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Produktdetails
  • Verlag: Schardt
  • Seitenzahl: 222
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 352g
  • ISBN-13: 9783898410854
  • ISBN-10: 3898410854
  • Artikelnr.: 11116882
Autorenporträt
Peter Wald, geb. 1929, ehem. Journalist und Korrespondent der Deutschen Welle im Nahen Osten; veröffentlichte Reisebücher über den mittleren Osten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2003

Ein paar Schritte weit weg von der Liebe
Wie eine Familie im Dritten Reich allem Terror zum Trotz zusammenhielt
PETER WALD: Nachrichten von Vater und Mutter. Eine Jugend im Zwiespalt, Schardt-Verlag, Oldenburg 2003. 250 Seiten, 12,90 Euro.
Das Umschlagbild zeigt eine Schulklasse des Jahres 1943 auf Landverschickung im Harz. Alle auf dem Photo tragen die Uniform des so genannten Deutschen Jungvolks, außer dem Lehrer und dem Verfasser. Er und seine gesamte Familie waren Außenseiter, ja Verfemte der damaligen Gesellschaft: Der Vater aktiver Kommunist in der Weimarer Republik, 1933 in den Untergrund gegangen, 1936 von der Gestapo geschnappt, seither und noch bis Kriegsende in diversen Konzentrationslagern oder Zuchthäusern. Die Mutter erstmals im Zuchthaus wegen „Nichtanzeigung eines hochverräterischen Unternehmens”, weil sie sich mit ihrem Mann getroffen hatte, und abermals im letzten Kriegsjahr, nachdem ein Verschworener des 20. Juli auf der Flucht bei ihr genächtigt hatte.
Von den Stapeln der Memoirenliteratur über das Dritte Reich unterscheidet sich das Buch gründlich. Der Verfasser, später Journalist, erinnert sich nicht als Handelnder, nicht als direktes Opfer, sondern als leidendes und mitleidendes Kind. Als Vierjähriger hatte er den Va-ter zum letzten Mal gesehen. Beim nächsten, illegalen Sichtkontakt war er zehn Jahre alt. Die Mutter, die ihren Mann viermal im Jahr eine halbe Stunde besuchen durfte, wenn sie selber in Freiheit war, nahm ihren Sohn mit zu einem Lager im Emsland, wo die gefangenen „Moorsoldaten” Torf stechen mussten. Die junge Frau verdiente als vorbestrafte
Arbeiterin in einer Tintenfabrik 28,70 Mark pro Woche und konnte die Reise aus Hannover nur am Sonntag machen.
Kinder mussten sowieso am Lagertor warten. Aber da gerade ein heftiges Gewitter niederging, durfte der Bub mit in einen Baracken-Korridor. Hinter Maschendraht, vier Meter entfernt, wortlos, aber mit einem zaghaften Lächeln, ging der Vater 35 Schritte lang vorbei. Den Schulkameraden erzählte der Autor, sein Vater sei nach Amerika ausgewandert. Später dienten die Ostfront und Stalingrad als Alibi.
Er selber urteilt über sein Dasein in jener Zeit: „Sich ständig durchmogeln zu müssen, war für die Wahrheitsliebe des Knaben nicht gerade förderlich.” Nicht zuletzt die geheuchelte Freude über die deutschen Siege habe ihn „ziemlich ver-logen” gemacht – ganz anders als die Großmutter, die am Ende auch noch eingesperrt wurde. Sie hatte BBC gehört und wollte dies gegenüber einem nachsichtigen Verhörbeamten partout nicht abstreiten. Erlebnisse wie diese verbinden sich in dem Buch mit den Briefen der Eltern zu einer detailreichen, faszinierenden, realistischen Beschreibung der deutschen Welt von damals. Aber eben aus einer ganz besonderen Perspektive: Drittes Reich von links unten.
Die Mutter rettete sich im Februar 1945 aus dem Frauenzuchthaus Cottbus, als die Mauern durch Bombentreffer einstürzten. Zu Fuß lief sie tagelang der vormarschierenden Roten Armee entgegen. Ins Zuchthaus Brandenburg- Görden, wo
der Vater einsaß, schickte der Generalstaatsanwalt aus dem bereits umkämpften Berlin noch am 20. April 1945, Hitlers letztem Geburtstag, den Henker. Zwanzig Häftlinge wurden enthauptet, aber nicht Wald Senior. Erst fast zwei Monate nach Kriegsende erfuhr der Verfasser durch einen Brief des Vaters, was aus beiden Eltern geworden war. Noch einen weiteren Monat dauerte es, bis sich die Eltern mit einem Transport holländischer Zwangsarbeiter nach Hannover schmuggeln konnten. Sie öffneten gemeinsam die Tür, als der Sohn, Lehrling bei Hanomag, nach Hause kam. Die Wohnung der Familie stand noch, nur eine Flasche Sekt, die seit 1933 für diesen Augenblick reserviert war, fehlte. Die hatte der Autor mit seiner ersten Liebe ausgetrunken.
RUDOLPH CHIMELLI
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Erinnerungen an das Leben im Dritten Reich, aber doch ganz anders als das Gros der "Memoirenliteratur" - Rudolph Chimelli hat in diesem Buch die Zeit des Hitlerfaschismus aus einer "ganz besonderen Perspektive" nacherlebt. Peter Wald war der Sohn eines Kommunisten, der zuerst im Untergrund war und später in KZs und Zuchthäusern eingesperrt war; seine Mutter wurde ebenfalls inhaftiert. Sohn Peter, schreibt Chimelli, verbrachte die Jahre bis 1945 als Außenseiter unter seinen Altersgenossen - einer, dessen Existenz durch die flüchtigen Blicke auf den inhaftierten Vater und die antrainierte Alltagsheuchelei begrenzt war. Seine Erinnerungen und die ebenfalls enthaltenen Briefe der Eltern fügen sich, so Chimelli, "zu einer detailreichen, faszinierenden, realistischen Beschreibung der deutschen Welt von damals".

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