»Als hätten sich Plato und Molière zusammengetan.«
Wer glaubt, es gäbe keinen italienischen Lichtenberg, der irrt! Ferdinando Galiani (1728-1787) - der ältere der beiden - wird denn auch oft genug mit dem deutschen Universalgenie verglichen. Nicht nur, weil beide Gnome waren. Nietzsche entdeckte ihn für die Deutschen und Melchior Grimms Worte: »Dieses kleine, am Fuß des Vesuvs geborene Wesen, ist ein wahres Phänomen. Er verbindet mit einem klaren, durchdringenden Blick ein umfassendes, gründliches Wissen, mit dem Scharfsinn des Genies die Heiterkeit und Lustigkeit eines Menschen, der nur amüsieren und gefallen will. Er ist ein Platon mit dem Feuer und den Gebärden eines Harlekin« gelten bis heute.
Die Pariser Gesellschaft war voller Bewunderung für den hochgelehrten Kleingewachsenen: Madame Geoffrin und Madame Necker, heißt es, pflegten ihn auf einen kleinen Hausaltar zu stellen. Schon mit sechzehn machte Galiani die neapolitanische Akademie der Wissenschaften, die ihn beleidigt hatte, durch eine beißende Satire lächerlich. Im Stil der Lobreden, die die Akademie auf verstorbene Mitglieder zu halten pflegte, schrieb er einen Nachruf - auf den eben gestorbenen Stadthenker. Mit 22 Jahre veröffentlichte er das Buch über das Geld, für das er mit einer Pfründe belohnt wurde. Um der Ausschüttung der Gewinne habhaft werden zu können, musste Galiani die niederen Priesterweihen entgegennehmen - so kam es, dass der weltlichen Freuden alles andere als abgeneigte Freigeist als »Abbè Galiani« in die Geschichte einging.
Neben seinen weithin bekannten nationalökonomischen Schriften - darunter sein für Furore sorgender Dialog über den Getreidehandel, der eigentlich eine Studie über die Staatskunst war und an der sich als Korrektor Diderot beteiligte - sollten im Laufe seines Lebens noch Abhandlungen über die Ausgrabungen in Herculaneum und die Gesteine des Vesuv erscheinen.
1759 wurde Galiani dann als Sekretär der neapolitanisch-spanischen Gesandtschaft nach Paris geschickt, wo er durch seine umfassende Gelehrsamkeit und seinen blendenden Witz im Sturm die Salons der Enzyklopädisten Diderot, Holbach, Grimm, d'Alembert, Julie de Lespinasse, Madame Necker, Madame de Geoffrin und vor allem Madame d'Epinay für sich eroberte. In dieser Gesellschaft feierte Galiani Erfolge und blühte auf. Sein Höhenflug wurde 1769 allerdings jäh unterbrochen, als er Opfer eines diplomatischen Unfalls wurde und von seinem Vorgesetzten die Weisung erhielt, Paris binnen vier Tagen zu verlassen. Verzweifelt versuchte der in Neapel mit Ehren überhäufte, aber dennoch kreuzunglückliche Galiani, seine Pariser Freunde durch brieflichen Kontakt an sich zu binden: »Ich bin verdammt, in Verzweiflung zu sterben, wenn meine Freunde mich vergessen.« Seine Aufschreie sind herzzerreißend: »Man hat mich aus Paris gerissen, und man hat mir das Herz aus der Brust gerissen.« »Bis zu dieser Stunde lebte ich nur in Paris und für Paris... Ich versichere Ihnen, ich habe in Neapel kein anderes Vergnügen, als im Geiste nicht hier zu sein.« Galianis Unglück wurde so zum Glücksfall für die Literaturgeschichte: sein über 14 Jahre andauernder Briefwechsel mit den Pariser Freunden ist nicht nur ein wichtiges kulturhistorisches Dokument über die Zustände und Ereignisse in Paris und Neapel, er ist ein Bündel an Witz, Esprit, tiefen Gedanken und tollem Unsinn, das seinesgleichen sucht. Vorliegende Auswahl aus seinen Briefen und Schriften stellt Ferdinando Galiani als glanzvollen Stilisten, genialischen Denker, harlekinesken Clown, melancholischen Grübler und witzigen Alleinunterhalter in all seinem Glanz und all seiner Erbärmlichkeit vor.
Wer glaubt, es gäbe keinen italienischen Lichtenberg, der irrt! Ferdinando Galiani (1728-1787) - der ältere der beiden - wird denn auch oft genug mit dem deutschen Universalgenie verglichen. Nicht nur, weil beide Gnome waren. Nietzsche entdeckte ihn für die Deutschen und Melchior Grimms Worte: »Dieses kleine, am Fuß des Vesuvs geborene Wesen, ist ein wahres Phänomen. Er verbindet mit einem klaren, durchdringenden Blick ein umfassendes, gründliches Wissen, mit dem Scharfsinn des Genies die Heiterkeit und Lustigkeit eines Menschen, der nur amüsieren und gefallen will. Er ist ein Platon mit dem Feuer und den Gebärden eines Harlekin« gelten bis heute.
Die Pariser Gesellschaft war voller Bewunderung für den hochgelehrten Kleingewachsenen: Madame Geoffrin und Madame Necker, heißt es, pflegten ihn auf einen kleinen Hausaltar zu stellen. Schon mit sechzehn machte Galiani die neapolitanische Akademie der Wissenschaften, die ihn beleidigt hatte, durch eine beißende Satire lächerlich. Im Stil der Lobreden, die die Akademie auf verstorbene Mitglieder zu halten pflegte, schrieb er einen Nachruf - auf den eben gestorbenen Stadthenker. Mit 22 Jahre veröffentlichte er das Buch über das Geld, für das er mit einer Pfründe belohnt wurde. Um der Ausschüttung der Gewinne habhaft werden zu können, musste Galiani die niederen Priesterweihen entgegennehmen - so kam es, dass der weltlichen Freuden alles andere als abgeneigte Freigeist als »Abbè Galiani« in die Geschichte einging.
Neben seinen weithin bekannten nationalökonomischen Schriften - darunter sein für Furore sorgender Dialog über den Getreidehandel, der eigentlich eine Studie über die Staatskunst war und an der sich als Korrektor Diderot beteiligte - sollten im Laufe seines Lebens noch Abhandlungen über die Ausgrabungen in Herculaneum und die Gesteine des Vesuv erscheinen.
1759 wurde Galiani dann als Sekretär der neapolitanisch-spanischen Gesandtschaft nach Paris geschickt, wo er durch seine umfassende Gelehrsamkeit und seinen blendenden Witz im Sturm die Salons der Enzyklopädisten Diderot, Holbach, Grimm, d'Alembert, Julie de Lespinasse, Madame Necker, Madame de Geoffrin und vor allem Madame d'Epinay für sich eroberte. In dieser Gesellschaft feierte Galiani Erfolge und blühte auf. Sein Höhenflug wurde 1769 allerdings jäh unterbrochen, als er Opfer eines diplomatischen Unfalls wurde und von seinem Vorgesetzten die Weisung erhielt, Paris binnen vier Tagen zu verlassen. Verzweifelt versuchte der in Neapel mit Ehren überhäufte, aber dennoch kreuzunglückliche Galiani, seine Pariser Freunde durch brieflichen Kontakt an sich zu binden: »Ich bin verdammt, in Verzweiflung zu sterben, wenn meine Freunde mich vergessen.« Seine Aufschreie sind herzzerreißend: »Man hat mich aus Paris gerissen, und man hat mir das Herz aus der Brust gerissen.« »Bis zu dieser Stunde lebte ich nur in Paris und für Paris... Ich versichere Ihnen, ich habe in Neapel kein anderes Vergnügen, als im Geiste nicht hier zu sein.« Galianis Unglück wurde so zum Glücksfall für die Literaturgeschichte: sein über 14 Jahre andauernder Briefwechsel mit den Pariser Freunden ist nicht nur ein wichtiges kulturhistorisches Dokument über die Zustände und Ereignisse in Paris und Neapel, er ist ein Bündel an Witz, Esprit, tiefen Gedanken und tollem Unsinn, das seinesgleichen sucht. Vorliegende Auswahl aus seinen Briefen und Schriften stellt Ferdinando Galiani als glanzvollen Stilisten, genialischen Denker, harlekinesken Clown, melancholischen Grübler und witzigen Alleinunterhalter in all seinem Glanz und all seiner Erbärmlichkeit vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2009Ehrt Eure Patrone
Ein großer Aufklärer, dem die Nachwelt nicht gerecht wird, das ist Ferdinando Galiani (1728 bis 1787) - wohl, weil ein Neapolitaner, der in Gedanken Pariser ist, zweisprachig tausend Themen behandelt und jedes System verteufelt, durch alle Raster fällt. Er selbst hätte es, herrlich boshaft, seinem Körperbau angekreidet: Prophylaktisch wünscht er sich "ein Kolossalstandbild, damit die Nachwelt nicht wisse, wie klein mein Wuchs war". Die Stelle findet sich in einem Brief an Madame d'Épinay: Nach zehn Jahren in Paris zwingt ein diplomatischer Zwischenfall Galiani zur Heimkehr; fortan schreibt er wie besessen an sie und die "philosophes" um Diderot. Eine wundervolle Korrespondenz, sprühend vor Charme, Gift, Intelligenz! Galiani plaudert über Kartoffelanbau, berichtet vom Zahnausfall, dient sich d'Alembert als liebenswert wie das Schwein des Antonius an ("Seien Sie mein heiliger Antonius."). Im Hintergrund ein Kräftemessen mit Voltaire, "diesem verwünschten Greis", der leider stets recht hat. Neben der Briefauswahl bietet der Auswahlband "Nachrichten vom Vesuv", mit dem der neugegründete Galiani Verlag seinen Namenspatron ehrt, Auszüge aus "Über das Geld" (ein Klassiker der Ökonomie), aus "Dialoge über den Getreidehandel" und aus den Horaz-Studien; nur "Der eingebildete Sokrates" fehlt. Eine schön gemachte, liebevoll kommentierte Einführung, die den Spätsommer mit Gedankenblitzgewittern erhellt. (Ferdinando Galiani: "Nachrichten vom Vesuv. Briefe, Blitze, Lästereien". Aus dem Französischen und Italienischen von Franz Blei, Heinrich Conrad, Wilhelm Weigand, Fritz Schalk, Werner Tabarelli und Hans Stilett. Galiani Verlag, Berlin 2009. 304 S., geb., 24,95 [Euro].) nibe
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein großer Aufklärer, dem die Nachwelt nicht gerecht wird, das ist Ferdinando Galiani (1728 bis 1787) - wohl, weil ein Neapolitaner, der in Gedanken Pariser ist, zweisprachig tausend Themen behandelt und jedes System verteufelt, durch alle Raster fällt. Er selbst hätte es, herrlich boshaft, seinem Körperbau angekreidet: Prophylaktisch wünscht er sich "ein Kolossalstandbild, damit die Nachwelt nicht wisse, wie klein mein Wuchs war". Die Stelle findet sich in einem Brief an Madame d'Épinay: Nach zehn Jahren in Paris zwingt ein diplomatischer Zwischenfall Galiani zur Heimkehr; fortan schreibt er wie besessen an sie und die "philosophes" um Diderot. Eine wundervolle Korrespondenz, sprühend vor Charme, Gift, Intelligenz! Galiani plaudert über Kartoffelanbau, berichtet vom Zahnausfall, dient sich d'Alembert als liebenswert wie das Schwein des Antonius an ("Seien Sie mein heiliger Antonius."). Im Hintergrund ein Kräftemessen mit Voltaire, "diesem verwünschten Greis", der leider stets recht hat. Neben der Briefauswahl bietet der Auswahlband "Nachrichten vom Vesuv", mit dem der neugegründete Galiani Verlag seinen Namenspatron ehrt, Auszüge aus "Über das Geld" (ein Klassiker der Ökonomie), aus "Dialoge über den Getreidehandel" und aus den Horaz-Studien; nur "Der eingebildete Sokrates" fehlt. Eine schön gemachte, liebevoll kommentierte Einführung, die den Spätsommer mit Gedankenblitzgewittern erhellt. (Ferdinando Galiani: "Nachrichten vom Vesuv. Briefe, Blitze, Lästereien". Aus dem Französischen und Italienischen von Franz Blei, Heinrich Conrad, Wilhelm Weigand, Fritz Schalk, Werner Tabarelli und Hans Stilett. Galiani Verlag, Berlin 2009. 304 S., geb., 24,95 [Euro].) nibe
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Das Problem, einen derart vielseitigen Universalgelehrten wie den 1728 geborenen Neapolitaner Ferdinando Galiani und dessen facettenreiches, nicht selten mit sehr spitzer Feder geschriebenes Werk einem breiten Publikum nahe zu bringen, sieht Dieter Richter mit dem vorliegenden Band glänzend gelöst. Neben Auszügen aus Schriften über das Geld oder das Problem von Hungersnöten, stützt sich Herausgeber Wolfgang Hörner vor allem auf die Briefe, die Galiani als Diplomat aus Paris oder, nach seiner Rückkehr nach Neapel, an seine französischen Freunde, zu denen auch Diderot und D'Alembert zählten, schrieb. Sehr rühmt der Rezensent den Herausgeber, der nicht nur hilfreiche Kommentare, Erläuterungen und ein vollständiges Werkverzeichnis, sondern auch ein willkommenes Sachregister bietet. Hingerissen ist Richter vom boshaften Witz und der frivolen Respektlosigkeit, die sich bei Galiani mit der ebenfalls darin zu findenden Melancholie zu einem seltenen Lesegenuss mischen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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