Eine wüste Schimpfkanonade von apokalyptischer Wucht.Eine 'Lästerlaudatio' nennt Adolf Endler dieses 'polternde und folternde' Prosastück aus den achtziger Jahren, das er in einer persönlichen Situation heftiger Bedrängung geschrieben hat. Seit 1979 ausgeschlossen aus dem Schriftstellerverband der DDR und durch die Behinderung und Nichtpublikation seiner Bücher weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt, kriecht er allerdings nicht reumütig zu Kreuze, wie von der offiziellen Kulturpolitik verlangt - im Gegenteil: Die Bemühungen, ihn von seinem Weg als kritischer Geist und Satiriker abzubringen, erfahren eine 'hackmesserartige Abwehr'. Dass ein solcher Text seinerzeit nicht veröffentlicht werden konnte, liegt auf der Hand; er sank sogar so weit ins Vergessen, dass der Autor selbst ihn erst nach mehr als 20 Jahren wiederfand. Seine Frische hat er gleichwohl bewahrt, denn wie Endler im kurzen Vorwort gesteht, hat er nur eine einzige Änderung vorgenommen: 'Statt der 'Lebensgemeinschaft Klüterich/Knall', zu sehr an Dick und Doof erinnernd, spreche ich jetzt von der 'Lebensgemeinschaft Lehmann-Kölz'.'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2008Wutausbruch Ost
Der nächtliche Wind, der durch die Lücken der heruntergekommenen Wohnung pfeift, hat wahrscheinlich Mitleid mit dem armen Bäckergesellen gehabt. Kam der doch eigentlich, um im Auftrag der herrschenden Politklasse Druck auszuüben auf sein vermeintliches Opfer, den unliebsamen Autor mit dem Hang zur eigenen Meinung - doch der dreht den Spieß mit seinen nikotinvergilbten Fingern einfach um und poltert, was die Buchstaben hergeben. Fast fünf Jahre brauchte Adolf Endler in den achtziger Jahren, um seinen Unmut über die eigene Unterdrückung in der DDR zu Papier zu bringen, weitere vier Jahre, bis der kurze Text im Westen publiziert wurde, und seitdem sind wieder 19 Jahre ins Land gegangen, bis der Verfasser selbst sich seiner "Fortsetzungs-Züchtigung" erinnerte und sie wieder aufgelegt wurde. Dass die textgewordene Tirade wider die Repressionen nicht während der SED-Herrschaft veröffentlicht wurde, erklärt sich von selbst. Heute ist der Text von neununddreißig Seiten, in dem Endler ununterbrochen und energisch gegen System, Einzelpersonen und Zustände wettert, künstlerisches Zeitzeugnis und Dokument der persönlichen Befindlichkeit in einem - und in seiner Heftigkeit zudem durchaus noch unterhaltend. (Adolf Endler: "Nächtlicher Besucher, in seine Schranken gewiesen". Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 39 S., br., 12,- [Euro].) scht
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der nächtliche Wind, der durch die Lücken der heruntergekommenen Wohnung pfeift, hat wahrscheinlich Mitleid mit dem armen Bäckergesellen gehabt. Kam der doch eigentlich, um im Auftrag der herrschenden Politklasse Druck auszuüben auf sein vermeintliches Opfer, den unliebsamen Autor mit dem Hang zur eigenen Meinung - doch der dreht den Spieß mit seinen nikotinvergilbten Fingern einfach um und poltert, was die Buchstaben hergeben. Fast fünf Jahre brauchte Adolf Endler in den achtziger Jahren, um seinen Unmut über die eigene Unterdrückung in der DDR zu Papier zu bringen, weitere vier Jahre, bis der kurze Text im Westen publiziert wurde, und seitdem sind wieder 19 Jahre ins Land gegangen, bis der Verfasser selbst sich seiner "Fortsetzungs-Züchtigung" erinnerte und sie wieder aufgelegt wurde. Dass die textgewordene Tirade wider die Repressionen nicht während der SED-Herrschaft veröffentlicht wurde, erklärt sich von selbst. Heute ist der Text von neununddreißig Seiten, in dem Endler ununterbrochen und energisch gegen System, Einzelpersonen und Zustände wettert, künstlerisches Zeitzeugnis und Dokument der persönlichen Befindlichkeit in einem - und in seiner Heftigkeit zudem durchaus noch unterhaltend. (Adolf Endler: "Nächtlicher Besucher, in seine Schranken gewiesen". Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 39 S., br., 12,- [Euro].) scht
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Dorothea Dieckmann begrüßt die zwischen 1980 und 1985 entstandene Groteske, die Adolf Endler jetzt aus seinem Bestand ausgegraben hat und versichert, dass sich darin mehr verbirgt als "nostalgischer Wert". Endler hat diesen nicht einmal 40-seitigen Text aus Anlass einer ihm angebotenen Wiederaufnahme in den DDR-Schriftstellerverband geschrieben, und Dieckmann liest ihn als eine geradezu barock anmutende Satire auf Stasi-Kontrolle und staatliche Drangsalierung: Ein Dichter wird eines Nachts von einem Stasi-Spitzel aufgesucht, den er festsetzt und mit einem ausufernden "Hohn- und Rachemonolog" peinigt, erklärt Dieckmann. Auch wenn dieses Gelegenheitsstück mit der Wende seines "akuten Gegners" verlustig gegangen ist, so demonstriert hier der Dichter doch die "Verteidigung der Freiheit mit den freiheitlichen Mitteln der unverschämten Poesie", freut sich die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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'Heute ist der Text (.) künstlerisches Zeitzeugnis und Dokument der persönlichen Befindlichkeit in einem - und in seiner Heftigkeit zudem durchaus noch unterhaltend.'(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.9.2008)'Der nächtlic