Brennpunkt Afghanistan: Die "Allianz gegen den Terror" jagt Osama bin Laden und die Taliban, Krieg und Elend prägen den Alltag der Bevölkerung. Die renommierten Islamforscher und Afghanistan-Experten Michael Pohly und Khalid Duran beschreiben fundiert die geopolitischen Hintergründe der afghanischen Tragödie und zeigen auf, wie das Land am Hindukusch zwischen internationalen Machtinteressen aufgerieben wurde. Sie analysieren die unterschiedlichen innenpolitischen Kräfte und diskutieren verschiedene Wege, wie Afghanistan zu einem dauerhaften Frieden finden könnte. Wesentlicher Hoffnungsträger der Bevölkerung ist die "Union der freiheitsliebenden Kämpfer Afghanistans", die im Herbst 2001 ihr "Demokratisches Manifest" verabschiedet hat, das von der Weltpolitik bislang ignoriert wurde und hier erstmals vorgestellt wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2002Historische Annäherungen
Die ersten Bücher über den Afghanistan-Krieg und den Terror der Al Qaida sind Fleißarbeiten
Roland Jacquard: Die Akte Osama Bin Laden. Das geheime Dossier über den meistgesuchten Terroristen der Welt. Econ Ullstein List Verlag, München 2001. 366 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 22,- Euro.
Jean-Charles Brisard/Guillaume Dasquié: Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden. Pendo Verlag, Zürich 2002. 284 Seiten, 18,90 Euro.
Hans Krech: Der Afghanistan-Konflikt 2001. Ein Handbuch. Verlag Dr. Köster, Berlin 2002. 262 Seiten, 32,80 Euro.
Michael Pohly/Khalid Durán: Nach den Taliban. Afghanistan zwischen internationalen Machtinteressen und demokratischer Erneuerung. Unter Mitarbeit von Beate Gleißner. Econ Ullstein List Verlag, München 2002. 160 Seiten, 6,95 Euro.
Die Geschichte des Krieges gegen die Taliban, Al Qaida und Usama Bin Ladin wird erst noch geschrieben werden. Jahre wird es wohl dauern, bis die Historiker die Spreu vom Weizen getrennt, das heißt in allen Einzelheiten herausgefunden haben werden, "wie es wirklich gewesen ist". Auch beim Golfkrieg vor zehn Jahren war das so. Da wird auch manches vorschnelle Urteil wieder zunichte, manche Begründung modifiziert, ergänzt und erweitert werden müssen. Das gilt auch für die Vorgeschichte dieses Konfliktes.
Einstweilen muß man sich mit Büchern behelfen, deren Autoren eine mehr oder weniger rasche Fleißarbeit geleistet haben mit dem Ziel, möglichst schnell auf dem Markt zu erscheinen. Das ist legitim, sollte aber vom Leser berücksichtigt werden. Es ist mehr eine Fülle von interessanten Fakten als tiefe Gründlichkeit des historischen Verstehens, die er zu erwarten hat. Immerhin: Konturen werden doch sichtbar, Einzelheiten wiederholen sich, manch brisante Information trägt schon - nimmt man alles nur in allem - zu einem besseren Verständnis dieser Weltkrise bei.
Das Buch des Franzosen Roland Jacquard ("Die Akte Osama Bin Laden"), in dem viel von Geheimdossiers die Rede ist, kann als Einstieg in die Biographie des "Erzterroristen" Bin Ladin und als erster Einblick in Entstehung und Finanzierung seines Terrornetzes genommen werden. Man erfährt in großen Zügen vieles über die Karriere dieses Mannes aus Saudi-Arabien, der - wie bereits sein Vater - viele Jahre engste, auch verwandtschaftlich begründete Beziehungen zum saudischen Königshaus unterhielt, den Dschihad in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzungstruppen zu wesentlichen Teilen organisierte, von Saudi-Arabien schließlich ausgebürgert wurde ("Riads verstoßener Sohn"), dann in Sudan wirkte, bis auch dieses Land ihn hinauswarf und er schließlich endgültig in Afghanistan bei Mullah Omar und den Taliban sein Refugium fand. Dort gehorchten ihm auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn 40 000 Kämpfer, viele von ihnen aus arabischen Ländern. 1988 gründete er Al Qaida. Nun beschäftigt er die Welt. Ein Anhang bringt Dokumente, aus denen der radikal antiwestliche, haßerfüllte Ungeist der terroristischen Gewaltbegründungen der Islamisten spricht.
Die Verbindungen und Verstrickungen der Amerikaner mit den afghanischen Mudschahedin, Bin Ladin und den Taliban beschreiben Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié ("Die verbotene Wahrheit"). Es ist ein Lehrstück in "Realpolitik", das heißt eine historische Illustration des bekannten Satzes, daß "der Feind meines Feindes mein Freund" sei. Die Amerikaner sind keineswegs die einzige Macht, die nach dieser Devise handelte und handelt, doch in Afghanistan kam man mit ihr auf besondere Weise in die Bredouille.
Nach der erfolgreichen Unterstützung der Mudschahedin gegen die sowjetischen Invasoren kam es - nicht zuletzt weil der Westen nach dem Sieg die Afghanen "hängen" ließ - zum Bürgerkrieg der Mudschahedin-Gruppen untereinander. Diesem Treiben, das das Land vollends zu zerstören drohte, sollten die seit 1994 auftretenden Taliban als Ordnungsmacht ein Ende bereiten, nicht zuletzt auch im Interesse der Weltmacht Amerika in Mittelasien, aber auch der übrigen Anrainerstaaten. Besonders Nachbarstaaten wie Pakistan und natürlich Saudi-Arabien verfolgten mit Hilfe der "Koranschüler" ihre Ziele.
In der rührigen Laila Helms, der Nichte des ehemaligen CIA-Direktors Richard Helms, hatten schon die antikommunistischen Mudschahedin eine fähige Lobbyistin in Washington, unter den antiwestlichen Taliban machte sie bis zuletzt mit ihrer Arbeit weiter. Es entstand ein Geflecht von Wünschen und Abhängigkeiten, in das neben Pakistan auch Amerikas Verbündeter Saudi-Arabien tief verflochten war, so sehr, daß am Ende alle Versuche, Usama Bin Ladins auf nichtkriegerische Weise mit Hilfe der Saudis oder anderer habhaft zu werden, scheiterten.
Die zwielichtige Schlüsselfunktion Saudi-Arabiens in der Region sei von Washington sträflich unterschätzt worden, schreiben die Autoren. Dann ereignete sich der 11. September. Er bildete nach der Überzeugung der Verfasser den tragischen Abschluß von geheimen Verhandlungen der Amerikaner mit den Taliban, die bis zum Sommer 2001 fortdauerten und bei denen auch Ölinteressen eine Rolle spielten. Usama Bin Ladin, so lautet die in Frankreich heiß debattierte These, sei gleichermaßen (ungeliebter) "Partner" wie erbitterter Feind des Westens gewesen.
Mehr den Charakter eines Handbuches hat die Zusammenfassung Hans Krechs unter dem Titel "Der Afghanistan-Konflikt 2001". Hintergrundberichte und Chronologien der Ereignisse ergänzen einander. Der Bogen reicht vom 11. September bis zum Frühjahr dieses Jahres. Der Autor glaubt, Beweise dafür zu haben, daß auch der Irak - neben der starken saudischen Opposition - zu den Hintermännern der Anschläge gehört. Schon 1998 seien Al Qaida und der Irak eine gemeinsame Front eingegangen. Angesichts der gegenwärtigen Situation, in der über eine mögliche Militäraktion gegen den Irak spekuliert wird, sind das brisante Behauptungen. In den Vereinigten Staaten werden diese eher bestritten; man stützt sich da mehr auf die Begründung, der Irak müsse wegen seiner Massenvernichtungswaffen in die Schranken gewiesen werden.
Nach ihrem Buch über Usama Bin Ladin haben die Afghanistan-Kenner Michael Pohly und Khalid Durán in gleicher Aufmachung ein Bändchen "Nach den Taliban" nachgeschoben. In ihm zeigen sie, wie das Land durch innerafghanische Rivalitäten und außerafghanische Machtinteressen in 23 Jahren zerstört wurde. Alle Bürgerkriegsparteien werden vorgestellt. An die Stelle der diskreditierten Kräfte, die sich an dieser Zerstörung maßgeblich beteiligt haben, wollen sie eine Erneuerung durch unbelastete, säkular-demokratische Kräfte gesetzt sehen. Man geht kaum fehl, wenn man annimmt, daß ihr Zutrauen zur gegenwärtigen Übergangsregierung nicht das allergrößte ist.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die ersten Bücher über den Afghanistan-Krieg und den Terror der Al Qaida sind Fleißarbeiten
Roland Jacquard: Die Akte Osama Bin Laden. Das geheime Dossier über den meistgesuchten Terroristen der Welt. Econ Ullstein List Verlag, München 2001. 366 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 22,- Euro.
Jean-Charles Brisard/Guillaume Dasquié: Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden. Pendo Verlag, Zürich 2002. 284 Seiten, 18,90 Euro.
Hans Krech: Der Afghanistan-Konflikt 2001. Ein Handbuch. Verlag Dr. Köster, Berlin 2002. 262 Seiten, 32,80 Euro.
Michael Pohly/Khalid Durán: Nach den Taliban. Afghanistan zwischen internationalen Machtinteressen und demokratischer Erneuerung. Unter Mitarbeit von Beate Gleißner. Econ Ullstein List Verlag, München 2002. 160 Seiten, 6,95 Euro.
Die Geschichte des Krieges gegen die Taliban, Al Qaida und Usama Bin Ladin wird erst noch geschrieben werden. Jahre wird es wohl dauern, bis die Historiker die Spreu vom Weizen getrennt, das heißt in allen Einzelheiten herausgefunden haben werden, "wie es wirklich gewesen ist". Auch beim Golfkrieg vor zehn Jahren war das so. Da wird auch manches vorschnelle Urteil wieder zunichte, manche Begründung modifiziert, ergänzt und erweitert werden müssen. Das gilt auch für die Vorgeschichte dieses Konfliktes.
Einstweilen muß man sich mit Büchern behelfen, deren Autoren eine mehr oder weniger rasche Fleißarbeit geleistet haben mit dem Ziel, möglichst schnell auf dem Markt zu erscheinen. Das ist legitim, sollte aber vom Leser berücksichtigt werden. Es ist mehr eine Fülle von interessanten Fakten als tiefe Gründlichkeit des historischen Verstehens, die er zu erwarten hat. Immerhin: Konturen werden doch sichtbar, Einzelheiten wiederholen sich, manch brisante Information trägt schon - nimmt man alles nur in allem - zu einem besseren Verständnis dieser Weltkrise bei.
Das Buch des Franzosen Roland Jacquard ("Die Akte Osama Bin Laden"), in dem viel von Geheimdossiers die Rede ist, kann als Einstieg in die Biographie des "Erzterroristen" Bin Ladin und als erster Einblick in Entstehung und Finanzierung seines Terrornetzes genommen werden. Man erfährt in großen Zügen vieles über die Karriere dieses Mannes aus Saudi-Arabien, der - wie bereits sein Vater - viele Jahre engste, auch verwandtschaftlich begründete Beziehungen zum saudischen Königshaus unterhielt, den Dschihad in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzungstruppen zu wesentlichen Teilen organisierte, von Saudi-Arabien schließlich ausgebürgert wurde ("Riads verstoßener Sohn"), dann in Sudan wirkte, bis auch dieses Land ihn hinauswarf und er schließlich endgültig in Afghanistan bei Mullah Omar und den Taliban sein Refugium fand. Dort gehorchten ihm auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn 40 000 Kämpfer, viele von ihnen aus arabischen Ländern. 1988 gründete er Al Qaida. Nun beschäftigt er die Welt. Ein Anhang bringt Dokumente, aus denen der radikal antiwestliche, haßerfüllte Ungeist der terroristischen Gewaltbegründungen der Islamisten spricht.
Die Verbindungen und Verstrickungen der Amerikaner mit den afghanischen Mudschahedin, Bin Ladin und den Taliban beschreiben Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié ("Die verbotene Wahrheit"). Es ist ein Lehrstück in "Realpolitik", das heißt eine historische Illustration des bekannten Satzes, daß "der Feind meines Feindes mein Freund" sei. Die Amerikaner sind keineswegs die einzige Macht, die nach dieser Devise handelte und handelt, doch in Afghanistan kam man mit ihr auf besondere Weise in die Bredouille.
Nach der erfolgreichen Unterstützung der Mudschahedin gegen die sowjetischen Invasoren kam es - nicht zuletzt weil der Westen nach dem Sieg die Afghanen "hängen" ließ - zum Bürgerkrieg der Mudschahedin-Gruppen untereinander. Diesem Treiben, das das Land vollends zu zerstören drohte, sollten die seit 1994 auftretenden Taliban als Ordnungsmacht ein Ende bereiten, nicht zuletzt auch im Interesse der Weltmacht Amerika in Mittelasien, aber auch der übrigen Anrainerstaaten. Besonders Nachbarstaaten wie Pakistan und natürlich Saudi-Arabien verfolgten mit Hilfe der "Koranschüler" ihre Ziele.
In der rührigen Laila Helms, der Nichte des ehemaligen CIA-Direktors Richard Helms, hatten schon die antikommunistischen Mudschahedin eine fähige Lobbyistin in Washington, unter den antiwestlichen Taliban machte sie bis zuletzt mit ihrer Arbeit weiter. Es entstand ein Geflecht von Wünschen und Abhängigkeiten, in das neben Pakistan auch Amerikas Verbündeter Saudi-Arabien tief verflochten war, so sehr, daß am Ende alle Versuche, Usama Bin Ladins auf nichtkriegerische Weise mit Hilfe der Saudis oder anderer habhaft zu werden, scheiterten.
Die zwielichtige Schlüsselfunktion Saudi-Arabiens in der Region sei von Washington sträflich unterschätzt worden, schreiben die Autoren. Dann ereignete sich der 11. September. Er bildete nach der Überzeugung der Verfasser den tragischen Abschluß von geheimen Verhandlungen der Amerikaner mit den Taliban, die bis zum Sommer 2001 fortdauerten und bei denen auch Ölinteressen eine Rolle spielten. Usama Bin Ladin, so lautet die in Frankreich heiß debattierte These, sei gleichermaßen (ungeliebter) "Partner" wie erbitterter Feind des Westens gewesen.
Mehr den Charakter eines Handbuches hat die Zusammenfassung Hans Krechs unter dem Titel "Der Afghanistan-Konflikt 2001". Hintergrundberichte und Chronologien der Ereignisse ergänzen einander. Der Bogen reicht vom 11. September bis zum Frühjahr dieses Jahres. Der Autor glaubt, Beweise dafür zu haben, daß auch der Irak - neben der starken saudischen Opposition - zu den Hintermännern der Anschläge gehört. Schon 1998 seien Al Qaida und der Irak eine gemeinsame Front eingegangen. Angesichts der gegenwärtigen Situation, in der über eine mögliche Militäraktion gegen den Irak spekuliert wird, sind das brisante Behauptungen. In den Vereinigten Staaten werden diese eher bestritten; man stützt sich da mehr auf die Begründung, der Irak müsse wegen seiner Massenvernichtungswaffen in die Schranken gewiesen werden.
Nach ihrem Buch über Usama Bin Ladin haben die Afghanistan-Kenner Michael Pohly und Khalid Durán in gleicher Aufmachung ein Bändchen "Nach den Taliban" nachgeschoben. In ihm zeigen sie, wie das Land durch innerafghanische Rivalitäten und außerafghanische Machtinteressen in 23 Jahren zerstört wurde. Alle Bürgerkriegsparteien werden vorgestellt. An die Stelle der diskreditierten Kräfte, die sich an dieser Zerstörung maßgeblich beteiligt haben, wollen sie eine Erneuerung durch unbelastete, säkular-demokratische Kräfte gesetzt sehen. Man geht kaum fehl, wenn man annimmt, daß ihr Zutrauen zur gegenwärtigen Übergangsregierung nicht das allergrößte ist.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Die Geschichte des Krieges gegen die Taliban, Al Quaida und Usama Bin Laden wird erst noch geschrieben werden", meint Rezensent Wolfgang Günter Lerch, und bis dahin begnügt er sich mit den faktenreichen "Fleißarbeiten", die in letzter Zeit erschienen sind. Die Autoren Michael Pohly und Khalid Duran sind für Lerch "Afghanistan-Kenner". Sie haben ein kleines Buch verfasst, in dem sie zeigen, "wie das Land durch innerafghanischen Rivalitäten und außerafghanische Machtinteressen in 23 Jahren zerstört wurde", berichtet Lerch und hebt hervor, dass hier alle Bürgerkriegsparteien dargestellt werden. Pohly und Duran wünschen sich eine Veränderung durch "säkular-demokratische Kräfte". Ihr Vertrauen in die aktuelle Übergangsregierung in Afghanistan ist nicht gerade groß, hat der Rezensent bei seiner Lektüre festgestellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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