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In der kleinen Provinzstadt Parisey scheint die Welt noch in Ordnung. Bis eines Tages bekannt wird, daß Bürgermeister Gibet das Kreuz der Ehrenlegion erhalten soll. Da bricht einer sein Schweigen, und zwei alte Herren beginnen einen erstaunlichen Krieg gegeneinander.
Im kleinen Provinzort Parisey, am Fuße der Vogesen gelegen, läßt es sich behaglich leben. Hier, so scheint es, ist die Welt noch in Ordnung. Die Hauptstadt Paris, wo die große Politik gemacht wird, ist fern. Da soll eines Tages einer der älteren Honoratioren, Bürgermeister Gibet, das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Und nun…mehr

Produktbeschreibung
In der kleinen Provinzstadt Parisey scheint die Welt noch in Ordnung. Bis eines Tages bekannt wird, daß Bürgermeister Gibet das Kreuz der Ehrenlegion erhalten soll. Da bricht einer sein Schweigen, und zwei alte Herren beginnen einen erstaunlichen Krieg gegeneinander.
Im kleinen Provinzort Parisey, am Fuße der Vogesen gelegen, läßt es sich behaglich leben. Hier, so scheint es, ist die Welt noch in Ordnung. Die Hauptstadt Paris, wo die große Politik gemacht wird, ist fern.
Da soll eines Tages einer der älteren Honoratioren, Bürgermeister Gibet, das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Und nun bricht einer sein Schweigen. Ein "Ordenskrieg" bricht aus, der seinen Ursprung in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs hat.
Autorenporträt
Sibylle Mulot wurde 1950 in Reutlingen geboren. Sie studierte Germanistik und Romanistik und promovierte 1977. Danach arbeitete sie als Journalistin bei der "Süddeutschen Zeitung". Sie lebte viele Jahre in Rom, Wien und München. Heute arbeitet Sibylle Mulot als freie Autorin und lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Frankreich.
Rezensionen
"A political theme, developed in a subtle and highly original fashion."
(Neue Züricher Zeitung)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.1995

Ein Orden für den Wendehals
Sibylle Mulot sorgt sich um französische Altlasten

Wunderschön ruhig und gemessen, ganz der französischen mesure entsprechend, beginnt dieses Buch einer Deutschen, die hier mit gezügelter Kühnheit das große Nachkriegstrauma der Franzosen zur Sprache bringt: die Unabwägbarkeit von Résistance und Kollaboration. Als eher pointillistisch verhaltene Erzählerin hat Sibylle Mulot dafür keinen spektakulären Fall großformatig grell ausgeleuchtet, sondern die kleine Szene gewählt: Da liegt vor der "blauen Linie im Nordosten, den Vogesen", ein Provinzstädtchen. Eines von denen, die schon Stendhal, Flaubert, Mauriac und Green als den Inbegriff des eigentlichen Frankreich, der France profonde, vorstellten.

Man könnte dieses Parisey farblos nennen, hätte die Autorin nicht so viel feinbedachte Mühe darauf verwandt, die fast armselige, "nur an Wäldern, Wolken und Wind reiche" Landschaft mit flirrendem Pappellicht zu überziehen, das sich in klaren Quellwassern ebenso bricht wie in schwarzen Weihern. Ganz selbstverständlich scheinen in dieser Gegend das Helle und das Dunkle zusammenzugehören. Draußen auf den Wiesen und drinnen in der mit ihrem Namen etwas aufdringlich exemplifizierten Stadt, wo es zwischen geschäftigen Kleinbetrieben auch ein "Bumerang-Museum" gibt, das nicht nur der "Vereinigung schreibender Frontkämpfer" ein Dorn im Auge ist.

Spätestens bei deren Erwähnung wird die Ironie spürbar, mit der die in Frankreich lebende deutsche Literaturwissenschaftlerin hugenottischer Abstammung die vermeintliche Bilderbuchidylle unterläuft. Denn nichts ist unter den Parisons, den Anwohnern der platanenbestandenen Plätze, so, wie es den Anschein hat. Nur an dem bronzenen Denkmal des General de Gaulle läßt sich nicht rütteln. Der hatte einst Parisey besucht und mit einem Auftritt dafür gesorgt, daß "die ehemaligen Kämpfer der Armée Secrète ihm ein fast religiöses Andenken bewahrten". Schließlich war der General wesentlich für die Legendenbildung von einer glorreichen Résistance während der Okkupationszeit verantwortlich; für jenen fatalen Doppelmythos angeblich äußerst begrenzter Kollaboration und allgegenwärtigen Widerstands, der in Frankreich nicht wenige kollektive und individuelle Lebenslügen festigen half.

Mit dem Blick der verständnisvollen und wohlwollenden Nachbarin hat Sibylle Mulot nun versucht, dieses kompromißbereite Geschichtsbewußtsein am Beispiel eines Provinzcasus durchsichtig zu machen. Dabei hat sie sich allerdings nicht nur mutig auf das politische Glatteis französischer Befindlichkeit begeben, sondern sich auch kompositorisch etwas zuviel zugemutet. Solange sie beschreibt, wirkt ihre Satzgestik ebenso gelöst wie gekonnt, belebt ihre sinnliche Nähe zu den Dingen jede Seite. Doch ihren gediegen zugeschnittenen Figuren fehlt das Blut in den Adern, sie bleiben oft nur schemenhafte Porträtskizzen.

So haben die Kränkungen und Verletzungen, die Judith und Renée Pasteur noch immer erleiden müssen, die Frau und die Tochter eines offensichtlich aus niedrigen Beweggründen als Kollaborateur Hingerichteten, nur das Gewicht rhetorischer Zweckmäßigkeit. Und auch der alte Lorain, der ehemalige Befehlshaber des örtlichen Widerstands, dem endlich berechtigte Zweifel an den damals geübten Praktiken kommen, erhält wenig Kontur. Man erfährt zwar, daß seit fünfzig Jahren die Nachbarschaftsfehden zwischen besseren und schlechteren Franzosen weiterschwelen. Aber das, was sie ausgelöst hat und was François Mitterrand als "die düsteren Jahre" umschrieb, gewinnt hier keine dramatische Dimension. Und so wirkt denn auch die Bombe, die Sibylle Mulot plötzlich in Parisey platzen läßt, eher wie ein Kinderspielzeug, geworfen von fast spurenlosen guten Seelen, deren Gerechtigkeitssinn nicht zur Ruhe gekommen ist.

Da soll doch wirklich André Gibet (muß er unbedingt Galgen heißen?), ein eifriger Vichy-Gendarm, der sich schnell noch zum "Maquisard der letzten Stunde" mauserte, das Kreuz der Ehrenlegion für seine Verdienste als kommunaler Mini-Diktator bekommen. Das bringt die Parisons ohne Gedächtnislücken zwar in arge Bedrängnis. Aber es bleibt beim Reden. Und immer auf die gleiche milde, der Banalität gefährlich nahe Weise; in fast austauschbaren Sätzen, die in bemühten Dialogen leerlaufen.

Kein Zweifel, von draußen kommend und nun mittendrin lebend, mußte die Autorin höchst behutsam mit ihrem Thema umgehen. Doch auch ohne gesinnungsethischen Rigorismus zu fordern, hätte man sich mehr Biß gewünscht. So behäbig läßt sich die moralische Gefährdung einer auf Verdrängung und kleinbürgerlichen Opportunismus gegründeten Lebensgemeinschaft nicht auf ein glückliches Ende hin glätten. Wenn auch der Wendehals Gibet schließlich auf die Dekoration verzichten muß, so läßt dieser begütigende Schluß doch viele Fragen offen. UTE STEMPEL

Sibylle Mulot: "Nachbarn". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 1995. 347 S., geb., 38,- DM.

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"A necessary and topical book."(Focus)"A political theme, developed in a subtle and highly original fashion."(Neue Zürcher Zeitung)