"Ich liebe dieses Buch. Wenn ich groß bin, will ich es heiraten."
Minnie Driver
Viva kennt sie alle - Musiker, Schauspieler und Schriftsteller, ihre Romane, Filme und Songs, ganz gleich, ob tot oder lebendig. Ihr Zuhause in Londons Westen ist ihr schwuler Onkel Manny, und Manny und Liz sind für sie wie Mom und Dad. Mit Liz ist natürlich -logisch!- Liz Taylor gemeint. Jene ahnt zwar nichts davon und wäre vielleicht sogar etwas irritiert, wenn sie wüsste, dass bei Viva zuhause die Treppe hinauf zum Klo eine Galerie mit Liz Taylor-Portraits "in diversen Ehe- und Verfettungsstadien" hängt.
Eigentlich sollte sich die 16-jährige Viva auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, doch das interessiert sie nicht, denn: "Ich lebe ganz in der Vergangenheit, und ich lebe in einem Film." Die Hauptrollen sind mit Viva, ihrer Freundin Treena, ihrem Freund Ray und -natürlich- Liz Taylor besetzt, die Filmmusik liefert Don Henleys "Boys of Summer" - ihr absolutes Lieblingslied, das sie nicht mal auf Platt e hat. Viva ist blitzgescheit, aber katastrophal schlecht in der Schule, frech und kokett, aber immer noch Jungfrau, zu reflektiert, um nicht selbst zu merken, wann sie sich lächerlich macht, und die beste Freundin der Sexgöttin der Schule, der Schwedin Katrina, genannt Treena, die nicht besonders helle, aber mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und polarer Coolness durch's Leben stolziert und immer macht, was sie will. Ray ist Musiker, genau betrachtet sogar ein Star, und "sehr beliebt bei Schülern, die sich den Nabel piercen lassen und zu Hause bei den Eltern den Ring herausnehmen." Kennengelernt haben sich Viva und Ray in der National Gallery, als sie sich gegenseitig im Angesicht einer präraffaelitischen Madonna Tolstoizitate an den Kopf warfen. Zehn Jahre trennen die beiden, und er hat nie versucht, sie anzumachen - einerseits nervt sie das, andererseits ist er ohnehin in natura einer der unattraktivsten Männer, die sie kennt: "Mit den retouchierten Fotos und redigierten Inte rviews ist leichter umzugehen als mit der realen Person."
Ja, Viva ist kompliziert, und ihr Leben changiert zwischen Kitsch und Chaos, einer scharfbeleuchteten Wirklichkeit und ihrem fantasiegeschwängerten Spiegelbild. Wie ein Staubsauger nimmt Viva alles um sich herum auf, setzt es neu zusammen und bläst ihre ganz persönliche Sicht der Dinge wieder in die Welt. Eines Tages lernt sie Drew kennen, den Sänger von Rays Vorband "The Kindness of Strangers", verletzlich, ätherisch, neurotisch, nicht von dieser Welt, mit einem Lächeln, bei dem sich "sein Mund zwirbelte wie der Schnurrbart von Salvador Dal ." Doch die Liebe für's Leben ("Wenn ich an Drew denke, fühle ich mich so lebendig, dass ich sterben möchte.") verschwindet plötzlich spurlos von der Bildfläche.
Mit Wortwitz und einem Dauerfeuer verlüffender Pointen lässt Emma Forrest Viva von sich erzählen. Das Namedropping ist dabei Vivas Weg, einer Welt, die für sie zu klein ist, einen größeren Rahmen zu verleihen. Es ist keine Me thode, um bei anderen Eindruck zu schinden, sondern die Rettung aus der Beziehungslosigkeit mit einer Umwelt, in der sie sich als Außenseiterin fühlt.
Minnie Driver
Viva kennt sie alle - Musiker, Schauspieler und Schriftsteller, ihre Romane, Filme und Songs, ganz gleich, ob tot oder lebendig. Ihr Zuhause in Londons Westen ist ihr schwuler Onkel Manny, und Manny und Liz sind für sie wie Mom und Dad. Mit Liz ist natürlich -logisch!- Liz Taylor gemeint. Jene ahnt zwar nichts davon und wäre vielleicht sogar etwas irritiert, wenn sie wüsste, dass bei Viva zuhause die Treppe hinauf zum Klo eine Galerie mit Liz Taylor-Portraits "in diversen Ehe- und Verfettungsstadien" hängt.
Eigentlich sollte sich die 16-jährige Viva auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, doch das interessiert sie nicht, denn: "Ich lebe ganz in der Vergangenheit, und ich lebe in einem Film." Die Hauptrollen sind mit Viva, ihrer Freundin Treena, ihrem Freund Ray und -natürlich- Liz Taylor besetzt, die Filmmusik liefert Don Henleys "Boys of Summer" - ihr absolutes Lieblingslied, das sie nicht mal auf Platt e hat. Viva ist blitzgescheit, aber katastrophal schlecht in der Schule, frech und kokett, aber immer noch Jungfrau, zu reflektiert, um nicht selbst zu merken, wann sie sich lächerlich macht, und die beste Freundin der Sexgöttin der Schule, der Schwedin Katrina, genannt Treena, die nicht besonders helle, aber mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und polarer Coolness durch's Leben stolziert und immer macht, was sie will. Ray ist Musiker, genau betrachtet sogar ein Star, und "sehr beliebt bei Schülern, die sich den Nabel piercen lassen und zu Hause bei den Eltern den Ring herausnehmen." Kennengelernt haben sich Viva und Ray in der National Gallery, als sie sich gegenseitig im Angesicht einer präraffaelitischen Madonna Tolstoizitate an den Kopf warfen. Zehn Jahre trennen die beiden, und er hat nie versucht, sie anzumachen - einerseits nervt sie das, andererseits ist er ohnehin in natura einer der unattraktivsten Männer, die sie kennt: "Mit den retouchierten Fotos und redigierten Inte rviews ist leichter umzugehen als mit der realen Person."
Ja, Viva ist kompliziert, und ihr Leben changiert zwischen Kitsch und Chaos, einer scharfbeleuchteten Wirklichkeit und ihrem fantasiegeschwängerten Spiegelbild. Wie ein Staubsauger nimmt Viva alles um sich herum auf, setzt es neu zusammen und bläst ihre ganz persönliche Sicht der Dinge wieder in die Welt. Eines Tages lernt sie Drew kennen, den Sänger von Rays Vorband "The Kindness of Strangers", verletzlich, ätherisch, neurotisch, nicht von dieser Welt, mit einem Lächeln, bei dem sich "sein Mund zwirbelte wie der Schnurrbart von Salvador Dal ." Doch die Liebe für's Leben ("Wenn ich an Drew denke, fühle ich mich so lebendig, dass ich sterben möchte.") verschwindet plötzlich spurlos von der Bildfläche.
Mit Wortwitz und einem Dauerfeuer verlüffender Pointen lässt Emma Forrest Viva von sich erzählen. Das Namedropping ist dabei Vivas Weg, einer Welt, die für sie zu klein ist, einen größeren Rahmen zu verleihen. Es ist keine Me thode, um bei anderen Eindruck zu schinden, sondern die Rettung aus der Beziehungslosigkeit mit einer Umwelt, in der sie sich als Außenseiterin fühlt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.02.2000 Literatur
Hauptsache Pop
Namedropping aus Verzweiflung:
Emma Forrests erster Roman
Viva ist sechzehn und ihr Lieblingslied stammt aus den achtziger Jahren: „The Boys of Summer” von Don Henley. Sie hat es nicht auf Vinyl und auch nicht auf CD, aber wenn es im Radio läuft, bekommt sie jedesmal Gänsehaut bei den Worten: „I can’t tell you my love for you will be strong, after the boys of summer have gone. ” Die wahre Liebe darf nur einen Sommer dauern. Alles andere wäre abgeschmackt.
Dass die Liedzeile in Wirklichkeit das Gegenteil meint, ist dabei erst einmal egal: Viva Cohen hört und sieht nur, was sie will, und duldet in ihrer Gegenwart nur Popstars. Zusammen mit ihrem schwulen Onkel lebt die Heldin von Emma Forrests Roman „namedropping” (288 Seiten, dtv 20297, 17,50 Mark) in London, und ihre beste Freundin ist so schön, dass es weh tut. Sie selbst ist Jüdin und leidet unter ihrem Aussehen, das nicht annähernd an das ihrer Wahlmutter Liz Taylor heranreicht. Gnadenlos und witzig kommentiert Viva die Popwelt, und dem Leser wird ziemlich schnell klar: Namedropping, die ständige Referenz an die Schönen und Berühmten aus Musik und Film, ist bei Viva nur ein Mittel zum Zweck. Eigentlich will sie nur geliebt werden.
Sicher sei ihr erster Roman autobiografisch, sagt die jüdische Engländerin Forrest, Jahrgang 1977. Doch was heißt das schon bei einer Autorin, die seit ihrem 15. Lebensjahr für The Sunday Times, The Guardian, Vanity Fair und GQ über Popmusik und Mode schreibt, Robbie Williams und Ivana Trump porträtiert und in ihren Artikeln ständig Truman Capote und Bret Easton Ellis zitiert? Dass die Grenzen fließend sind. Dass Kelly Taylor und David Silver aus „Beverly Hills 90210” vielen Kids vertrauter sind als die eigenen Schulkameraden.
Ein Buch für alle, die gerne bei laufendem Fernseher lesen. Minnie Driver („Good Will Hunting”, „The Ideal Husband”) liebt dieses Buch, und wenn sie groß ist, will sie es heiraten.
kid
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Hauptsache Pop
Namedropping aus Verzweiflung:
Emma Forrests erster Roman
Viva ist sechzehn und ihr Lieblingslied stammt aus den achtziger Jahren: „The Boys of Summer” von Don Henley. Sie hat es nicht auf Vinyl und auch nicht auf CD, aber wenn es im Radio läuft, bekommt sie jedesmal Gänsehaut bei den Worten: „I can’t tell you my love for you will be strong, after the boys of summer have gone. ” Die wahre Liebe darf nur einen Sommer dauern. Alles andere wäre abgeschmackt.
Dass die Liedzeile in Wirklichkeit das Gegenteil meint, ist dabei erst einmal egal: Viva Cohen hört und sieht nur, was sie will, und duldet in ihrer Gegenwart nur Popstars. Zusammen mit ihrem schwulen Onkel lebt die Heldin von Emma Forrests Roman „namedropping” (288 Seiten, dtv 20297, 17,50 Mark) in London, und ihre beste Freundin ist so schön, dass es weh tut. Sie selbst ist Jüdin und leidet unter ihrem Aussehen, das nicht annähernd an das ihrer Wahlmutter Liz Taylor heranreicht. Gnadenlos und witzig kommentiert Viva die Popwelt, und dem Leser wird ziemlich schnell klar: Namedropping, die ständige Referenz an die Schönen und Berühmten aus Musik und Film, ist bei Viva nur ein Mittel zum Zweck. Eigentlich will sie nur geliebt werden.
Sicher sei ihr erster Roman autobiografisch, sagt die jüdische Engländerin Forrest, Jahrgang 1977. Doch was heißt das schon bei einer Autorin, die seit ihrem 15. Lebensjahr für The Sunday Times, The Guardian, Vanity Fair und GQ über Popmusik und Mode schreibt, Robbie Williams und Ivana Trump porträtiert und in ihren Artikeln ständig Truman Capote und Bret Easton Ellis zitiert? Dass die Grenzen fließend sind. Dass Kelly Taylor und David Silver aus „Beverly Hills 90210” vielen Kids vertrauter sind als die eigenen Schulkameraden.
Ein Buch für alle, die gerne bei laufendem Fernseher lesen. Minnie Driver („Good Will Hunting”, „The Ideal Husband”) liebt dieses Buch, und wenn sie groß ist, will sie es heiraten.
kid
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"Ein wunderbarer Roman, praktisch die Girl-Variante von Nick Hornbys 'High Fidelity'. Robert de Niro höchstpersönlich hat für seine Firma die Filmrechte gekauft." Libro Journal