Es ist später Abend im Hafen von Algeciras. Im dunklen Warteraum des Fährterminals sitzen zwei alternde Iren, langjährige Partner im lukrativen, aber gefährlichen Geschäft des Drogenschmuggels, und erwarten Dilly, die verschollene Tochter des einen. Sie haben gehört, dass sie in dieser Oktobernacht entweder auf einem Boot aus Tanger ankommt oder auf einem Boot in Richtung Tanger abfährt. Diese Nachtwache ist der Auftakt zu einer außergewöhnlichen Reise in die Vergangenheit, ihre gemeinsame Geschichte. Eine Geliebte ist verloren, eine Tochter verschwunden, eine Welt zerbrochen - kann sie wieder zusammengefügt werden?
«Nachtfähre nach Tanger», das Meisterwerk des preisgekrönten Kevin Barry, ist ein Roman voller Sex, Tod und Drogen, jäher Gewalt und alter Magie. Jeder Satz ist Musik, jeder Absatz lüftet ein Geheimnis, vor allem aber geht es um die Mysterien der Liebe. Ein Werk voll melancholischer Schönheit, Komik und lyrischer Brillanz.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
«Nachtfähre nach Tanger», das Meisterwerk des preisgekrönten Kevin Barry, ist ein Roman voller Sex, Tod und Drogen, jäher Gewalt und alter Magie. Jeder Satz ist Musik, jeder Absatz lüftet ein Geheimnis, vor allem aber geht es um die Mysterien der Liebe. Ein Werk voll melancholischer Schönheit, Komik und lyrischer Brillanz.
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Rezensentin Maria Wiesner traut den beiden Antihelden in Kevin Barrys Hardboiled-Krimi alles zu. Wenn die beiden auf ihrer Odyssee zwischen Irland und Tanger, zwischen Drogenjobs und Drogentrips über vergangene Abenteuer plaudern, fühlt sich Wiesner nicht von ungefähr an Ramond Chandler erinnert, inhaltlich, aber auch sprachlich, weil Barry seine Sätze schleift, bis sie klar sind wie ein Kristall, so die Rezensentin. Dass der Autor nicht einfach nachahmt, sondern echt feine Dialoge schreibt, versichert Wiesner glaubhaft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2022Harte Typen, harte Sprache
Kevin Barry lauscht bei Raymond Chandler
Es gibt Bars, die man nicht betritt, wenn man nicht bereit ist, in eine Messerstecherei verwickelt zu werden oder immerhin ein paar Schläge zu kassieren. Maurice Hearne und Charles Redmond haben in solchen Bars die besten Jahre ihres Lebens verbracht und wahrscheinlich auch einen guten Teil der schlechteren Jahre. Nun sitzen die beiden Iren am Hafen der spanischen Stadt Algeciras und warten auf die Fähre nach Tanger.
Sie wollen nicht etwa das Land verlassen, sie suchen ein Mädchen, von dem sie gehört haben, dass es die Fähre nehmen wird. Das Mädchen ist vor einigen Jahren aus Irland abgehauen und soll jetzt als Aussteigerin zwischen Spanien und Marokko pendeln, mit Hunden und jungen Männern mit Dreadlocks im Schlepptau, so malen es sich Hearne und Redmond auf ihrer Bank im Fährterminal zumindest aus.
Die Nacht ist lang, das Terminal vollgepackt mit Menschen, und die zwei Männer klopfen harte Sprüche, ziehen sich gegenseitig auf und werfen immer wieder Blicke zurück in die gemeinsame Vergangenheit, auf ihre Jahre in dunklen Bars in Irland und Spanien und Marokko. Und sie erinnern sich daran, wie die Geschichte mit dem Mädchen, das die Tochter eines der beiden ist, überhaupt passieren konnte.
Hearne und Redmond hatten sich einige Jahrzehnte zuvor in ihrer Heimat kennengelernt. Sie waren vom gleichen Schlag, beiden war klar, dass die Insel ihnen außer rauem Wetter und noch rauerer Arbeit nicht viel bieten konnte. Die Suche nach dem Glück und dem schnellen Geld führte sie schnurstracks in den Drogenhandel.
Die Kapitel in "Nachtfähre nach Tanger" wechseln ab zwischen den Geschehnissen am Hafen und den Rückblenden in die Vergangenheit. Mal blicken die beiden zurück auf Touren in klapprigen Autos durchs marokkanische Rif-Gebirge, mal auf die Versuche, an der irischen Küste durch Immobilienspekulation sesshaft zu werden (was von Feengeschichten und dem Aberglauben der Dorfbewohner verhindert wird), und ein ums andere Mal natürlich auch auf schöne und mitunter gefährliche Frauen, die entweder beim Rauschgifthandel mitmischen oder sich das Zeug durch die Venen jagen.
Mit diesen beiden Männern, die auf der Suche nach Abenteuern einen Hang zur Selbstzerstörung entwickelten, hat der irische Autor Kevin Barry zwei Antihelden im Stil Raymond Chandlers entworfen. Auch sprachlich orientieren sich seine kurzen, knappen Absätze am Pionier hartgesottener Detektivromanhelden, der für seine prägnanten Beschreibungen berühmt war. Über Maurice und Charles heißt es etwa im ersten Kapitel: "Altes Wetter hat ihnen das Gesicht, die kantigen Kiefer, den wüsten Mund gekerbt." An anderer Stelle über Maurice: "Sein linkes Auge ist matschig und tot, das andere seltsam irre, als wäre zum Ausgleich doppelt Leben darin." Dann wieder in der wörtlichen Rede: "Ich war wohl n eher unwahrscheinliches Sexsymbol, sagt er. Ich meine, schau dir meine Fresse an, wenn man die nur beschreiben würde, könnt sich das keiner vorstellen."
Auch die übertriebenen Vergleiche scheinen von amerikanischen Vorbildern angeregt, so zum Beispiel, wenn es über den Barkeeper Nelson Lavin heißt: Er "schlug einen präzisen Haken hinten um den Hearne-Redmond-Tisch herum - jeder Einmarsch in Russland war Pipifax im Vergleich dazu, wie sich Nelson Lavin an manchen Abenden durch seine eigene verdammte Bar kämpfen musste".
Kevin Barry kopiert hier jedoch nicht wahllos den Stil der Ahnen. Im britischen "Guardian" erzählte der Autor einmal, wie lange er an seinen Sätzen feile. Jedes Kapitel lese er sich am Ende noch einmal laut vor, um Überflüssiges zu streichen und Gespräche flüssiger zu machen. So schleift er seine Sätze, bis sie klar funkelnde Kristalle sind.
Das Ohr für sprachliche Feinheiten merkt man vor allem seinen Dialogen an, in denen sich die beiden Männer aufziehen und necken. Nur um dann, wenn man sie gerade für zwei Typen hält, denen die Zeit den Schneid abgekauft hat, gegenüber Fremden in einen so bedrohlichen Ton zu verfallen, dass man ihnen alles zutraut. MARIA WIESNER
Kevin Barry: "Nachtfähre nach Tanger". Roman.
Aus dem Englischen von Thomas Überhoff. Rowohlt Verlag, Hamburg 2022. 208 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kevin Barry lauscht bei Raymond Chandler
Es gibt Bars, die man nicht betritt, wenn man nicht bereit ist, in eine Messerstecherei verwickelt zu werden oder immerhin ein paar Schläge zu kassieren. Maurice Hearne und Charles Redmond haben in solchen Bars die besten Jahre ihres Lebens verbracht und wahrscheinlich auch einen guten Teil der schlechteren Jahre. Nun sitzen die beiden Iren am Hafen der spanischen Stadt Algeciras und warten auf die Fähre nach Tanger.
Sie wollen nicht etwa das Land verlassen, sie suchen ein Mädchen, von dem sie gehört haben, dass es die Fähre nehmen wird. Das Mädchen ist vor einigen Jahren aus Irland abgehauen und soll jetzt als Aussteigerin zwischen Spanien und Marokko pendeln, mit Hunden und jungen Männern mit Dreadlocks im Schlepptau, so malen es sich Hearne und Redmond auf ihrer Bank im Fährterminal zumindest aus.
Die Nacht ist lang, das Terminal vollgepackt mit Menschen, und die zwei Männer klopfen harte Sprüche, ziehen sich gegenseitig auf und werfen immer wieder Blicke zurück in die gemeinsame Vergangenheit, auf ihre Jahre in dunklen Bars in Irland und Spanien und Marokko. Und sie erinnern sich daran, wie die Geschichte mit dem Mädchen, das die Tochter eines der beiden ist, überhaupt passieren konnte.
Hearne und Redmond hatten sich einige Jahrzehnte zuvor in ihrer Heimat kennengelernt. Sie waren vom gleichen Schlag, beiden war klar, dass die Insel ihnen außer rauem Wetter und noch rauerer Arbeit nicht viel bieten konnte. Die Suche nach dem Glück und dem schnellen Geld führte sie schnurstracks in den Drogenhandel.
Die Kapitel in "Nachtfähre nach Tanger" wechseln ab zwischen den Geschehnissen am Hafen und den Rückblenden in die Vergangenheit. Mal blicken die beiden zurück auf Touren in klapprigen Autos durchs marokkanische Rif-Gebirge, mal auf die Versuche, an der irischen Küste durch Immobilienspekulation sesshaft zu werden (was von Feengeschichten und dem Aberglauben der Dorfbewohner verhindert wird), und ein ums andere Mal natürlich auch auf schöne und mitunter gefährliche Frauen, die entweder beim Rauschgifthandel mitmischen oder sich das Zeug durch die Venen jagen.
Mit diesen beiden Männern, die auf der Suche nach Abenteuern einen Hang zur Selbstzerstörung entwickelten, hat der irische Autor Kevin Barry zwei Antihelden im Stil Raymond Chandlers entworfen. Auch sprachlich orientieren sich seine kurzen, knappen Absätze am Pionier hartgesottener Detektivromanhelden, der für seine prägnanten Beschreibungen berühmt war. Über Maurice und Charles heißt es etwa im ersten Kapitel: "Altes Wetter hat ihnen das Gesicht, die kantigen Kiefer, den wüsten Mund gekerbt." An anderer Stelle über Maurice: "Sein linkes Auge ist matschig und tot, das andere seltsam irre, als wäre zum Ausgleich doppelt Leben darin." Dann wieder in der wörtlichen Rede: "Ich war wohl n eher unwahrscheinliches Sexsymbol, sagt er. Ich meine, schau dir meine Fresse an, wenn man die nur beschreiben würde, könnt sich das keiner vorstellen."
Auch die übertriebenen Vergleiche scheinen von amerikanischen Vorbildern angeregt, so zum Beispiel, wenn es über den Barkeeper Nelson Lavin heißt: Er "schlug einen präzisen Haken hinten um den Hearne-Redmond-Tisch herum - jeder Einmarsch in Russland war Pipifax im Vergleich dazu, wie sich Nelson Lavin an manchen Abenden durch seine eigene verdammte Bar kämpfen musste".
Kevin Barry kopiert hier jedoch nicht wahllos den Stil der Ahnen. Im britischen "Guardian" erzählte der Autor einmal, wie lange er an seinen Sätzen feile. Jedes Kapitel lese er sich am Ende noch einmal laut vor, um Überflüssiges zu streichen und Gespräche flüssiger zu machen. So schleift er seine Sätze, bis sie klar funkelnde Kristalle sind.
Das Ohr für sprachliche Feinheiten merkt man vor allem seinen Dialogen an, in denen sich die beiden Männer aufziehen und necken. Nur um dann, wenn man sie gerade für zwei Typen hält, denen die Zeit den Schneid abgekauft hat, gegenüber Fremden in einen so bedrohlichen Ton zu verfallen, dass man ihnen alles zutraut. MARIA WIESNER
Kevin Barry: "Nachtfähre nach Tanger". Roman.
Aus dem Englischen von Thomas Überhoff. Rowohlt Verlag, Hamburg 2022. 208 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Maria Wiesner traut den beiden Antihelden in Kevin Barrys Hardboiled-Krimi alles zu. Wenn die beiden auf ihrer Odyssee zwischen Irland und Tanger, zwischen Drogenjobs und Drogentrips über vergangene Abenteuer plaudern, fühlt sich Wiesner nicht von ungefähr an Ramond Chandler erinnert, inhaltlich, aber auch sprachlich, weil Barry seine Sätze schleift, bis sie klar sind wie ein Kristall, so die Rezensentin. Dass der Autor nicht einfach nachahmt, sondern echt feine Dialoge schreibt, versichert Wiesner glaubhaft.
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Kevin Barrys Buch ist ein atemberaubendes Nachtstück über Liebe, Schuld und eine Befreiung. Eine Geschichte, die nicht viel Platz braucht. Kevin Barry erzählt mit der Wucht eines antiken Dramatikers Weltgeschichte auf einem Groschen, ebenso gruselig wie großartig. Torsten Unger MDR Radio "Ungers Bücher" 20220717