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Wir sehen uns heute mit einem Artenschwund konfrontiert, für dessen Ausmaß und Geschwindigkeit es in der Geschichte kaum Präzedenzfälle gibt. Nicht nur wissenschaftlich und politisch, sondern auch kulturell stellt diese Entwicklung eine Herausforderung dar. Ausgestorbene und aussterbende Arten werden in Kunst, Film und Literatur als Signale für eine Modernisierungskrise gedeutet, in der sich der Mensch letztlich als biologische Art neu zu denken sucht. Ursula Heise zeigt in ihrem Essay, wie aus der kreativen Umgestaltung alter Erzählmuster im Zeitalter der Globalisierung bei Wissenschaftlern,…mehr

Produktbeschreibung
Wir sehen uns heute mit einem Artenschwund konfrontiert, für dessen Ausmaß und Geschwindigkeit es in der Geschichte kaum Präzedenzfälle gibt. Nicht nur wissenschaftlich und politisch, sondern auch kulturell stellt diese Entwicklung eine Herausforderung dar. Ausgestorbene und aussterbende Arten werden in Kunst, Film und Literatur als Signale für eine Modernisierungskrise gedeutet, in der sich der Mensch letztlich als biologische Art neu zu denken sucht. Ursula Heise zeigt in ihrem Essay, wie aus der kreativen Umgestaltung alter Erzählmuster im Zeitalter der Globalisierung bei Wissenschaftlern, Künstlern, Schriftstellern und Regisseuren ein "posthumanes" Bild des Menschen als kosmopolitisches Tier entsteht.
Autorenporträt
Heise, Ursula K.Ursula K. Heise, geboren 1960, ist Professorin für Anglistik und Direktorin des Programms für Modern Thought and Literature an der Stanford University. Ihre Lehr- und Forschungstätigkeit konzentriert sich auf die Verbindungen von zeitgenössischer Kultur, Globalisierung und Umweltbewußtsein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2011

Die Zählung der Arten

Was immer die Natur von jener Unverfügbarkeit verlieren mag, die eigentlich als unverzichtbares Erbteil ihres Begriffs gelten muss - sie ist immer noch hinreichend unübersichtlich. Ein Anzeichen dafür ist der Umstand, dass wir nicht einmal ungefähr wissen, wie viele Spezies es gibt. Allerdings interessiert die absolute Zahl der Arten allgemein ohnehin weniger als deren gegenwärtige Aussterberate. Die Schätzungen liegen hoch, das heißt markant höher als die vermuteten durchschnittlichen Raten, die ohne menschliches Zutun in der Geschichte des Lebens zustande kamen. Daran und an hervorstechende Fälle ("flagship species") knüpfen sich die dringenden Appelle, diesen Artenschwund zu bremsen, und die Einforderung wirksamer Schutzmaßnahmen von als gefährdet eingestuften Arten.

Appelliert wird an die Einsicht, dass mit fortschreitendem Artensterben wirtschaftliche, medizinische und ästhetische Ressourcen der Menschheit unwiederbringlich verlorengingen. Oder aber es wird noch diese Veranschlagung eines Ressourcenwerts der Natur als Ausläufer eines fatalen Ausbeutungsverhältnisses genommen und dagegen ein unverfügbarer Eigenwert der Natur gesetzt, deren Vielfalt (Biodiversität) als solche erhaltenswert sei.

An skeptischen Einwänden gegen die generelle Anwaltschaft für Artenvielfalt mangelt es auch nicht. Schließlich sei das Aussterben einer Art in der Erdgeschichte nicht die Ausnahme, sondern die Regel; hat sich die Artenvielfalt selbst nach gravierenden Einschnitten durchaus wieder eingestellt, wenn auch natürlich nur in erdgeschichtlichen Zeiträumen; sind die ins Spiel gebrachten Zahlen angesichts unserer sehr beschränkten Kenntnisse naturgemäß wackelig; kann man über den operativen Wert des Konzepts Biodiversität sehr gut streiten, und durchaus nicht erst, wenn es um die Biosphäre insgesamt geht.

Das ist der Hintergrund, vor dem sich die in Stanford lehrende Literaturwissenschaftlerin Ursula Heise mit der Anziehungskraft von Erzählmustern befasst, die den Beschwörungen eines Endes der (vielfältigen) Natur unterlegt sind. ("Nach der Natur". Das Artensterben und die moderne Kultur. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 190 S., br., 12,- [Euro]). Auf recht bündige Weise führt sie vor Augen, wie die Eindeutigkeit literarisch und populärkulturell vertrauter Imaginationen solcher Endszenarien die Unwägbarkeiten der anvisierten Prozesse überformt.

Eine Untersuchung dieser Art kann natürlich schnell zwischen die Fronten öffentlicher Debatten geraten: Den einen wird sie dann zum Beleg für eine mangelnde "harte" Begründung der bedrohlichen Szenarien unseres Umgangs mit der Natur, die anderen wittern darin die tendenzielle Verharmlosung unserer fatalen Wirkungen. Aber weder das eine noch das andere ist richtig. Worum es nicht zuletzt geht, das ist, sich die Vorstellung wissenschaftlich einfach und trennscharf entscheidbarer Verhältnisse - möglichst passend zu vorgefassten Urteilen - auf diesem Terrain abzugewöhnen. Und in Zeiten des durchschlagenden Erfolgs eines Buches wie jenes von Thilo Sarrazin kann man eine solche Schärfung des Blicks für die gesellschaftliche Eingebettetheit wissenschaftlicher Fragestellungen nur empfehlen.

HELMUT MAYER

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