Jean-Philippe Toussaint
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Ist das der Abschied von Marie? Nach den gefeierten Romanen Sich lieben, Fliehen und Die Wahrheit über Marie folgt Toussaints namenloser Erzähler noch ein letztes Mal seiner geheimnisvollen Geliebten - von einer Modenschau in Tokio über das herbstliche Paris bis auf die Insel Elba, wo es einen Todesfall gegeben hat. Unter einem Schleier aus Kakao, der nach einem mysteriösen Fabrikbrand die Insel einhüllt, wird ein Geheimnis gelüftet, das alles verändern kann. Und Toussaints Prosa, abgründig und leicht, zeigt den Menschen im Moment seiner größten Schutzlosigkeit: als Liebenden.
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Der Belgier Jean-Philippe Toussaint, geboren 1957, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur und gilt als einer der größten Stilisten der französischen Gegenwartsliteratur. 1985 betrat er mit dem Kurzroman "Das Badezimmer" die literarische Bühne und hatte auf Anhieb einen gewaltigen Erfolg. Toussaint lebt abwechselnd in Brüssel und auf Korsika.
Produktdetails
- btb Bd.71363
- Verlag: btb
- Originaltitel: Nue
- Seitenzahl: 160
- Erscheinungstermin: 14. November 2016
- Deutsch
- Abmessung: 188mm x 119mm x 17mm
- Gewicht: 172g
- ISBN-13: 9783442713639
- ISBN-10: 3442713633
- Artikelnr.: 44945292
Herstellerkennzeichnung
btb Taschenbuch
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ruthard Stäblein wird nicht enttäuscht von diesem neuen Roman von Jean-Philippe Toussaint. Wie immer, erklärt Stäblein, spielt der Autor mit den Themen Kunst und Leben und ihrer Ununterscheidbarkeit, wie stets bleibt die fast mythische Frauenfigur Marie schemenhaft, sichtbar nur durch die beobachtende (und schmachtende) Perspektive des Erzählers. Verbirgt sich hier vielleicht eine Allegorie des Erzählens, an sich? Stäblein erscheint es so und lässt sich vom Autor bereitwillig Informationen vorenthalten und Leerstellen servieren. Toussaints Minimialismus, sein virtuoses Spiel mit Zeitebenen, Orten und Figuren und seine klare Sprache - für Stäblein eben auch Garant für gute Literatur.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Gebundenes Buch
Mut zum Honigkleid
In der Tetralogie über seine mythische Frauenfigur Marie hat der belgische Autor Jean-Philippe Toussaint kürzlich den vierten Band unter dem Titel «Nackt» vorgelegt. Er ist im Sinne seines Förderers Alain Robbe-Grillet im Stil des Nouveau Roman …
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Mut zum Honigkleid
In der Tetralogie über seine mythische Frauenfigur Marie hat der belgische Autor Jean-Philippe Toussaint kürzlich den vierten Band unter dem Titel «Nackt» vorgelegt. Er ist im Sinne seines Förderers Alain Robbe-Grillet im Stil des Nouveau Roman verfasst, vertraut also darauf, Spannung zu erzeugen durch Auslassungen. Insoweit erfordert der Roman mitwirkende Phantasie. Der Leser muss, um Verständnislücken zu vermeiden, die Leerstellen in der Geschichte ergänzen, er darf im Kontext mit dem Erzählten seine eigene, individuelle Geschichte konstruieren, die Bilder für sein Kopfkino also nach Gusto komplettieren. Ich habe das Buch geschenkt bekommen und es ohne Kenntnis der vorangehenden Romane als alleinstehende Geschichte gelesen, erst hinterher habe ich ein wenig recherchiert und kann nur bestätigen, dass es sehr wohl auch für sich gelesen werden kann.
Im Mittelpunkt dieses Liebesromans steht Marie Madeleine Marguerite de Montalte, eine zum Jetset gehörende junge Modeschöpferin. Der namenlos bleibende Ich-Erzähler ist unsterblich in sie verliebt, ja geradezu vernarrt, ihre Beziehung jedoch gestaltet sich als ein dauerndes Auf und Ab, Versöhnung und Trennung also in ständigem Wechsel. Auffallend ist, dass der Mann völlig passiv erscheint, nur beobachtend, nicht eingreifend in die Geschehnisse, Marie allein ist die Handelnde. Beide Figuren sind schemenhaft, erscheinen als Charaktere konturlos, umso mehr aber stehen die Dinge und Ereignisse im Vordergrund, werden minutiös beschrieben. Wie die Modenschau in dem mit «Herbst-Winter» überschriebenen, vorspielartigen Abschnitt, bei der Marie in einer auf die Spitze getriebenen, experimentellen Kreation ihr «Honigkleid» präsentiert, «eine Haut Couture ohne Couture, eine Nähkunst ohne Naht», wie Toussaint es ausdrückt. Als das nackte, von Kopf bis Fuß mit Honig bestrichene und von lebenden Bienen umschwärmte Mannequin stolpert, gerät die grandiose Inszenierung zum Desaster.
In Fragmenten wird erzählt, wie nach einer Trennung des Paares der eifersüchtige Mann sie heimlich während einer Ausstellung in Tokio beobachtet, wie dort ein Charmeur zunächst eine falsche Marie, dann aber die Modeschöpferin umgarnt, erfolgreich, wie man erfährt. Nach einem gemeinsamen Urlaub auf Elba trennen Marie und der Ich-Erzähler sich wieder, um zwei Monate später für eine Beerdigung gemeinsam dorthin zurückzukehren. Der Brand der Schokoladenfabrik, dessen Gerüche die ganze Insel einhüllen, der Schock über einen unautorisierten Benutzer ihres Ferienhauses, das ungeheizte Hotelzimmer, die mangels Ortskenntnissen verpasste Beerdigung, all dies wird minutiös geschildert und noch durch allerlei Andeutungen angereichert. Als Marie ihm erklärt, dass sie schwanger ist, zweifelt er, ob er der Vater ist, «weil wir tatsächlich seit mehreren Monaten nicht mehr miteinander geschlafen hatten, mit der Ausnahme dieser einzigen Umarmung …, als wir in aller Herrgottsfrühe, völlig übermüdet und übel zugerichtet, im dämmrigen Licht des Schlafzimmers flüchtig zusammen waren, mehr in einer harmlosen, Trost spendenden Umarmung, als dass wir so richtig, wie es sich gehört, miteinander Sex gehabt hätten (aber ganz offensichtlich zählt so etwas auch, wir waren hier wohl schlecht beraten)». Ob Marie vielleicht auch nur ein bisschen schwanger ist, fragt sich der verdutzte Leser.
In klarer Sprache erzählt der Autor geradezu minimalistisch karg von Marie und dem namenlosen Ich-Erzähler. Wobei er virtuos ebenso mit Zeitebenen spielt wie mit Orten und Figuren und sich, ganz dem Nouveau Roman verpflichtet, aller psychologischen Deutungen enthält. All dies dient ihm hier übrigens nur dazu, sich in immer neuen Reflexionen über seine exaltierte Heldin zu ergehen. Weder Handlung noch Sprache stünden für ihn im Mittelpunkt, sondern eine bestimmte Sicht auf die Welt, hat Toussaint angemerkt. Ob der Leser das am Ende genauso sieht und ob sich gar seine Weltsicht verändert hat, ist ausschließlich in ihm selbst begründet.
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