Ende November 1997 verstarb die Ehefrau des bekannten Schweizer Dramatikers Hansjörg Schneider (Jg. 1938). Dreißig Jahre hatten sie zusammen gelebt. Um über den schmerzlichen Verlust hinwegzukommen, halfen ihm damals keine noch so wohlgemeinten Gespräche sondern nur Wörter, und so versuchte er, ein
Tagebuch zu führen, „um mich zu retten“.
Obwohl die Aufzeichnungen zunächst nicht für eine…mehrEnde November 1997 verstarb die Ehefrau des bekannten Schweizer Dramatikers Hansjörg Schneider (Jg. 1938). Dreißig Jahre hatten sie zusammen gelebt. Um über den schmerzlichen Verlust hinwegzukommen, halfen ihm damals keine noch so wohlgemeinten Gespräche sondern nur Wörter, und so versuchte er, ein Tagebuch zu führen, „um mich zu retten“.
Obwohl die Aufzeichnungen zunächst nicht für eine Veröffentlichung gedacht waren, erschienen sie 2000 als „Nachtbuch für Astrid“ im Ammann Verlag. Nun liegen sie in einer Neuauflage im Diogenes Verlag vor.
In unregelmäßigen Tagebucheintragungen hält Schneider seine Trauer fest und beschreibt damit die Krise des verlassenen, überlebenden Ehepartners. Zunächst bleibt er noch in Basel, wo seine Frau im Kantonsspital verstarb. Doch er muss aus der Depression herauskommen. Daher legt er das Tagebuch für einige Zeit beiseite und nimmt sich nach zwei Monaten im Schwarzwald ein kleines Hotel-Appartement. Dieses Umfeld ist nicht so mit Erinnerungen besetzt.
Aber auch hier verfolgen ihn die Erinnerungen, an die Anfangsjahre ihrer Ehe in den 60er Jahren, als die Kinder im Mittelpunkt ihres Lebens standen. Manchmal sind die Eintragungen nur kurz, wenige Zeilen, dann füllen sie wieder mehrere Seiten. Sie alle sind intensive Trauerarbeit.
Das Einzige, was ihm helfen könnte, wäre ein neuer Roman oder ein neues Stück … und so beginnt Schneider nach einem halben Jahr, an seinem neuen Hunkeler-Roman weiterzuschreiben. Er macht sich hartnäckig an die Arbeit, vor allem in den Nächten, denn die sind am schlimmsten.
Selbst nach einem halben Jahr ist die Trauer noch ein Dauerzustand. Selbst Lesungen und die Teilnahme an den Solothurner Literaturtagen können nicht darüber hinweghelfen. Seine Umwelt nimmt Schneider immer noch mit vier Augen wahr. Ihm fehlen nicht nur Astrids Nähe sondern auch die Gespräche mit ihr - stundenlang, ja tagelang hockt er in der leeren Wohnung.
Nach einem Jahr schließlich tippt er die Aufzeichnungen in die Maschine, ohne dabei auf stilistische Feinheiten zu achten. Ihm kommt es vielmehr auf Authentizität an - er schickt quasi sein Trauer-Tagebuch seiner Frau in den Tod nach.
Fazit: „Nachtbuch für Astrid“ ist ein persönliches Buch über den Tod und die Liebe zweier Menschen.
Manfred Orlick