Der Aufbau der Argumente Theorien und Lehren von Wissenschaftlern, bekannten Unternehmern sowie Beratern haben Einfluss auf die Formulierung der Unternehmenspolitik und dann auf das unternehmerische Handeln in der Praxis. Es ist also nicht gleichgültig, welche Gedankenkonzepte verbreitet werden in den Hörsälen, in Büchern, in Seminaren, aber auch bei Kamingesprächen von Industrieverbänden. Die modernen Strategiekonzepte für Unternehmungen sind einseitig dominiert vom Paradigma der Wettbewerbspolitik. In den meisten Strategiekonzepten zur Unternehmensführung dominiert der Gedanke, den Wettbewerb überrunden zu müssen. Wettbewerbsrivalität, Wettbewerbsvorteile, Hyper-Competition sind darin gängige Schlagworte. Die Konzepte folgen damit einem Muster, in dem sich einer der ältesten Mythen der menschlichen Kulturgeschichte widerspiegelt: Der listenreiche Held setzt sich im Existenzkampf erfolgreich gegen seinen Gegenspieler durch.
Hermut Kormann wirbt für nachhaltige Kundenbindung
Hermut Kormann: Nachhaltige Kundenbindung. Gegen den Mythos nur wettbewerbsorientierter Strategien. VDMA Verlag, Frankfurt 2005, 108 Seiten, 29,80 Euro.
Wenn Unternehmensführer zur Feder greifen, entsteht nicht immer Überzeugendes. Allzuoft wird der Leser mit schillernden und oberflächlichen Erfolgsgeschichten nach dem Motto "How I did it" abgespeist. Auch eine Vernachlässigung strategischer Überlegungen - nach gängiger Auffassung eine Kernaufgabe von Top-Managern - und eine Überfokussierung auf das Operative (Methoden wie Six Sigma und Benchmarking) sind nicht selten.
Die vorliegende Schrift hebt sich von derartigen Werken wohltuend ab. Der Verfasser ist Vorsitzender des Vorstands der Voith AG in Heidenheim, eines der führenden Maschinen- und Anlagenbauer. Ausgangspunkt der Schrift ist Kormanns Beobachtung, daß die derzeit dominierenden Strategiekonzepte zu einseitig von Wettbewerbsaspekten dominiert seien - häufig zudem mit Analogien zu militärischen Strategien durchsetzt. Hermut Kormann zeigt sehr überzeugend, daß diese strategische Orientierung am Wettbewerb, verbunden mit dem zentralen Ziel der Marktanteilssteigerung, gerade in stagnierenden Märkten problematisch ist.
Aus der praktischen Anschauung kann man Kormann letztlich nur zustimmen: In vielen reifen Märkten konnte man in den vergangenen Jahren beobachten, daß Anbieter ohne nachhaltigen Wettbewerbsvorteil Wachstumsstrategien verfolgten. Derartige Verteilungsschlachten zwischen im wesentlichen austauschbaren Wettbewerbern haben eine typische Folge: Am Ende ist die Marktanteilsverteilung zwischen den Anbietern dieselbe wie zuvor, nur das Preisniveau ist deutlich niedriger - ein Spiel, bei dem alle Anbieter verlieren.
Hermut Kormann setzt dieser primär wettbewerbs- und wachstumsorientierten Ausrichtung eine Alternative entgegen, mit überzeugender Argumentation und interessanten Formulierungen. So stellt er dem Ziel des Wachstums das Ziel des Überlebens mit vernünftiger Rendite gegenüber - ohne allerdings zu verkennen, daß die derzeitige Orientierung an den Kapitalmärkten Unternehmen häufig gegen jede strategische Logik auf Wachstumskurs zwingt. Kormann spricht von "einer klugen Strategie der Bescheidung im Dienst an dem Kunden" und davon, daß Unternehmen sich nicht nur um den eigenen Ertrag kümmern, sondern auch den "Ertragspool der Branche" entwickeln sollten. Eine weitere interessante Formulierung bezieht sich auf das "Respektieren essentieller Stammkundenbeziehungen des Wettbewerbs".
Kormann setzt einer dominanten Wettbewerbsorientierung ein Konzept der nachhaltigen Kundenbindung entgegen. Im Kern fordert er, die Balance zwischen Kunden- und Wettbewerbsorientierung - gerade in reifen Märkten - wieder stärker in Richtung Kundenorientierung zu verlagern. Die Schrift zeugt von einem umfassenden Erfahrungsschatz sowie von einer zielstrebigen Aufarbeitung wissenschaftlicher Literatur. Auch diese Synthese macht sie besonders interessant. Fazit: ein lesenswertes Buch für Manager, die in wachstumsschwachen Märkten tätig sind und die bei aller Optimierung der operativen Effizienz dem strategischen Nachdenken noch nicht abgeschworen haben.
CHRISTIAN HOMBURG
Institut für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU), Universität Mannheim
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