Was ein Gedicht sein kann? Alles. Frieda Paris' Debüt "Nachwasser" ist durchlässig, tiefschichtig, auffächernd. Hier schreibt eine Schreibende, die den Einflüsterungen ihrer Wortmütter ebenso lauscht wie denen eines Vogels, der auf ihrer Schreibschulter ein Nest gebaut hat. Der Text lässt seine Leserinnen und Leser an der Entstehung eines langen Gedichts teilhaben, nimmt sie mit an den Schneidetisch, wo alles zusammenfindet: gestrandetes Poesiegut, Tränensalz, Wörter der Kindheit - und Zettelrückseiten aus dem Nachlass der großen Wortmutter Friederike Mayröcker. Unbeirrt legt die Autorin Sätze für sich und die Lesenden auf die Kante des Tischs, hin zu einem einzigen lebenslangen Satz, in der Hoffnung, er möge - irgendwann - auf jemanden zuhalten.
"Man muß sich 'Nachwasser' vorstellen wie Chris Markers Filmessay 'Sans Soleil' - mit ruhiger Stimme vorgelesene Briefe, während die Schauplätze wechseln, von Wien nach Hokkaido, zurück in die Kindheit in Süddeutschland, vom Schnee zum Sand, und darüber die Schrift, in der Schwebe." Marcel Beyer "Dieser Text ist wie ein erster Auszug. Ein Zwischenstand auf dem Weg zur Verwurzelung mit den anderen, den Weggegangenen, den Vordichter:innen. Frieda Paris schreibt vom Einfellen, vom Einsteigen in Wörter, die sich einem wie ein Schal umlegen. Gedichte handeln vom Gedichte Schreiben."
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
"Ein sehr anregendes Lyrikdebüt" ist der Lyrikband von Frieda Paris, die sich durch das hinterlassene "Zetteluniversum" der Lyrikerin Friederike Mayröcker durchgearbeitet hat, freut sich Rezensent Nico Bleutge. Paris spinnt hierbei, erfahren wir, die Ideen auf Mayröckers Zetteln, vor allem auf deren Rückseiten, weiter, auf denen meist nur einzelne Worte, manchmal Sätze stehen. Daraus ergibt sich eine "Mischung aus Ordnung und Unordnung", die verschiedenen Gedanken der Zettel werden als Montage entweder durch Einrückungen oder Leerstellen visuell organisiert und zu einem "Langgedicht", staunt der Kritiker. Auf eindrucksvolle Weise, so Bleutge, geht Paris ihrer Kindheit, Jugend und einer beendeten Liebe nach. Wörter sind ebenfalls dauernden Verschiebungen ausgesetzt: das Erlebte wird beispielsweise zum "Erliebten". So findet Paris auf der Grundlage von Mayröcker ihre "ganz eigene Sagweise", schließt der begeisterte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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