Was ist nicht alles zu verdauen: Ideensaucen, Sprachfetzen, Gedankensplitter, Wortsalate, ideologische Eintöpfe, versalzene Hoffnungen und Buchstabensuppen, geschmacklose Beziehungen, süße Versprechen und saure Wochen, bittere Erkenntnisse und letztendlich die Angst vor dem poetischen Darmverschluss. Wie lange kann sich eine Gesellschaft hinter dem Gemüse ihrer sparsamen Einbildung verstecken und ein Amuse-Gueule für den Hauptgang ausgeben? Schlägt alles auf Magen und Papier!
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2008Vers-Verkostung
Das Auge isst mit. Für die Texte der in Niederösterreich lebenden Beatrix Neiss gilt das Umgekehrte: Der Magen dichtet mit. In den kunstfertigen Sprachspielen ihres Debütbands "nach der verdauung" wird das ganze Menü weiblichen Großstadtlebens durchdekliniert, die Metaphorik der österreichischen Küchen- und Kaffeehauskultur für eine Sprache der Liebe, des Flirts oder auch des One-Night-Stands fruchtbar gemacht: "auf lichtbenetzten / waldmondpfaden wandelnd / erfinden wir unsere erste / weißgetrüffelte begegnung / als schwammerlleidenschaft" heißt es in "liebesanfang", dem natürlich auch ein analoges Ende gegenübersteht, wo es "gegurktes jausenbrot mit / senf in wort und mund" gibt. Durch ihre lustbetonte Ästhetik der Einverleibung wirft Beatrix Neiss auch ironische Blicke auf die körperfixierte Welt der Frauenmagazine mit ihren Diätzwängen und Psychotipps; der Klatsch im Kaffeehaus gibt den Ton vor. Auch Unverdauliches wird dabei mitverkocht, "gedächtnislöcher" in "kinderschokoladen" eingelassen als "not lügen nahrung für / generationen mit / chiligeschmack oder / pfeffer". Überwiegend aber frönt die Autorin einer barocken, sprachkulinarischen Freude am Ornament, an der Tischdeko sozusagen, was die Schlacht am kalten Büfett nicht ausschließt. Selbst der Schierlingsbecher wird einmal als Digestiv gereicht; es wird angerichtet und hingerichtet. Frauenleben in mittleren Jahren, aufgetischt als lyrisches All-you-can-eat-Menü. Alles kann probiert werden, aber ein Patentrezept gibt es nicht. (Beatrix Neiss: "nach der verdauung". Gedichte. Passagen Verlag. Wien 2007. 120 S., br., 14,90 [Euro].) rik
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Auge isst mit. Für die Texte der in Niederösterreich lebenden Beatrix Neiss gilt das Umgekehrte: Der Magen dichtet mit. In den kunstfertigen Sprachspielen ihres Debütbands "nach der verdauung" wird das ganze Menü weiblichen Großstadtlebens durchdekliniert, die Metaphorik der österreichischen Küchen- und Kaffeehauskultur für eine Sprache der Liebe, des Flirts oder auch des One-Night-Stands fruchtbar gemacht: "auf lichtbenetzten / waldmondpfaden wandelnd / erfinden wir unsere erste / weißgetrüffelte begegnung / als schwammerlleidenschaft" heißt es in "liebesanfang", dem natürlich auch ein analoges Ende gegenübersteht, wo es "gegurktes jausenbrot mit / senf in wort und mund" gibt. Durch ihre lustbetonte Ästhetik der Einverleibung wirft Beatrix Neiss auch ironische Blicke auf die körperfixierte Welt der Frauenmagazine mit ihren Diätzwängen und Psychotipps; der Klatsch im Kaffeehaus gibt den Ton vor. Auch Unverdauliches wird dabei mitverkocht, "gedächtnislöcher" in "kinderschokoladen" eingelassen als "not lügen nahrung für / generationen mit / chiligeschmack oder / pfeffer". Überwiegend aber frönt die Autorin einer barocken, sprachkulinarischen Freude am Ornament, an der Tischdeko sozusagen, was die Schlacht am kalten Büfett nicht ausschließt. Selbst der Schierlingsbecher wird einmal als Digestiv gereicht; es wird angerichtet und hingerichtet. Frauenleben in mittleren Jahren, aufgetischt als lyrisches All-you-can-eat-Menü. Alles kann probiert werden, aber ein Patentrezept gibt es nicht. (Beatrix Neiss: "nach der verdauung". Gedichte. Passagen Verlag. Wien 2007. 120 S., br., 14,90 [Euro].) rik
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