„Nachtschattenwald“ von Kathrin Tordasi ist ein tolles Buch!
Mich hat die Geschichte von der ersten Seite an mitgenommen. Angesiedelt ist sie ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Alles ist grün, die Natur hat sich erkennbar ihr Recht genommen und ihren Lebensraum zurückerobert. Offenbar wächst
alles schneller als wir es kennen.
Aufgrund dessen leben die Menschen in kleinen Kommunen zusammen und…mehr„Nachtschattenwald“ von Kathrin Tordasi ist ein tolles Buch!
Mich hat die Geschichte von der ersten Seite an mitgenommen. Angesiedelt ist sie ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Alles ist grün, die Natur hat sich erkennbar ihr Recht genommen und ihren Lebensraum zurückerobert. Offenbar wächst alles schneller als wir es kennen.
Aufgrund dessen leben die Menschen in kleinen Kommunen zusammen und sind wieder zu Selbstversorgern geworden. Zwischen den einzelnen Kommunen gibt es wenig Kontakt – Straßen, Brücken, Gleise: alles überwuchert; Computer, Telefon, Internet: funktionieren nicht mehr. Strom ist jedoch vorhanden (und wird aus ökologischen Quellen gewonnen).
In dieser Welt lebt der 12jährige Finn. Er hält sich gern draußen auf, weiß aber auch um die Gefahren des Waldes: denn nachts schleicht der Nachtwandler im Wald herum und verschleppt all die Menschen, die nicht rechtzeitig zum Einbruch der Dunkelheit zu Hause sind. Die Erwachsenen behaupten, er versetze sie in einen immerwährenden Schlaf. Ein Mythos, um rebellische Kinder unter Kontrolle zu bringen, oder die traurige Wahrheit?
Tatsache ist, dass immer wieder Menschen spurlos verschwinden. Und auch Finn hat einen Verlust zu verkraften: Vor sechs Jahren war er mit seiner älteren Schwester Hannah im Wald unterwegs gewesen, als sie vom Einbruch der Dunkelheit überrascht worden sind. Hannah hat dafür gesorgt, dass Finn sicher in einer Baumhöhle versteckt war, während sie selbst sich ein anderes Versteck suchen wollte. Sie verschwand in dieser Nacht, die Suchaktion am nächsten Tag blieb erfolglos. Ist sie in die Fänge des Mondwandlers geraten?
Nach einem Überfall auf den Garten seiner Oma geraten Finn und seine beste Freundin Samira in Kontakt mit den „Elstern“, einer Gruppe Jugendlicher, die abgeschieden von den Kommunen leben, und, so scheint es auf den ersten Blick, keine Lust auf die allgemeinen Regeln haben. Tatsächlich wollen die Elstern die Gleichgültigkeit der Erwachsenen gegenüber dem Mondwandler nicht länger hinnehmen und arbeiten an einem Plan, das Lager des Mondwandlers aufzuspüren und zu vernichten. Dafür brauchen sie Finns Hilfe, der offenbar als Einziger in der Lage ist, eine Art biologischen Kompass, der auf die Fährte der Bestie führt, zu benutzen. In Finn wächst der Wunsch, Hannah zu finden, aber mit der Zerstörung des Mondwandler-Lagers ohne vorherige Befreiung der Nachschwärmer ist er nicht einverstanden. Also machen sich Finn und Samira in Begleitung einer abtrünnigen Elster allein auf den Weg in den Nachtschattenwald. Und dort entdecken sie ein großes Geheimnis...
Der Schreibstil ist klar und flüssig, aber dennoch sehr plastisch. Die Autorin schafft es wunderbar, dem Leser die gleiche Gänsehaut den Rücken emporkriechen zu lassen, die auch Finn spüren muss, wenn er nachts im verbotenen Wald steht und das Knarzen, Knacken und Knurren einordnen muss. Die Charaktere sind einfühlsam beschrieben und entwickeln sich im Laufe der Geschichte nachvollziehbar weiter. Finn zweifelt immer wieder an sich und seinen Fähigkeiten – in Momenten der Not wächst er jedoch über sich hinaus.
Als die Kinder das Geheimnis des Mondwandlers aufdecken, habe ich kurz gezögert, ob ich den Fortgang der Geschichte mag – einfach weil die Wendung so unerwartet und überraschend war. Aber eigentlich ist die Wendung genial und ich bin restlos begeistert! Und sie wirft so viele Fragen auf: Wer ist denn nun das Monster? Wessen Rechte stehen höher? Es geht um Vieles in diesem Buch – Freundschaft, Verrat, Mut und Selbstüberwindung, aber auch die großen Themen Klimawandel, Umweltzerstörung und Umweltschutz. Die Auflösung des Rätsels hält eine breite Palette an Denkanstößen bereit. Kathrin Tordasi ist eine spannende Mischung aus Abenteuer-, Dystopie- und Science-Fiction-Roman mit klarer Leseempfehlung gelungen. Schade, dass sich durch die Zielgruppe ab 10 Jahre sicher nicht so viele erwachsene Leser finden werden, wie das Buch eigentlich verdient hätte.