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gewidmet. Der Mensch, der heute mit einer chronischen körperlichen Anfechtung zu ringen hat, ist ein permanenter oder zumindest periodischer Gast der Klinik. Er verbindet sich mit Maschinen, die sein irritiertes inneres Regen messen, verbindet sich mit geregelten Abläufen ärztlicher Behandlung, und ist deren Herausforderung. Schreibend sich darin zu behaupten, gegen die Frist des instabilen Seins, ist ein Aufruhr von nackter Diesseitigkeit. Der Defekt und die Apparate und Verfahren seiner Beschwichtigung werden Teil der Selbstverständigung. Sie zu beschreiben, zu benennen, ihrem Rumoren einen…mehr

Produktbeschreibung
gewidmet. Der Mensch, der heute mit einer chronischen körperlichen Anfechtung zu ringen hat, ist ein permanenter oder zumindest periodischer Gast der Klinik. Er verbindet sich mit Maschinen, die sein irritiertes inneres Regen messen, verbindet sich mit geregelten Abläufen ärztlicher Behandlung, und ist deren Herausforderung. Schreibend sich darin zu behaupten, gegen die Frist des instabilen Seins, ist ein Aufruhr von nackter Diesseitigkeit. Der Defekt und die Apparate und Verfahren seiner Beschwichtigung werden Teil der Selbstverständigung. Sie zu beschreiben, zu benennen, ihrem Rumoren einen Vers abzugewinnen, ist das Bemühen, mit dem eigenen Ausdruck im Leben zu sein. Am Puls der Zeit statt am Piepen der Herzrhythmuskontrolle - beide Takte sind im Gedicht verstrickt, um die Narkose zu verlassen. Neben den Gedicht-Zyklen "nach den narkosen", "plasma" und "medtronic KAPPA KSR 901", die sich dem klinischen Dasein widmen, enthält der Band außerdem den Zyklus "gärten ohne menschen",der durch die Institution der Grünanlage wandelt, diesem bürokratischen Reflex auf halbe Sehnsüchte nach Natur. Den Zyklus "martin heidegger schaltet das radio ein" treibt die Frage um nach der prometheischen Scham, ihrem Fehlen, in der Verwicklung von Technik und Philosophie. "digitales dharma, diptychen" versammelt Gedicht-Spaltungen zum Thema Sichtbarkeit und Unverfügbarkeit im Netz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2018

Körper unter Körpern
Paul-Henri Campbells Lyrik über Grenzerfahrungen

Paul-Henri Campbell ist erst Mitte dreißig, aber durch ein angeborenes Herzleiden mit dem Tod vertraut. Dass er lebt, ist ein Verdienst der Medizin. In seinem Gedichtband "Nach den Narkosen" schreibt er nun erstmals über seine Erlebnisse mit der Krankheit - nicht nur in Poemen, sondern auch in einem längeren Essay, den er bescheiden als "Anmerkungen" deklariert. Intensiver ist über die Konfrontation mit dem Sterben selten gedichtet worden; illusionsloser auch nicht, wenn die versehrte Körperwahrnehmung im Mittelpunkt steht wie etwa in "aufwachsaal": "und deine haut / noch taub vom taumel ihres falls brennt / denn du bis wieder / ding unter dingen körper unter körpern / bruch spreizung riss und blutige naht / bedeckt dein nacktes haus leinentuch / warst abwesender im haus entschlafen".

Der in Boston geborene Campbell kam mit seiner Familie als Jugendlicher nach Deutschland und schreibt in zwei Sprachen; auch hier gibt es englische Gedichte und gemischtsprachige. Dazu Zyklen im Stil konkreter Poesie, über zwei Seiten abfallend aufgespannt wie eine Gesundheitskurve. Sie entstammen schon dem zweiten Zyklus des Bandes, "ein heer von engeln und scholastern", in dem Campbell seine Vertrautheit mit den lyrischen Formen demonstriert. Gemeinsam mit dem Kritiker Michael Braun gibt er seit kurzem auch das "Lyrik-Jahrbuch" heraus".

Es ist ein Glücksfall für die deutsche Lyrik, dass ein so anschaulicher, zugleich aber sowohl sprachlich wie stilistisch avancierter Band erscheint. Mit ihm dürfte sich Paul-Henri Campbell als einer der wichtigsten jüngeren Dichter etablieren. Weil er schon so viel erlebt hat, weit über sein Alter hinaus. Diese Erfahrungen werden hier grandios fruchtbar.

apl.

Paul-Henri Campbell: "Nach den Narkosen". Gedichte. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017. 93 S., br., 18,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Paul-Henri Campbells hellsichtiger Existenzgesang demonstriert eindrucksvoll, dass uns die Tröstungen der Theologie aus der Heilllosigkeit nicht mehr befreien können.« Michael Braun, Die Rheinpfalz »Gedichte von verstörender Schönheit als Reflexion über das Memento mori.« Guy Helminger, Livres, Tageblatt »Es ist ein Glücksfall für die deutsche Lyrik, dass ein so anschaulicher, zugleich aber sowohl sprachlich wie stilistisch avancierter Band erscheint. Mit ihm dürfte sich Paul-Henri-Campbell als einer der wichtigsten jüngeren Dichter etablieren.« Andreas Platthaus, FAZ »Den Reiz beziehen Campbells Gedichte, die explizit von klinischer Erfahrung und Todesnähe sprechen, aus ihrer formalen Virtuosität, dem Anspielungsreichtum, dem kontrolliert Spielerischen.« Beate Tröger, Literaturblatt »So sorgfältig durchgearbeitet die Gedichte sind, sie wirken in ihrer Darstellung des Schmerzes doch unverstellt direkt. [...] Hier ist einer aus allen Narkosen aufgewacht - und kämpft.« AntjeWeber, Süddeutsche Zeitung »Campbell, der leider noch zu wenig bekannt ist, schreibt geradezu atemberaubende, in ihrem Rhythmus, ihrem Sound, ihrer Bildlichkeit unverwechselbar eigene, soll heißen: dem Leben "abgerungene" Gedichte.« Kurt Drawert, faust