Napoleon zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Vor über zweihundert Jahren stieg er vom kleinen korsischen General zum Kaiser der Franzosen auf und machte französische und europäische Geschichte. Bis heute ist er das Synonym für den Einzug der Moderne in Europa
und zugleich für das neue, totale Gesicht des Krieges.
Über kaum eine andere historische…mehrNapoleon zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Vor über zweihundert Jahren stieg er vom kleinen korsischen General zum Kaiser der Franzosen auf und machte französische und europäische Geschichte. Bis heute ist er das Synonym für den Einzug der Moderne in Europa und zugleich für das neue, totale Gesicht des Krieges.
Über kaum eine andere historische Persönlichkeit ist so viel geschrieben worden. Aus der Vielfalt der Napoleon-Literatur ragt jedoch ein Buch heraus, das bereits 1935, also vor über 75 Jahren, erschien. Nun liegt die Napoleon-Biografie des französischen Historikers Georges Lefebvre als gewichtige Taschenbuchausgabe im Reclam-Verlag vor. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1955 und wurde vom Hrsg. Peter Schöttler überarbeitet.
In 19 ausführlichen Kapiteln schildert Lefebvre nicht nur die abenteuerliche Karriere des Korsen mit all ihren Erfolgen und Niederlagen, sondern er beleuchtet immer wieder die sozialen und ökonomischen Aspekte der europäischen Geschichte um 1800. So werden die Auswirkungen der Kontinentalsperre auf die kontinentale Wirtschaft detailliert betrachtet. Auch die nationalen und sozialen Reformen, die im Zuge der napoleonischen Eroberungen in den europäischen Monarchien (vor allem in Preußen) zum Tragen kamen, wer-den umfangreich erläutert, ebenso der Wiener Kongress, der in Europa die Grenzen neu festlegte und neue Staaten definierte.
Obwohl die Betrachtungen und Analysen den wissenschaftlichen Kenntnisstand vor dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren, hat Lefebvre damals mit seinem Werk die Weichen für die weitere internationale Napoleon-Forschung gestellt. Mit Recht wird es als das wichtigste und einflussreichste Napoleon-Buch des 20. Jahrhunderts angesehen.
Abgeschlossen wird dieses kenntnisreiche Geschichtswerk durch ein umfangreiches Nachwort des Historikers Daniel Schönpflug, in dem er ebenfalls betont, dass Lefebvre bereits die wichtigsten Fragen zum Phänomen Napoleon gestellt hat. Doch in den letzten fünfzig Jahren wurde weiteres umfassendes statisches Material erschlossen, sodass die Forschung große Fortschritte gemacht hat, die napoleonische Epoche in die europäische Gesellschaftsgeschichte einzuordnen.
Mit der aktualisierten Bibliografie und dem umfangreichen Personenregister ist Lefebvres Napoleon-Darstellung eine brillante und faktenreiche Charakterstudie und ein anschauliches Geschichtsbuch.
Manfred Orlick
