Kein Geschichterl
Diesen Roman. Den hat sie geschrieben. 2014 erschienen. Marlene Streeruwitz. Aus Österreich. Die kennt man doch. «Nachkommen» ist der neue Titel. Den hat sie sich gewählt. Für ihr Buch. Wie die Verlagsheinis das immer nennen. 432 Seiten bedrucktes Papier. Dieses Buch.
Nur
Umsatzbringer für die. Im besten Fall auch Gewinnbringer. Verkaufte Auflage ist wichtig. Roman sagen…mehrKein Geschichterl
Diesen Roman. Den hat sie geschrieben. 2014 erschienen. Marlene Streeruwitz. Aus Österreich. Die kennt man doch. «Nachkommen» ist der neue Titel. Den hat sie sich gewählt. Für ihr Buch. Wie die Verlagsheinis das immer nennen. 432 Seiten bedrucktes Papier. Dieses Buch.
Nur Umsatzbringer für die. Im besten Fall auch Gewinnbringer. Verkaufte Auflage ist wichtig. Roman sagen die nicht. Nur Buch. Ist denen egal. Hauptsache Geld kommt rein. Reichlich Geld. Brauchen die immer. Inhalt zählt bei denen nicht. Botschaft. Anliegen. Sprache. Kunst. Alles unwichtig für die. Das muss einen ja wütend machen. Auf den Literaturbetrieb. Die Schickeria der Verlage. Die mit ihren schwarzen SUVs durch Frankfurt brausen. Denkt Nelia Fehn. Zwanzig Jahre alt. Protagonistin im Roman der Streeruwitz. Jungstar der Frankfurter Buchmesse. Absolut jüngste Finalistin bisher. Unter den letzten Sechs. Ist eingeladen zur Preisverleihung. Ihr Verleger übernimmt die Kosten. «Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland». Das hat sie geschrieben. Den Preis bekommt aber doch eine andere Autorin. Macht nichts. Sie sei ja noch so jung. Sagen alle. Wenigstens ist sie schon mal dabei gewesen. Kann ja noch kommen. Später. Obwohl. Das Preisgeld hätte sie gut brauchen können. Sie ist ja ziemlich abgebrannt. Wie man so sagt. Hat auch noch keinen Vorschuss bekommen. Muss sie mal klären. Wenn die Mami das wüsste. Die hat ja auch geschrieben. Autorin war sie. Ist aber tot. Schon lange. Und der Opa ist heute Morgen beerdigt worden. Der hat sie großgezogen. Die Mami fehlt ihr so. Den Vater hat sie nie gesehen. Den hat die Mami damals verstoßen. Jetzt ruft der sie plötzlich an. Wohnt ja hier. Kennt ja wenigstens ihren Namen. Will sie treffen. Dringend. «Ich wollte kein Kind». Sagt er. Wie kann er so was sagen. Ihr ins Gesicht. Was soll das denn bringen. Mit ihnen. Vater und Tochter. Das wird nichts mehr. Alles umsonst. War doch schlimm genug heute auf der Messe. Der Trubel. Kein Durchkommen. Interviews. Warum haben sie den Roman geschrieben. Dumme Frage. Immer ruhig bleiben. Fernsehaufnahme bei 3Sat. Sie ist doch keine Anarchistin. Jetzt ist aber genug. Kamera aus. Raus ins Freie. Mal durchatmen. Schon wieder jemand. Der sie kennt von den Fotos überall. Sie anspricht. Bloß weg hier. Was zu essen wäre nicht schlecht. Vegetarisch. Schon ist sie am Ausgang. Hat nichts gefunden. Wann geht der nächste Flug. Sie recherchiert auf ihrem Smartphone. Da gibt es ja Bordverpflegung. Ihr Rucksackrollköfferchen klappert auf dem Pflaster. Frankfurt. Nur weg hier.
Literarisch eine Rebellin ist diese Frau Streeruwitz. Gegen den Strich gebürstet ihre komplexe Prosa. Man könnte sie feministisch nennen. Streng. Sarkastisch. Im Stil des Dekonstruktivismus. Immer kritisch hinterfragend. Aufgeteilt in kleine Satzfragmente. Analytisch. Immer im Stakkato. Mit radikal vereinfachter Interpunktion. Zunächst etwas störend für den Leser. Fast nur Punkte. Gewöhnt man sich aber schnell dran. Nelia als Protagonistin ist mir unsympathisch geblieben. Zu zickig. Ich konnte keinen Zugang finden. Zu ihr. Man erfährt auch nicht wirklich viel über sie. Keine markante Persönlichkeit jedenfalls. Als Nachkomme strickt jede Verantwortung ablehnend. Für alle Generationen vor ihr. Immer aufmüpfig und nachdenklich.
Ist die Literatur im Niedergang begriffen. Wie der Klappentext behauptet. Fragt man sich. Vom schnöden Gewinnstreben zu Boden gerungen. Ein korrumpiertes Literatur-Establishment als Totengräber einer Kunstrichtung. Hat die renitente Protagonistin recht mit ihrem Widerstand. Mit ihrem Wutausbruch. Mit ihrer Erregung. Wie Thomas Bernhard das genannt hat. Es muss Romane geben, ist sie sich sicher. «Romane und nicht Geschichterln. In die Erfindung gebündelte Wahrheit und nicht diese dünne Soße des Echten. Ins Zweidimensionale gepresster Kitsch». Wen mein Stakkato-Text nicht schreckt, der sollte diesen Roman lesen, er ist herzerfrischend anders, kein Geschichterl eben.