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Wie bestimmt man das Verhältnis von Design und Ethik? Wie findet man die Schwächen der Goldenen Regel? Wie wägt man Innovationen mit ethischen Forderungen ab? In einer Vortragsreihe, abgerundet durch ein persönliches Interview, verknüpft Rainer Erlinger, Autor der Kolumne »Die Gewissensfrage« im Magazin der »Süddeutschen Zeitung«, das Nachdenken über die großen ethischen Fragen und ihre philosophischen Grundlagen mit seinem konkreten Vorgehen. Er lässt sich beim Verfassen der Kolumnen über die Schulter blicken und gibt Auskunft, wie er im Einzelnen die Fragen seiner Leser angeht. So kann man…mehr

Produktbeschreibung
Wie bestimmt man das Verhältnis von Design und Ethik? Wie findet man die Schwächen der Goldenen Regel? Wie wägt man Innovationen mit ethischen Forderungen ab? In einer Vortragsreihe, abgerundet durch ein persönliches Interview, verknüpft Rainer Erlinger, Autor der Kolumne »Die Gewissensfrage« im Magazin der »Süddeutschen Zeitung«, das Nachdenken über die großen ethischen Fragen und ihre philosophischen Grundlagen mit seinem konkreten Vorgehen. Er lässt sich beim Verfassen der Kolumnen über die Schulter blicken und gibt Auskunft, wie er im Einzelnen die Fragen seiner Leser angeht. So kann man der moralischen Abwägung gewissermaßen beim Arbeiten zusehen.
Autorenporträt
Rainer Erlinger, geboren 1965, ist Mediziner und Jurist. Nach seinen Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Arzt und Rechtsanwalt arbeitet er jetzt als Publizist vor allem auf dem Gebiet der Ethik. Einem großen Publikum ist er durch seine Kolumne 'Die Gewissensfrage' im Magazin der 'Süddeutschen Zeitung' bekannt geworden, in der er allwöchentlich die kleinen und großen Ethikprobleme seiner Leser erörtert. Im S. Fischer Verlag ist zuletzt erschienen ¿Höflichkeit. Vom Wert einer wertlosen Tugend¿ (2016), ¿Moral. Wie man richtig gut lebt¿ (2012), sowie im Fischer Taschenbuch ¿Gewissensbisse. Antworten auf moralische Fragen des Alltags¿ (2011) und ¿Nachdenken über Moral. Gewissensfragen auf den Grund gegangen¿ (2012).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2012

Und die Moral von der Geschicht'?
Große Gedanken für die heutigen Menschen verständlich machen: Rainer Erlingers gesammelte Nettigkeitsforderungen

Zartbesaitete Ethikfreunde, denen bislang Kant zu preußisch, der Utilitarismus zu berechnend und Aristoteles zu katholisch erschien, können aufatmen. Mit dem Moralratgeber des Kolumnisten Rainer Erlinger liegt endlich eine hochwirksame Wohlfühlethik mit dem ultimativen intellektuellen Weichspülfaktor vor. Die philosophische Kernaussage des vom Verlag als "großer Entwurf" angekündigten Buches besteht in einem Satz, den man Erlinger zufolge "nicht oft genug wiederholen kann". Er lautet: "Die Moral ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Moral." Dass es sich bei der Moral nicht um eine Art Gesslerhut handelt, den man um seiner selbst willen zu grüßen hat, ist eine Selbstverständlichkeit.

Erlinger selbst interpretiert seinen Satz als eine Art Beweislastregel. "Man muss sich nicht für das, was man tut, rechtfertigen, sondern die Moral muss begründen, warum man sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten soll." Auch das ist so richtig wie banal. Um die von Erlinger angemahnten Begründungen streitet die Ethik seit zweieinhalb Jahrtausenden.

Erlingers Ausführungen als Beitrag zu dieser Diskussion zu bezeichnen hieße, ihnen zu viel Ehre anzutun. Seine Auseinandersetzung mit der theologischen Ethik beschränkt sich auf die flapsige Bemerkung, dass die moralische Richtigkeit eines Verhaltens nicht davon abhänge, ob es einem höheren Wesen gefalle. Entgegen der vollmundigen Ankündigung Erlingers, es gehe ihm darum, "die großen Gedanken aus diesen Jahrtausenden, die unser Leben nach wie vor prägen und auch weiter prägen sollen, klarer herauszustellen und für die heutigen Menschen verständlich zu formulieren", beschränkt die Rolle der großen Ethiktheorien der Vergangenheit sich bei ihm auf die Funktion von Geschmacksverstärkern: hier ein Schuss Tugendethik, dort eine Prise Kant und zum Schluss noch ein Quentchen Regelutilitarismus, einige Tropfen Mitleidsethik und ein Teelöffel Rawls. Um die Frage nach der Vereinbarkeit dieser unterschiedlichen Ansätze kümmert Erlinger sich nicht im mindesten. Wozu auch, da man, wie er ein ums andere Mal versichert, moralische Prinzipien ohnehin "nie über die Menschen stellen sollte"? Der wahre Moralist ist eben derjenige, der sich seine Moral passgenau auf den Leib schneidert.

Erlingers eigene Moral: Von der Polemik gegen das Erziehungsgeld über die Forderung nach moralisch korrektem Einkaufen und Geldanlegen bis zu einer Philippika gegen den Verzehr von Fleisch ist in seinem Buch alles enthalten, was das Herz moderner Großstadtakademiker höher schlagen lässt. Die größte und nur nach allerlei Beteuerungen der eigenen politischen Wohlanständigkeit vorgebrachte Kühnheit, zu der er sich hinreißen lässt, besteht darin, dass auch Rechtsextremisten das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zustehe. Außerdem ist Erlinger saturiert genug, um anzuerkennen - "auch wenn es ein wenig komisch klingt" -, dass die wichtigsten sozialen Grundpflichten darin bestehen, seine Steuern und Abgaben zu zahlen und keine unnötigen Leistungen der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.

So recht wohl ist ihm bei der Feststellung dieser Selbstverständlichkeiten allerdings nicht. "Ein wenig mag das nach Sozialromantik klingen, und irgendwie scheinen auch das große Wir-Gefühl, Patriotismus und womöglich Nationalismus um die Ecke zu lugen. Das Erstere, die Sozialromantik, räume ich ein, das Letztere, Patriotismus oder gar Nationalismus, weise ich zurück." Ein Moraltheoretiker, der sich patriotische Gefühle erlaubt, das wäre ja noch schöner. "Es muss stets jeder Einzelne gleichberechtigt mit allen Anderen im Mittelpunkt der Interessen stehen." Das hätte Philipp Rösler nicht schöner sagen können.

Erlinger kennt die Menschen freilich gut genug, um zu wissen, dass moralische Bekenntnisse zwar leicht ausgesprochen, oft aber nur sehr ungern in die Tat umgesetzt werden. "Überzogene Moralforderungen, die am Leben vorbeigehen", seien, wie er betont, "der schlimmste Bärendienst, den man der Moral erweisen kann". Deshalb hält er für seine Leser den klassischen Beichtvater-Trost bereit: "Jeder Schritt in die richtige Richtung stellt einen Fortschritt dar. Man muss nicht auf einen Schlag alles richtig machen, um richtig zu handeln." Die Quintessenz von Erlingers Erörterungen bildet eine allgemeine Nettigkeitsforderung: "Ich glaube ganz einfach, dass der tägliche Umgang miteinander besser wird, wenn man sich achtet, Verständnis füreinander hat und Rücksicht walten lässt." Dem wird niemand widersprechen. Aber muss man wirklich dreihundert Seiten füllen, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen?

MICHAEL PAWLIK

Rainer Erlinger: "Moral". Wie man richtig gut lebt.

S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2011. 364 S., geb, 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.04.2012

Gutes Gewissen
Von SZ-Autoren: Rainer
Erlinger denkt über Moral nach
Seit ziemlich genau zehn Jahren beantwortet Rainer Erlinger, der als Arzt und als Rechtsanwalt gearbeitet hat, in der Rubrik „Die Gewissensfrage“ im Magazin der Süddeutschen Zeitung Leserfragen zur Alltagsmoral. Insofern denkt er jede Woche über Moral nach, und das Ergebnis kann man freitags nachlesen. Nun hat er ein Buch geschrieben, das „Nachdenken über Moral“ heißt, mit dem Untertitel „Gewissensfragen auf den Grund gegangen“. Das Buch besteht jedoch nicht aus den gesammelten Kolumnen – davon sind in den letzten zehn Jahren drei Bände erschienen –, sondern geht darüber hinaus. Das Buch basiert auf den Vorlesungen, die Rainer Erlinger im Rahmen einer Gastprofessur an der Universität Augsburg gehalten hat.
In sechs Kapiteln behandelt Erlinger verschiedene Einzelaspekte der Moral: klassische, wie Lüge und Toleranz, aber auch weniger bekannte wie ethische Aspekte bei Design und Innovationen, das Verhältnis von Recht und Moral oder die Goldene Regel und Ihre Schwächen.
Rainer Erlinger knüpft an konkrete Fragen der Alltagsmoral an, denkt aber dabei über Grundsätzliches nach und versucht den Grund auszuloten. Dazu kommt ein Gespräch mit dem Dekan über den Entstehungsprozess der Kolumne, das einen Einblick in die Werkstatt der „Gewissensfrage“ gewährt; man erfährt, wie er die Fragen der Leser im Einzelnen angeht. SZ
RAINER ERLINGER: Nachdenken über Moral. Gewissensfragen auf den Grund gegangen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 309 Seiten, 9,99 Euro.
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