belegen. Die Schnappschüsse der Touristen zeigen: Deutsche neigen dazu, Reibekäse zu nehmen, nicht Mozzarella. Franzosen lieben Trüffel als Zutat. Amerikaner essen nahezu alles auf der Pizza.
Das Buch, das am kommenden Donnerstag erscheint, ist übrigens nicht nur ein Reisebuch. Man kann darin auch nachschlagen, welche Körperteile am häufigsten präsentiert werden (Bauchnabel sind erstaunlich beliebt) oder wann die Selfie-Sticks in Mode kamen (urplötzlich um Weihnachten 2014). Alles letztlich nutzlose Informationen, die aber von dem Grafiker Ole Häntzschel äußerst ansprechend aufbereitet sind. Das Buch ist eben so, wie das Netzwerk auch: total überflüssig. Aber schrecklich amüsant.
THOMAS LINDEMANN
Tin Fischer, Ole Häntzschel, David Goldwich: "Nach dem Wochenende bin ich erst mal #krank: Was Instagram über uns verrät". Piper, München, 208 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Die ultimative Instagram-Analyse.", Märkische Allgemeine, 18.01.2017