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»Nackte Väter« beginnt mit einem Begräbnis. Vom Ende ausgehend schildert die Autorin episodenhaft das Leben ihres Vaters. In mal lustigen, mal leidvollen Erinnerungen entsteht die eindringliche Geschichte einer Liebe zwischen Tochter und Vater und eine ebenso nüchterne wie innige Huldigung an die Über-Figur einer Kindheit. Margit Schreiner hat ihrem Vater einen brillanten, hintergründigen und liebevollen Nachruf geschrieben und ihren Lesern ein eindrucksvolles Buch geschenkt.

Produktbeschreibung
»Nackte Väter« beginnt mit einem Begräbnis. Vom Ende ausgehend schildert die Autorin episodenhaft das Leben ihres Vaters. In mal lustigen, mal leidvollen Erinnerungen entsteht die eindringliche Geschichte einer Liebe zwischen Tochter und Vater und eine ebenso nüchterne wie innige Huldigung an die Über-Figur einer Kindheit.
Margit Schreiner hat ihrem Vater einen brillanten, hintergründigen und liebevollen Nachruf geschrieben und ihren Lesern ein eindrucksvolles Buch geschenkt.
Autorenporträt
Margit Schreiner, geboren 1953 in Linz, studierte Germanistik und Psychologie in Salzburg und ging 1977 für drei Jahre nach Japan. Als freie Schriftstellerin lebte sie danach zunächst in Salzburg und Paris, später in Berlin und Italien heute wieder in Linz. Für ihr bisheriges Werk wurde sie u. a. mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur 2009.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.1998

Du sollst meine Zähne haben
Eher verhalten: Margit Schreiner erinnert sich an "Nackte Väter"

"Eines Nachts, zwei oder drei Jahre vor seinem Tod - ich war mit meiner kleinen Tochter zu Besuch gekommen und schlief im Wohnzimmer -, ging die Tür auf, und mein Vater kam nackt in mein Zimmer." Die Erzählerin reagiert entsetzt, zieht die Decke bis zur Nasenspitze und verläßt schließlich fluchtartig den Raum. Dabei findet sie für das seltsame Verhalten des beinahe Achtzigjährigen durchaus eine Erklärung: "Mein Vater war damals schon sehr verwirrt. Wahrscheinlich wußte er gar nicht, wo er war und daß er überhaupt auf den Beinen war. Wahrscheinlich glaubte er, er läge im Bett und träumte. Oder er wußte, daß er nackt war und nicht träumte, glaubte aber, ich wäre irgendein Mädchen aus seiner Jugend oder meine Mutter, als sie noch jung war. Er lächelte mich so merkwürdig an."

In Margit Schreiners Roman "Nackte Väter" blickt die Erzählerin auf das Leben ihres gerade verstorbenen Vaters zurück. Kindheitserinnerungen stehen dabei unmittelbar neben den Eindrücken der erwachsenen Tochter, die ihren zunehmend verwirrten Vater langsam sterben sieht. Die Erzählstruktur des schmalen Bandes folgt dabei keiner Chronologie, sondern eher assoziativen Mustern, wenn etwa die Zahnprothese des Vaters zu einem der Leitmotive des Romans avanciert: Nach einem verschleppten Herzinfarkt ließ sich der Vater alle Zähne ziehen ("Vielleicht liegt es an den Zähnen", hatte der Arzt gesagt, als sich für den Infarkt keine direkte Ursache finden ließ). Noch auf der Beerdigung drückt die Witwe ihrer Tochter die Prothese verschwörerisch in die Hand: "Du sollst sie haben. Du oder keiner." Später finden die Zähne des Vaters ihren Platz im Badezimmer der Tochter neben der eignen Prothese und werden gewissenhaft gepflegt.

Der Vater leidet an der Alzheimerschen Krankheit. Sie bricht nicht als unvermittelte Katastrophe ins Greisenalter ein, sondern mutet wie ein beinahe organischer Abschluß eines Lebens an. Die Morgengymnastik, vorzugsweise nackt und unbekümmert um etwaige Zuschauer am offenen Fenster absolviert: Deutet sie nicht schon früh auf den späteren Kontrollverlust des greisen Vaters hin, der keinerlei Schamhaftigkeit mehr zu kennen scheint?

An die Seite der detaillierten Schilderungen der Hinfälligkeit treten die kleinen Erfolge des Kranken, der durch intensive Zuwendung aus seiner Apathie zu lösen ist. Zu den bewegendsten Passagen des Buches zählt etwa die Beschreibung eines sommerlichen Picknickausfluges, den Mutter und Tochter mit dem fast erstarrten Vater unternehmen, der längst Pflegefall ist und nur mühsam im Rollstuhl transportiert werden kann. Nach mehreren Anläufen voller Schlucken und Husten gelingt es ihm schließlich, etwas Sekt ohne allzu große Beschwerden zu trinken. Dieser Erfolg zaubert für Sekunden ein Lächeln auf sein Gesicht. Dann sinkt er wieder in seine Erstarrung zurück.

Dagegen bleibt die Mutter merkwürdig statisch: Sie erscheint schon früh als aufmerksame Wächterin, die das enge Verhältnis zwischen Vater und Tochter eifersüchtig beobachtet und später ihren Mann, so lange es geht, betreut. Als sie sich dazu durchringt, ihn in ein Pflegeheim einliefern zu lassen, stößt sie zunächst auf Verständnislosigkeit (und die Rede, in der sie dem Arzt die Notwendigkeit dieser Einlieferung begründet, offenbart eine unerwartete und aus der Not geborene Eloquenz); schließlich muß sie die Agonie ihres Mannes mitansehen und am Ende dafür sorgen, daß seine Qual nicht künstlich verlängert wird.

In den letzten Jahren sind einige Texte erschienen, die das Dahinsiechen und Sterben von älteren Familienmitgliedern zum Inhalt haben, wie etwa Katrin Seebachers Roman "Morgen oder Abend" und jüngst Hermann Kinders Erzählung "Um Leben und Tod". Margit Schreiners Roman setzt innerhalb dieser Thematik den Akzent auf die privaten Erinnerungen. Sie fügen sich zu einem beeindruckend geschlossenen Bild der psychischen Verfaßtheit der Erzählerin, während das Seelenleben des Vaters kaum an Konturen gewinnen kann: Ausdruck einer erzählerischen Disziplin, die das Unzugängliche unbeschrieben läßt. In dieser konsequent eingehaltenen und nur selten von liebevollen Bekenntnissen unterbrochenen Perspektive liegt das Verdienst des Romans, und im überlegt verhaltenen und nie langatmigen Erzählstil. TILMAN SPRECKELSEN

Margit Schreiner: "Nackte Väter". Roman. Haffmans Verlag, Zürich 1997. 135 S., geb., 32,- DM.

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"Das Schöne an diesem Roman ist, dass er uns lehrt, auf unser eigenes Leben zu schauen mit jener Gelassenheit, die jenseits der Werturteile einfach nur wahrnimmt und in diesem Zulassen den wirklichen Reichtum der Welt entdeckt." Berliner Morgenpost